Stattdessen thront Heart of Midlothian mit deutlichem Vorsprung an der Spitze. Großen Anteil an der aktuellen Erfolgsgeschichte des Underdogs hat auch ein Deutscher.
Im Jahr 1985 (!) kam der schottische Meister letztmals nicht aus Glasgow. Der FC Aberdeen verteidigte vor 40 Jahren unter Sir Alex Ferguson seinen Titel. Seitdem teilten Celtic (22) und die Rangers (18) die Meisterschaften untereinander auf.
Doch in dieser Spielzeit könnte die Glasgow-Dominanz ein jähes und überraschendes Ende finden, denn es läuft nicht bei den Großmächten des schottischen Fußballs. Nach zehn Spieltagen haben beide Giganten bereits den Trainer gewechselt. Die Amtszeit von Russell Martin bei den Rangers dauerte nur vier Monate. Er wurde kürzlich durch den Deutschen Danny Röhl ersetzt.
Chaos in Glasgow
Und am vergangenen Montag trat nun auch Brendan Rodgers nach langen Querelen bei den Bhoys zurück. Kurz nachdem der Nordire den Verein verließ, rechnete Hauptaktionär Dermot Desmond in einer offiziellen Klubmitteilung mit dem ehemaligen Übungsleiter des FC Liverpool ab: "Als wir Brendan vor zwei Jahren zu Celtic zurückholten, taten wir dies mit vollem Vertrauen und dem Glauben an seine Fähigkeit, den Verein in eine neue Ära nachhaltigen Erfolgs zu führen", so der irische Milliardär.
Und weiter: "Leider spiegelten sein Verhalten und seine Kommunikation in den letzten Monaten dieses Vertrauen nicht wider." Demnach seien Rodgers öffentliche Aussagen zuletzt "spaltend, irreführend und eigennützig" gewesen und "trugen zu einer vergifteten Atmosphäre im Verein bei und schürten die Feindseligkeit gegenüber Mitgliedern der Geschäftsführung und des Vorstands."
In Glasgow herrscht also Chaos, wohin man schaut. Und die Gunst der Stunde nutzt ein Klub, der zuletzt 1960 die Premiership gewinnen konnte. Heart of Midlothian aus der Hauptstadt Edinburgh setzte sich am Wochenende im direkten Duell gegen Celtic mit 3:1 durch und distanzierte das dominierende Team der vergangenen Jahre auf beachtliche acht Punkte nach neun Spielen. Am gestrigen Mittwoch schmolz der Vorsprung nach dem 2:2 beim FC St. Mirren und dem gleichzeitigen 4:0-Kantersieg Celtics gegen Falkirk zwar auf sechs Punkte, aber sonst mussten die Hearts nur beim 3:3 gegen den FC Motherwell Punkte abgeben und gewannen die restlichen acht Spiele allesamt.
Hearts mit cleveren Transfers
Wie ist dieses schottische Märchen zu erklären? Zum einen muss man konstatieren, dass Celtic vor Saisonbeginn einige Leistungsträger wie den Deutschen Nicolas Kühn (für 19 Millionen Euro nach Como) verloren hat und die Neuzugänge bisher noch nicht funktionieren. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Hearts einige Volltreffer auf dem Transfermarkt landeten, die so nicht absehbar waren.
Oder vielleicht doch? Vor Saisonbeginn kaufte nämlich mit Tony Bloom, ein in der Fußballszene durchaus bekannter Funktionär, für umgerechnet 11,3 Millionen Euro rund 29 Prozent der Anteile an den Hearts. Bloom ist für seine datengetriebene Arbeitsweise bekannt. Er strukturierte seinen Herzensklub Brighton & Hove Albion komplett um und ist in puncto Scouting federführend in Europa. 2018 übernahm er zudem Union Saint-Gilloise und feierte mit dem damals völlig unbekannten Provinzklub zuletzt die belgische Meisterschaft.
Sicherlich auch dank des Inputs des ehemaligen Pokerspielers holten die Schotten zu Saisonbeginn Claudio Braga für rund eine halbe Million Euro aus der zweiten norwegischen Liga. In zehn Ligaspielen traf der Portugiese bisher sechs Mal und legte drei weitere Tore auf. Alexandros Kyziridis kam sogar ablösefrei. Zuletzt spielte der Grieche in der Slowakei für Zemplin Michalovce. Der Linksaußen kommt bisher in der Liga in zehn Partien auf drei Tore, vier Assists und ist einer der auffälligsten Akteure der ganzen Premiership.
Schwolow stellt Vereinsrekord auf
Und dann ist da noch Alexander Schwolow. In Deutschland fand der ehemalige Torhüter des SC Freiburg, Hertha BSC, Schalke 04 und Union Berlin keinen Job mehr. Die Hearts sagten danke und Schwolow stellte direkt einen Vereinsrekord auf. Der 33-Jährige hielt in seinen ersten vier Spielen den Kasten sauber. Dies gelang noch keinem Schlussmann der Hauptstädter - und den Verein gibt es schließlich bereits seit 1874!
Auch der Trainer ist neu. Derek McInnes kennt die schottische Liga aus seinen Anstellungen mit Kilmarnock und St. Johnstone zwar bestens, eine derartige Erfolgsserie ist aber auch für den 54-Jährigen Neuland. Daher stapelt McInnes auch noch tief, was einen möglichen Gewinn der Meisterschaft angeht.
Die Saison sei noch jung und er wolle nicht von einem "Statement-Sieg" sprechen, auch wenn er zugibt, dass der Dreier, "was das Selbstvertrauen angeht", nicht schaden würde. Man wird sehen, wie weit dieses Selbstvertrauen den Underdog tragen kann. Aber Stand jetzt sind die Hearts definitiv auf den Spuren von Sir Alex und können von der größten Sensation im schottischen Fußball seit 40 Jahren träumen.
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