Vor 13 Jahren spielte der 1. FC Heidenheim, der Verein des kleinen 50.000-Einwohner-Städtchens an der Brenz, noch in der 6. Liga. Nun klopft der FCH mächtig ans Tor zur großen Bundesliga. Eine Erfolgsstory, die vor allem von einem gestaltet und geprägt wurde: Trainer Frank Schmidt.
"Das ist für die meisten eine Lebenschance. Wir können etwas Außergewöhnliches schaffen. Ich glaube an das Unglaubliche", sagt Frank Schmidt auf der Pressekonferenz im Hinblick auf die anstehende Bundesliga-Relegation gegen den SV Werder Bremen (2. und 6. Juli).
Die beiden Duelle gegen die Norddeutschen im Kampf um den Einzug ins deutsche Fußball-Oberhaus ist die bislang größte Bühne, auf der sich ''der kleine Verein von der Ostalb'' präsentieren darf. In insgesamt 180 Minuten (oder bei einer möglichen Verlängerung auch 210 Minuten) greift der FCH nach dem Fußball-Wunder.
Schmidt: "Es ist schier unglaublich"
An ein solches will Coach Schmidt aber nicht glauben. Der 46-Jährige sieht die anstehenden Ereignisse eher pragmatischer. "Ich bin kein Träumer." Für die Sensation sei "wahnsinnig viel gute Arbeit" und "viel Leidenschaft" notwendig.
Das bislang Geleistete will Schmidt aber schon vor den entscheidenden Partien herausstellen. "Es ist schier unglaublich, was wir alle zusammen erreicht haben, das ist vielen Menschen gar nicht bewusst", betonte der Trainer. Es gebe aber noch einen letzten finalen Schritt, der zum absoluten Glück fehlt. "Manchmal muss man das Unmögliche probieren, um das Mögliche zu erreichen. Das ist unsere Aufgabe."
Schmidt: "Besondere Identifikation"
Schmidts Aufgabe beim 1. FC Heidenheim an der Brenz begann jedoch schon vor vielen Jahren - und mutierte zur absoluten Erfolgsstory. Innerhalb weniger Jahre führte er den FCH von der Verbandsliga (6. Liga) in die 2. Bundesliga, in der der Verein bereits seine sechste Saison verbringt.
Blickt man jedoch detaillierter und tiefer in die Heidenheimer Personal-Konstellation, verbirgt sich darin großes Fußball-Romantik-Potential. Denn Schmidt ist nicht nur Erfolgscoach des ansässigen Vereins, sondern auch ein Kind dieser Stadt. "Es ist eine besondere Identifikation, wenn man an dem Ort arbeiten darf, an dem man auch groß geworden ist", erklärte Schmidt einst im Sky Interview.
Keine 500 Meter Luftlinie vom Stadion entfernt, kam er am 3. Januar 1974 zur Welt. Aufgewachsen ist Schmidt im zwölf Kilometer entfernten Giengen an der Brenz, wo er bis ins Jugendalter auch blieb. Mit 16 wagte er den ersten Schritt in Richtung Profifußball und zog ins Nachwuchsinternat des 1. FC Nürnberg.
Eine schwere Knieverletzung warf ihn zurück, sorgte jedoch auch für eine Entwicklung neben dem Fußball. Um für eine Zeit nach der Karriere gerüstet zu sein, absolvierte Schmidt eine Ausbildung zum Bankkauffmann - ein Beruf, den er bis heute nicht ausgeübt hat.
Schmidt erlebte erfolgreichste Zeit als Fußballer bei Aachen
Denn es folgten unter anderem die Stationen beim TSV Vestenbergsgreuth und der SpVgg Greuther Fürth. Seine beste Zeit als Fußballer verbrachte Schmidt jedoch zwischen 1998 und 2003 bei Alemannia Aachen, wo er zeitweise auch das Kapitänsamt inne hatte. In dieser Zeit reifte Schmidt nicht nur als Spieler, sondern auch als Mensch und sammelte Fertigkeiten, die sich im Nachhinein für seinen späteren Werdegang auszahlten.
