HSV News: Darum geht es für den Hamburger SV im Saisonfinale

Europapokal statt Aufstieg? HSV vor wegweisender Frage

Von Thomas Goldmann

Image: Jonas Boldt und Tim Walter werden den Aufstieg mit dem Hamburger SV wohl verpassen.

Mit dem Aufstieg wird es für den Hamburger SV auch in diesem Jahr wohl nichts. Dennoch könnten die letzten Saisonspiele für den Klub eine wegweisende Frage beantworten.

Es ist in Hamburg in den letzten Jahren fast schon zur Routine geworden, dass im Frühjahr der Aufstieg verspielt wird. Auch in diesem Jahr grüßt das HSV-Murmeltier wieder. Spätestens nach dem 0:1 bei Holstein Kiel dürften auch die kühnsten Optimisten die Hoffnung auf eine baldige Bundesliga-Rückkehr bei sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz und nur noch fünf ausstehenden Spielen aufgegeben haben. Doch die letzten Partien sind mehr als ein Muster ohne Wert.

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Für die Verantwortlichen geht es um die eigene Zukunft. Sportvorstand Jonas Boldt hat oft betont, den eingeschlagenen Weg mit Trainer Tim Walter weitergehen zu wollen. "Für mich gibt es gar keinen Grund, daran zu rütteln. Ich bin natürlich täglich mit Tim im Austausch und sehe, wie er sich da auch selbst weiterentwickelt", sagte Boldt vor dem Spiel gegen Kiel am Sky Mikro.

Boldt spricht von positiven Signalen

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Der Sportvorstand, dessen Vertrag noch bis 2023 läuft, ist bereits seit 2019 in der Verantwortung und kennt das Gefühl, wie es ist, wenn es mit dem Aufstieg nicht klappt. Deshalb dürfte auch seine Zukunft bei der Analyse der sportlichen Situation in den oberen Vereinsgremien ein Thema sein. Bislang präsentiert sich der Klub nach außen geschlossen. Boldt spricht von positiven Signalen.

"Es herrscht sehr große Einigkeit. Es ist ein Stück Kontinuität beim HSV, dass Ruhe eingekehrt ist. Der Austausch ist natürlich nicht täglich da. Wir haben unsere turnusmäßigen Sitzungen. Da ist jeder mit involviert. Die haben alle Entscheidungen auch mit abgesegnet. Ich habe bis jetzt auch kein anderes Gefühl dabei, sondern sehr, sehr viel Feedback aus den Gremien, dass sie genau diesen Weg, den wir eingeschlagen haben, auch begrüßen", sagte Boldt am Sky Mikro.

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HSV geht neuen Weg

Dieser Weg unterscheidet sich von dem aus den letzten Jahren. Der HSV hat mit Walter einen Coach geholt, der als einer der innovativsten Trainer in Deutschland gilt, allerdings einen Fußball spielen lässt, den viele Fans so kaum kennen. Beim "Walterball" spielt Positionstreue eine untergeordnete Rolle. Es kann auch schon mal vorkommen, dass der Linksverteidiger plötzlich als Rechtsaußen auftaucht. Die Spielweise erinnert in ihren Grundzügen an den niederländischen "Voetbal Totaal" aus den 1970er-Jahren: Dominanz, Ballbesitz und ein gepflegtes Kurzpassspiel sind dabei zentrale Elemente.

Beim HSV sieht man in dieser Saison selten einen Ball, der einfach nur hinten rausgeschlagen wird. Im Gegenteil: Das Kurzpassspiel geht oft so weit, dass im eigenen Fünfmeterraum Querpässe unter Gegnerdruck gespielt werden. Da stockte so manchem Fan der Rothosen in dieser Saison oft der Atem. Doch mittlerweile ist es fast schon zu vertrauter Routine geworden.

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Viel Aufwand, wenig Ertrag

Die Mannschaft brauchte etwas, um sich an den unkonventionellen Stil des neuen Trainers zu gewöhnen. Ein Kernproblem, das sich dabei wie ein Roter Faden durchzieht ist, dass das Team einen unheimlichen Aufwand betreibt, sehr ansehnlichen Fußball spielt, sich aber zu selten belohnt. In den ersten 13 Saisonspielen gab es zwar nur eine Niederlage, aber auch acht Remis. Das ist einer der Gründe, weshalb der Rückstand auf den Relegationsplatz aktuell sieben Punkte beträgt.

