Bei der EM 2022 gehörte Merle Frohms zu den festen Größen im DFB-Team. Die Wolfsburgerin ist auch bei der WM die Nummer eins im deutschen Tor. Im exklusiven Sky Interview spricht die 28-Jährige über ihre Rolle, Rituale, Australien und die Folgen der gestiegenen Bekanntheit.
Sky Sport: Im ersten Spiel hat die deutsche Mannschaft mit sechs zu null ein Ausrufezeichen gesetzt. Wie ist die Stimmung im Team?
Merle Frohms: Die Erleichterung ist sehr groß. Die Tage vor dem ersten Spiel waren schon sehr lang für jede von uns. Dass wir dann so deutlich siegen konnten, dass wir mit so einem guten Gefühl auf dem Platz standen, dass uns ein guter Start gelungen ist, das war eine Erleichterung für alle von uns.
Sky Sport: War es für Sie als Torhütern besonders schön, dass hinten die Null stand?
Frohms: Ja, natürlich. Wenn man so deutlich gewinnt, dann ist es auch wichtig, dass hinten die Null steht. Ein Gegentor wäre ein kleiner Schönheitsfehler gewesen. Von daher freut es mich umso mehr, dass wir die Null halten konnten.
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Sky Sport: Am Sonntag wartet mit Kolumbien der vermeintlich stärkste Gegner in der Gruppe. Die Kolumbianerinnen spielen sehr körperbetont. Was erwarten Sie?
Frohms: Eine sehr physisch starke Mannschaft, die sehr zielstrebig ist, die alles reinwerfen wird und uns bestrafen werden, wenn man mal zu lange Kontakte am Ball haben, zu langsam sind in den Aktionen. Da werden wir einfach gegenhalten müssen, uns nicht provozieren lassen, sondern einfach unserer Linie treu bleiben. Aber natürlich werden wir auch mit einem Auge schauen, dass wir möglichst wenig Kontakt haben und gar nicht erst in diese Zweikampfsituationen kommen.
Sky Sport: War es schon Thema, vielleicht die Pässe früher zu spielen, um auch Verletzungen aus dem Weg zu gehen?
Frohms: In erster Linie wollen wir unser Spiel besser machen. Wir hatten auch nach dem ersten Gruppenspiel analysiert, dass wir manchmal in den Aktionen einfach noch zu viele Kontakte haben, dass wir dem Gegner zu viel Zeit gegeben haben, um zu verschieben und um sich wieder dem Pressing zu stellen. Und das wird uns gegen Kolumbien helfen, um uns noch besser zu durchzukombinieren, aber eben auch, um die Zweikämpfe zu vermeiden.
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Sky Sport: Die EM im vergangenen Jahr war grandios, jetzt sind Sie bei der WM wieder die unangefochtene Nummer eins im deutschen Kasten. Ist für Sie ein Traum wahr geworden?
Frohms: Es war nicht so, dass es immer mein Traum war. Ich wollte einfach immer Fußball spielen. Ich war schon immer sehr ehrgeizig, von daher wollte ich auch immer das Beste aus mir rausholen. Irgendwie kam dann eins zum anderen. Ich habe mich immer weiterentwickelt, bin immer höher gekommen, immer weiter aufgestiegen. Meine Rollen haben sich immer wieder verändert. Dass ich jetzt am Ende Nummer eins von Deutschland bin, macht mich mega stolz, aber geht natürlich auch mit einer Verantwortung einher, die ich habe, meiner Mannschaft ein starker Rückhalt zu sein und jedes Mal aufs Neue wieder abzuliefern.
Sky Sport: Viele sprechen gerade bei Ihnen von einer riesigen Entwicklung, nicht nur auf dem Platz, sondern auch neben dem Platz. Was waren aus Ihrer Sicht die größten Veränderungen in den vergangenen ein, zwei Jahren?
Frohms: In erster Linie glaube ich, war es mein eigener Ehrgeiz zu wissen, okay, ich habe das Potenzial, ganz oben anzukommen und einiges zu reißen. Also möchte ich das auch ausschöpfen und bestmöglich an mir arbeiten. Aber natürlich hatte ich auch einfach ein optimales Umfeld, das mich in allem, was ich gemacht habe, unterstützt hat. Das war meine Familie und meine Freunde, die immer an meiner Seite waren, egal, was ich gemacht habe. Aber natürlich auch mein Trainerteam. Gerade damals in Frankfurt, aber jetzt auch in Wolfsburg werden mir optimale Bedingungen geboten, um mich bestmöglich zu entwickeln. Ich habe Torwarttrainer, die sehr intensiv mit mir zusammenarbeiten, auch mal eine extra Einheit einschieben, wenn ich noch nicht ganz so zufrieden mit mir bin, mich aber auch einfach bis ans Limit pushen. Von daher weiß ich das auch sehr zu schätzen, dass ich ein Umfeld habe, das mich beim Erreichen meiner Ziele unterstützt.
