Rebell, Ikone, Popstar: Günter Netzer lebte mehrere Leben in einem. Am Samstag wird der "lange Blonde" 80 Jahre alt. In Mönchengladbach wird die Borussia-Legende gebührend gefeiert.
Am 80. Geburtstag des Klubidols Günter Netzer trifft Borussia Mönchengladbach am Samstag (15.30 Uhr/Sky) auf den VfB Stuttgart. "Wir wollen ein leidenschaftliches Spiel zeigen, Emotionen und viel Energie auf den Platz bringen", sagte Trainer Gerardo Seoane, "das wäre sicher ein Geburtstagsgeschenk, das er wahrscheinlich gerne von uns sehen würde."
Netzer, zweimal Meister mit den Fohlen, habe für die Borussia "Großartiges geleistet", so Seoane, und damit "den Verein auf eine andere Ebene gebracht".
Deshalb soll der frühere Nationalspieler schon vor den 90 Minuten Bundesliga-Fußball gewürdigt werden. Die Spieler werden in der "Günter-Netzer-Woche" besondere Einlaufjacken tragen, im Stadion sollen Highlights laufen, dazu Mannschaft und Fans ein Ständchen zu seinem 80. Ehrentag singen.
"Demütig und dankbar"
"Ich bin demütig, diese Zahl erreichen zu können. Das ist wenigen vergönnt", sagt die Fußball-Ikone, die als Spielmacher, Popstar, Rebell, Manager, Geschäftsmann und Journalist mehrere Leben in einem führte.
"Vor zehn Jahren habe ich alle meine Leben aufgegeben bis auf das reale", sagte Netzer zuletzt im Podcast "Einfach Fußball" in einem seiner selten gewordenen Interviews. Reflektiert wie selten blickte er darin auf 80 turbulente Jahre zurück. "Ich bin dankbar, für das, was das Leben mir beschert hat. Es gab so viele beste Tage, dass ich die gar nicht alle benennen kann."
Zwei Meisterschaften mit Mönchengladbach
Wo also anfangen? In den Straßen von Mönchengladbach vielleicht, wo die Nachbarskinder den kleinen Günter nur mitspielen ließen, weil er einen Lederball besaß. Doch er bewies Talent, wechselte mit 19 zur Borussia und führte diese zusammen mit dem knorrigen Trainer Hennes Weisweiler erst in die Bundesliga und dann zu den Meisterschaften 1970 und 1971.
Selbsteinwechslung und Tor im Finale gegen Köln
1973 folgte noch so ein "bester Tag", aus dramaturgischer Sicht sogar der allerbeste: Netzers Selbst-Einwechslung im Pokalfinale gegen den 1. FC Köln ist längst Legende. "Ich spiel dann jetzt", sagte er zu Weisweiler vor der Verlängerung - und erzielte in seinem letzten Spiel für die Borussia mit wehendem Haupthaar das Siegtor.
Zweimal Meister mit Real Madrid
Danach wurde der "lange Blonde" auch mit Real Madrid zweimal Meister. In der Nationalmannschaft glänzte er dagegen selten. Sein bestes von nur 37 Länderspielen bestritt er 1972 beim 3:1 in England, dem ersten Sieg Deutschlands auf der Insel. Der Treffer zum 2:1 sei sein "wichtigstes Tor überhaupt" gewesen, sagt er heute.
Europameister und Weltmeister
FAZ-Literaturchef Karl Heinz Bohrer erfand daraufhin jenen Satz von der Tiefe des Raumes, der Netzer bis heute begleitet. "Es ist ein toller Satz. Er hat mir einen großen Dienst erwiesen über all die Jahrzehnte", sagt Netzer. Als Weltmeister 1974 fühlt er sich bis heute nicht, weil er nur bei der Niederlage gegen die DDR auf dem Platz stand.
Karriere als Manager und TV-Experte
Der Erfolg blieb ihm auch treu, als seine Schuhe mit der Größe 46 2/3 längst am Haken baumelten. Als Manager führte Netzer den Hamburger SV zu drei Meistertiteln (1979, 1982, 1983) und dem Triumph im Europapokal der Landesmeister (1983), als ARD-TV-Analyst gewann er an der Seite von Gerhard Delling den Grimme-Preis.
Weniger gern spricht der damalige WM-Botschafter Netzer über die Affäre rund um die Vergabe der WM 2006. Behauptungen des ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, Netzer habe ihm von gekauften Funktionären vor der WM-Abstimmung berichtet, wies dieser empört zurück.
"Das darf man nicht bejammern"
Inzwischen hat sich Netzer zurückgezogen, lebt in der Schweiz und verbringt viel Zeit auf Sylt. "Das Kreuz tut weh, das Knie ist kaputt. Aber das darf man nicht bejammern, das ist der Preis des Ganzen. Das ist für mich mehr als akzeptabel", sagt er.
Und anders als sein Freund Wolfgang Overath, der seinen 80. Geburtstag so gut es ging verdrängte, begeht Netzer seinen Ehrentag mit offenen Augen. "In meinem Leben ist alles wie ein gerader Strich nach oben gegangen", sagt er: "Und das ist doch sehr verwunderlich."
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