Hau das Ding raus - Kolumne von Sky Reporter Sven Töllner || DFB-Kadernominierung

Revolution mit Augenmaß

Von Sven Töllner

Image: Sven Töllner schreibt in seiner Kolumne über die aktuellen Sport-Themen in der Welt.

Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne "HAU DAS DING RAUS" auf die aktuellen Ereignisse im Sport. In der neusten Ausgabe schaut Töllner auf die erste DFB-Kadernominierung des neuen Bundestrainers Julian Nagelsmann.

Warum ist der denn dabei? Was will er denn mit dem? Weshalb hat er diesen nicht beachtet und wieso jenen eingeladen? Natürlich ist es eine Option - und sehr wohl auch unterhaltsam -, Nominierungen zu diskutieren, heißblütig Partei zu ergreifen, verständnislos den Kopf zu schütteln. Das gehört zur gelernten Fußball-Folklore - klar. Vor allem natürlich dann, wenn ein neuer Trainer den Vorhang beiseite zieht und einen Blick auf seine Ideen zur Interpretation freigibt.

Bundestrainer Julian Nagelsmann erklärt die Nominierung von Stuttgarts Chris Führich, sowie Kevin Behrens und Robert Andrich von Union Berlin. Für das Trio ist es jeweils die Premiere bei der Nationalmannschaft.

DFB signalisiert zarte Reformbereitschaft

Ein paar Aufmerksamkeitserreger hat Julian Nagelsmann bei seiner ersten wegweisenden Amtshandlung ja tatsächlich vorzuweisen. Der Verdacht liegt nah, dass sich da einer anlässlich seines Entrées völlig freimacht - von Erbhöfen, Konzessionen und Bequemlichkeit. Wer derzeit gut ist und ins Gefüge passt, darf nach Amerika und hat dort unbegrenzte Möglichkeiten, sich für größere Aufgaben zu qualifizieren. Hummels zurück, Schlotterbeck weg, Behrens dabei - es fiele leicht, Aufregerpotenzial herbeizukreischen. Aber lasst uns den Furor doch mal aus der Debatte heraushalten - oder zumindest versuchen, ihm die Dominanz zu versagen. Der DFB signalisiert zarte Reformbereitschaft. Ein Hoch auf euch - nee, nee. Soweit dürfen wir natürlich nicht gehen. Ein Pflänzchen ist gleichwohl zu erahnen - mit 18er-Stollen darauf herumzutrampeln wäre unredlich.

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Hansi Flick hatte den Überblick verloren. Strategischer Wildwuchs, statt gemähter Wiese. Sein Nachfolger muss seine Mission auf englischem Rasen starten dürfen. Das weiße Blatt Papier, das Nagelsmann nun mit 26 zum Teil erstaunlichen Namen beschrieben hat, sollte als Blaupause dienen - für folgende Leitlinie: Was hilft wirklich?

Nagelsmann muss Mixtur kreieren, die dem Kader Schlagkraft verleiht

Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass Bernd Neuendorf - zuvor viel zu häufig durch irritierende Straucheleien auffällig geworden - einen robusten Emanzipierungsversuch gezündet hat. Was Rummenigge, Mintzlaff oder auch Watzke sagen, kann wichtig, darf aber nicht bindend sein. Die Entscheidung, den Abnick-Allergiker Andreas Rettig in verantwortliche Position zu beordern, war für den DFB-Boss ganz sicher nicht die komfortabelste Variante. Und Rettig selbst wird sein Mandat mit hoher Wahrscheinlichkeit als Auftrag interpretieren, Krusten zu zerschmettern und an den richtigen Stellen ein paar Extraportionen Schmieröl ins rostige DFB-Getriebe zu gießen. Revolution mit Augenmaß. Am Tiefpunkt muss man tiefgreifend agieren - aber eben nicht aktionistisch.

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Julian Nagelsmann ist neuer Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft. Im Interview erklärt der Ex-Bayerncoach seinen ersten Kader, mit Neulingen wie dem Stuttgarter Chris Führich und Kevin Behrens und Robert Andrich von Union Berlin

Das führt uns zurück auf'n Platz. Der alte Hummels spielt halt überragend. Der spätberufene Behrens ist mit den Abmessungen des spielentscheidenden Vierecks zentimetergenau vertraut. Und der anständig gerüstete Erstliga-Profi Robert Andrich gilt mancherorts als Maßeinheit (#Andrich-Skala) für Hingabe und Teamgeist. Julian, der Bastelmann muss - natürlich im Tempo - die Mixtur kreieren, die dem deutschen Kader bei der Heim-EM sicher keine übermenschlichen Kräfte, aber bitte doch zumindest eine konkurrenzfähige Schlagkraft verleiht. Vielleicht ja sogar mit ein wenig allgemeiner Unterstützung. Ein bisschen mehr Freude an der richtigen Richtung und ein bisschen weniger Lust am Scheitern - nur mal so als Anregung. Ina Deters seherischer Schlachtruf aus dem Jahr 1982 hat in den vergangenen 41 Jahren jedenfalls zu keiner Zeit an Relevanz eingebüßt: Neue Männer braucht das Land - gemeinsam gegen die stimmungsbeschwerende Krise auf dem Rasen! Und - ach ja: Auf Verbandsebene dürften es sehr gerne auch mal ein paar (neue) Frauen sein!!

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