Sky Sport: Was war die größte Herausforderung? Gab es einen Punkt, als Sie gedacht haben, Sie kommen nicht weiter, oder andere schwierige Situationen?
Frohms: Ja. Die Herausforderung ist, Erwartungen zu erfüllen und dem Druck standzuhalten, immer wieder performen zu müssen. Eine Verantwortung zu haben, Spiele mitzuentscheiden. Nicht nur mich selber nur zufrieden zu stellen, mit meiner Leistung zufrieden zu sein, sondern dass ja zunehmend auch mit größerer Aufmerksamkeit, größerer Reichweite auch der Druck von außen höher wird.
Sky Sport: Im Trainingslager wurden Sie einmal gefragt: Wie können Sie denn so eine gute Torhüterin sein? Sie sind doch so zierlich. Was denken Sie darüber?
Frohms: Tatsächlich kriege ich relativ häufig die Frage gestellt, ob ich nicht zu klein bin eine Torhüterin. Ich kann es nicht ändern. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn ich größer wäre. Ich kann ich nur mit dem arbeiten, was ich habe. Das scheint jetzt nicht so schlecht zu sein.
Sky Sport: Wann und warum haben Sie sich dazu entschieden, Torhüterin zu werden?
Frohms: Ich habe auch lange im Feld gespielt, wollte auch Tore schießen und auch mal häufiger den Ball haben. Mit sieben oder acht Jahren bin dann das erste Mal ans Tor gegangen, weil wir ein super schönes Torwart Trikot hatten. Ich fand es auch cool, die Einzige zu sein, die dieses Trikot und die Handschuhe anzuhaben. Ich bin auch bei mir zu Hause immer mit diesen Handschuhen rumgelaufen, weil ich es cool fand, anders zu sein als die anderen Spielerinnen.
Sky Sport: Ich weiß, dass Sie sich akribisch auf Elfmeterschießen vorbereiten. Aber mal anders gefragt: Wären Sie auch bereit, als Schützin anzutreten, wenn es dann in die K.o.-Phase geht?
Frohms: Klar, wenn es drauf ankommt, auf jeden Fall. Ich vertraue meinen Mitspielerinnen, dass sie einige schon geübter sind als ich. Aber wenn es hart auf hart kommt, auf jeden Fall.
Sky Sport: Wenn man Sie während der Spiele beobachtet und sich das Geschehen in der anderen Hälfte abspielt, sieht man Sie oft herumlaufen. Können Sie mal erklären, warum Sie das machen?
Frohms: Zum einen, einfach um warm zu bleiben, es hat aber auch mentale Aspekte, einfach um im Spiel zu bleiben. Ich könnte sonst dazu neigen, Eindrücke von außen zuzulassen, zu gucken, okay, wie viele Zuschauer sind denn da? Das versuche ich einfach zu umgehen, indem ich aktiv am Spiel teilhabe, ein paar Sprints ansetzen, um auch mental im Spiel und in der Konzentration zu bleiben.
Sky Sport: Gibt es noch andere Tricks, die Sie anwenden, um fokussiert zu bleiben? Nicht nur während des Spiels, vor allem auch davor?
Frohms: Ja, davor habe ich schon so meine Rituale und Routine. Es fängt bei der Gegner Analyse an, dass ich ungefähr abschätzen kann, was auf mich zukommt. Inwieweit das im Spiel Einfluss nimmt, sei dahingestellt, weil man dann natürlich sehr viel intuitiv agiert. Aber es gibt mir ein gutes Gefühl, vorbereitet zu sein, alles dafür getan zu haben, ein gutes Spiel abliefern zu können. Ich höre auch immer Musik vor dem Spiel auf dem Zimmer, aber dann auch über Kopfhörer. Während der Busfahrt und in der Kabine habe ich dann meine Routinen, damit ich ja möglichst wenig Leerlauf habe, wo ich irgendwie ins Grübeln kommen könnte.