"Gerade Werner Fuchs, der mein Trainer bei Alemannia Aachen war, hat mich als Fußballer aber vor allem als Mensch geprägt. Diese Erfahrungen haben vom ersten Tag an, an dem ich Trainer geworden bin, geholfen."
Dieser kam am 17. September 2007 - nur zwei Monate nach Beendigung seiner aktiven Profi-Karriere beim 1. FC Heidenheim, als sich der Verein von Coach Dieter Märkle trennte und Schmidt übernahm. "Ich bin Trainer geworden und wollte es am Anfang gar nicht. Da hat Holger Sanwald (Vorstandsvorsitzender, Anm. d. Red.) aber gesagt, mach das mal für zwei Spiele." Aus diesen wurden aber deutlich mehr, denn der damals 33-Jährige entpuppte sich sofort als Macher, führte den Klub direkt im ersten Jahr zum Aufstieg in die Oberliga und war seitdem DER Erfolgscoach an der Brenz.
Schmidt verpasst FCH eine Identität
Dabei besinnte sich Schmidt stets auf seine Wurzeln und integrierte die DNA der Region in den Verein. "Heidenheim ist Industrie, Heidenheim ist Mittelstand. Und Heidenheim bedeutet malochen und arbeiten, damit es einem gut geht. Das hat sich hier so etabliert. Die Zuschauer wollen sehen, dass die Mannschaft alles gibt und dann verzeihen sie auch mal, dass man nicht so gut spielt."
Schlechter Fußball wurde unter Schmidt, der bei seinem Amtsantritt nach eigener Aussage lapidar verkündete, "der Volker Finke von Heidenheim" werden zu wollen, allerdings nur selten geboten. Auch aus diesem Grund ist Schmidt nach wie vor an der Seitenlinie des FCH tätig - und das mittlerweile in seinem 13. Jahr, womit er der aktuell dienstälteste Trainer im deutschen Profi-Fußball ist.
Schmidt ist nicht der Alleinunterhalter
Nur ein Jahr weniger dauert seine Zusammenarbeit mit Marc Schnatterer, seinem verlängerten Arm auf dem Feld. An diesem Beispiel ist Schmidts Verhältnis zu seinen Spielern und sein Führungsstil sehr gut zu erkennen. Schmidt ist weder der Alleinunterhalter noch fällt er alle Entscheidungen in Eigenregie. Der 46-Jährige bevorzugt eine enge Zusammenarbeit mit seinen Spielern und den weiteren Menschen, die im Verein tätig sind.
"Das ist keine One-Man-Show. Natürlich bin ich am Ende der Entscheider, ich will aber auch Verantwortung übergeben an die Spieler." Diese sollen auf dem Platz selbstbewusst auftreten, außerhalb des grünen Rasens aber auch den Mitarbeitern im Verein demütig und dankbar gegenübertreten. "Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass der Rasen immer gut, die Kabine immer frisch geputzt ist. In diesem Verein gibt jeder 100 Prozent, weil er weiß, dass das geschätzt wird."
Schmidt: "... die Krönung einer unglaublichen Karriere"
Aufgrund der unermüdlichen Arbeit in allen Bereichen, gönnt man sich beim 1. FC Heidenheim gegenseitig den Erfolg, der zwar auf der Personalie Frank Schmidt fußt, aber als absolutes Gemeinschaftsprodukt verstanden wird. Dies verdeutlicht auch die Aussage von Schmidt über seinen Kapitän Schatterer - und den möglichen Aufstieg: "Es ist vorbildlich, was er hier geleistet hat. Bevor ich es mir wünsche, wünsche ich es ihm. Es wäre die Krönung einer unglaublichen Karriere."
Doch dies gilt auch für die Karriere von Schmidt, der damit das nächste Heidenheimer Erfolgskapitel aufschlagen würde. Dafür fehlen nur noch zwei erfolgreich geführte Duell mit dem SV Werder Bremen ...