Formkurve zeigt nach unten

Teil der Wahrheit ist aber auch, dass die Progressionskurve unter Walter seit Ende Februar nach unten zeigt. Die Niederlagen gegen Bremen und Nürnberg ließen sich noch als knappe Pleiten gegen Top-Teams erklären, doch die Auftritte in Düsseldorf (1:1), zu Hause gegen Paderborn (1:2) und das 0:1 in Kiel wirkten uninspiriert. Viel Ballgeschiebe, wenig Durchschlagskraft. Einzelne zielgerichtete Aktionen des Gegners hoben das HSV-System aus den Angeln.

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Sollte sich dieser Trend in den nächsten Partien fortsetzen, dürften auch Boldt bald die Argumente ausgehen, um Walter den Rücken zu stärken. Bekommt der HSV hingegen die Kurve und holt viele Punkte aus dem auf dem Papier machbaren Restprogramm gegen Karlsruhe, Regensburg, Ingolstadt, Hannover und Rostock, wäre das Argument der Entwicklung einer jungen Mannschaft unter Walter wieder eine valable Grundlage, um mit dem Trainer auch in die neue Saison zu gehen.

Junge Mannschaft mit Entwicklungspotenzial

Apropos jung: Gerade das dürfte den Fans Hoffnung machen. Im Spiel gegen Regensburg schickte Walter in der Hinrunde eine Truppe mit einem Durchschnittsalter von 24,6 Jahren auf den Platz. Nur Bremen und Ingolstadt hatten in dieser Zweitligasaison eine jüngere Startelf.

Entwicklungspotenzial ist also vorhanden. Doch die Frage ist, wie geht es personell weiter, wenn der HSV noch eine Saison in der 2. Bundesliga kickt? Schmerzhaft treffen dürfte die Hamburger der ablösefreie Abgang von Faride Alidou zu Eintracht Frankfurt. Auch wenn der 20-Jährige seit einigen Wochen im Formtief steckt, ist er eine der Entdeckungen der Saison - auch dank Walter, der dem Youngster das Vertrauen geschenkt hat.

Entscheidende Personalfragen

Alidou dürfte nicht der Einzige sein, der Begehrlichkeiten aus der Bundesliga weckt. Auch ein Spieler wie U21-Europameister Josha Vagnoman (Vertrag bis 2024) dürfte bei einem entsprechenden Angebot aus dem deutschen Fußball-Oberhaus wohl kaum zu halten sein. Er stand bereits im letzten Sommer vor einem Abgang. Ein Muskelsehnenriss kam dazwischen und verhinderte einen Transfer.

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Auf der anderen Seite konnten die Norddeutschen den Vertrag mit Keeper Daniel Heuer Fernandes verlängern, zudem wurden die Defensivspieler Mario Vuskovic und Miro Muheim fest verpflichtet. Und vielleicht können die Hamburger potenzielle Neuzugänge für die kommende Saison sogar bald mit internationalem Fußball ködern.

HSV hat Chance auf Europapokal

Schließlich ist das Team noch im DFB-Pokal dabei. Zwei Siege und der HSV stünde plötzlich in der Europa League. Zwar ist bei der aktuellen Form kaum an ein Weiterkommen gegen den SC Freiburg im Halbfinale kommende Woche zu glauben, doch ein Sieg und die damit verbundene Chance im Finale in Berlin um einen Titel zu spielen, könnte die schwache Zweitligasaison zumindest etwas übertünchen.

Walter hat es mit seiner Mannschaft im Endspurt sowohl im Pokal als auch in der Liga selbst in der Hand, die Spielzeit mit einem möglichst positiven Gefühl zu beenden - auch wenn es dabei wohl nicht mehr um den Aufstieg geht, wohl aber um seinen eigenen Job. Sollte die Saison kein gutes Ende nehmen und der Klub erneut den Trainer wechseln, würde man mit der so oft beschworenen Entwicklung wieder am Anfang stehen.

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