Sky Sport: Die TV-Quoten beim Marokko-Spiel waren ziemlich gut. Wie haben Sie in der Mannschaft darauf reagiert?
Frohms: Das freut uns natürlich ungemein. Wir wussten, dass Familie und Freunde zu Hause zuschauen werden, uns unterstützen werden. Aber die Entfernung und die ungewöhnliche Uhrzeit waren Unsicherheitsfaktoren. Wie viele Menschen können wir tatsächlich erreichen, gerade nach der EM, auch im letzten Jahr? Es freut uns umso mehr, dass wir direkt mit dem ersten Spiel gleich wieder die Begeisterung der Menschen dabei haben.
Sky Sport: Wie nehmen Sie die Stimmung hier in Australien und das Land wahr?
Frohms: Das Land ist super. Man merkt einfach, dass die Leute, dass alle Beteiligten Bock auf dieses Turnier haben, dass alles optimal vorbereitet wurde, um uns hier bestmögliche Bedingungen zu liefern. Als wir in der Stadt waren, wurden wir erkannt, wurden von mehreren Leuten angesprochen. Ich weiß nicht, ob es aufgrund unserer Gesichter war, die man erkannt hat, oder aufgrund unserer Gangart (lacht). Ich habe schon öfter gehört, dass wir Fußballerinnen wer speziellen Gang haben. Das haben wir nicht herausgefunden. Aber ja, die Leute sind alle super aufgeschlossen, super freundlich, Es ist eine sehr schöne Mentalität hier.
Sky Sport: Das Basecamp in Wyong liegt etwas ab vom Schuss. Wie ist das für Sie? Wünscht man sich manchmal auch ein bisschen mehr am Puls der Stadt zu sein?
Frohms: Ich glaube, wir haben in den letzten Tagen und Wochen, die wir jetzt hier sind, eine ganz gute Mischung gefunden, dass wir an den freien Tagen auch mal die Möglichkeit haben, nach Sydney in die Stadt zu fahren, Kaffee zu trinken oder andere Leute zu sehen und andere Eindrücke zu sammeln. Aber ich glaube, es tut uns auch gut, dass wir sehr viel Zeit mit der Mannschaft im Team verbringen, zusammen Dinge zu erleben, Ruhepausen nehmen zu können, es aber auch nicht weit haben bis zum Trainingsgelände.
Sky Sport: Was machen Sie im Base Camp am liebsten in Ihrer freien Zeit?
Frohms: Ich studiere hier tatsächlich recht viel, schreibe sehr viel an meiner Hausarbeit. Ich bin irgendwie im Flow und habe wenig Ablenkung. Beste Bedingungen, um mal wirklich produktiv werden was fürs Studium zu tun.
Sky Sport: Mit wem wohnen Sie im Basecamp zusammen?
Frohms: Wir haben Reihenhäuser mit jeweils zwei Schlafzimmern und einem gemeinsamen Wohnzimmer. Ich teile mir mit Sara (Doorsoun) ein Reihenhaus.
Sky Sport: Welches ist das "chaotischste" Reihenhaus?
Frohms: Ich glaube, ich tue ihnen unrecht, aber Obi (Lena Oberdorf) und Jule (Brand) sind zusammen in einem Haus. Sie machen das bestimmt sehr gut. Aber sie sind halt auch noch entsprechend jung (lacht).
Sky Sport: Durch die gestiegene Aufmerksamkeit gibt es auch immer mehr Fragen zum Privatleben. Wie gehen Sie damit um?
Frohms: Dadurch, dass ich von Anfang an einfach eine klare Linie gefahren bin und gesagt habe, ich gebe sportlich sehr viel über mich preis, aber das Private möchte ich für mich behalten, gibt es da weniger Nachfragen. Ich finde es recht angenehm, dass das auch respektiert wird.
Sky Sport: Gibt es, etwas, was Sie auf gar keinen Fall auf Social Media posten würden?
Frohms: Ich glaube, man wird nie ein Bikini-Bild von mir sehen, aber auch das finde ich nicht verwerflich. Es soll einfach jeder in seinem Rahmen, in dem er sich wohlfühlt und was er preisgeben möchte, posten. Ich finde, da gibt es kein richtig oder falsch, sondern es soll einfach authentisch bleiben. Und man muss sich natürlich bewusst machen, dass das man eine Reichweite hat und man nicht mehr den Überblick hat, wer diese Bilder alles zu Gesicht bekommt.
Das Interview führte Lisa de Ruiter
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