Der FC St. Pauli kann mit einem Sieg im Derby beim Hamburger SV (LIVE und EXKLUSIV ab 18 Uhr auf Sky) den Aufstieg perfekt machen. Ein Horror-Szenario für den HSV, der vor zukunftsweisenden Entscheidungen steht.
Bei einem handelsüblichen Hamburger Derby stehen ja ohnehin schon mehr als genug Gewürze auf dem Tisch. Die Jumbo-Flasche Brisanz natürlich, eine großzügige Dosis Emotionalität sowieso. Und ohne einen anständigen Spritzer Provokation wäre das Geschehen schlichtweg zu fad.
In diesem speziellen Fall - der 111. Ausgabe des Spektakels am heutigen Freitag (LIVE und EXKLUSIV ab 18 Uhr auf Sky) - steht überdies noch der prall gefüllte Streuer mit groteskem Humor in Reichweite. Der FC St. Pauli steigt im Volksparkstadion in die Bundesliga auf, während sich der Hamburger SV zeitgleich für eine weitere Runde im Unterhaus qualifiziert. Die bizarre Pointe einer längeren Entwicklung - und ein absolut realistisches Szenario.
HSV droht Horror-Szenario
Sollten Fabian Hürzeler und sein Team heute mit einem Auswärts-Dreier-Wirbel das Wohnzimmer des ungeliebten Stadtnachbarn verwüsten, wird sich bei allen HSV-Fans,-Spielern,-Trainern- und Funktionären ein unangenehm pelziges Gefühl auf der Zunge breitmachen - und nicht nur die Geschmacksnerven der Volkspark-Fraktion strapazieren, sondern das komplette vegetative System der Entscheidungsträger in Mitleidenschaft ziehen.
Die schlimmste anzunehmende Ergebnis-Konstellation würde den HSV wohl zum Zweitliga-Dino machen und vor allem den Aufsichtsrat unter erheblichen Handlungsdruck setzen.
Das eigene Debakel in den Knochen, euphorisches Triumph-Geheul des Erzrivalen vor Augen - in dem Zustand soll man dann noch rationale Entscheidungen treffen? Hamburgs neue Fußball-Welt wird nach dem Abpfiff auf dem Kopf stehen, falls dem Tabellenführer der angestrebte Coup in Nachbars Garten gelingen sollte. Und wie viele Steine auf dem anderen - beziehungsweise Köpfe auf ihren bisherigen Positionen bleiben könnten -, ist ausgesprochen unklar.
Große Personal-Debatte beim HSV
Der größte Dominostein in der längst im Express-Tempo rotierenden HSV-Personal-Debatte ist Zwei-Meter-Mann Jonas Boldt. Der Sportvorstand sieht sich seit Wochen mit dem Pauschal-Vorwurf konfrontiert, den HSV zum fünften Mal in Folge nicht dahin geführt zu haben, wo er irgendwann sicher mal hingehört hat.
Diese Breitband-Argumentation verzichtet auf die Beachtung von Nuancen, versagt den Verdiensten des Sportvorstands in seiner bisherigen Amtszeit komplett die Anerkennung. Und doch wäre es alles andere als ein unüblicher Ablauf im Fußball-Geschäft, wenn der Hauptverantwortliche für die unerfüllten Hoffnungen büßen müsste, für die eigentlich eine ganze Reihe von Beteiligten geradezustehen hätte. Natürlich auch der aktuelle Trainer Steffen Baumgart.
Weiter-so mit Boldt? Nicht auszuschließen
Vieles spricht dafür, dass die Kontrolleure des Vorstands die vorbereiteten Prozesse einleiten, sobald mathematisch geklärt ist, dass der HSV auch die Relegation verpassen wird. An einen Verbleib des Amtsinhabers glauben nicht mehr allzu viele Beobachter - trotz Boldts bis 2025 laufenden Vertrags.
Kluge Rückschlüsse und strategisches Geschick sind gefragt - zum Wohle des Vereins. Was dem Klub am besten zu Gesicht stünde, ist allerdings Gegenstand einer äußerst zerfaserten Debatte. Ein modifiziertes Weiter-so mit Boldt? Nicht sehr wahrscheinlich, aber auch keineswegs auszuschließen.
Gedankenspiel um Magath und Raul
Eine Rundum-Restaurierung unter gestrenger Anleitung von Klub-Idol Felix Magath? Dieser Plan hat zweifellos eine nennenswerte Anzahl an Fürsprechern - mit Anteilseigner Klaus-Michael Kühne sogar einen außerordentlichen (einfluss-)reichen. Das Konzept mit Ex-Superstar Raul, das der Multi-Meister-Trainer via Bild-Zeitung in die Diskussion einfädeln ließ, klingt unterhaltsam - womöglich sogar erfolgversprechend. Bislang handelt es sich dabei offenbar um ein Gedankenspiel - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Den Räten ist die Idee bekannt, hat dem Vernehmen nach aber eher zu Skepsis als zu vollumfänglicher Überzeugung geführt.
Schmadkte bleibt Favorit der Kontrolleure
Favorit des Gremiums bleibt nach Sky Erkenntnissen - wie mehrfach berichtet - Jörg Schmadtke. Dessen Sport-Manager-Vita ist eine Erfolgsgeschichte, seine Zuneigung zum HSV kein Geheimnis. Zu dessen nachgewiesenen Qualitäten gehören Stressresistenz und Führungsstärke - Eigenschaften, die im Gremium geschätzt und im zappeligen Umfeld an der Sylvesterallee benötigt werden.
Hauruck-Konzepte mit Hochrisiko-Entscheidungen könnten derweil weder die Kontrolleure noch die HSV-Fans von Schmadtke erwarten. Der 60-Jährige würde mit einiger Wahrscheinlichkeit für einen temporeichen, aber wohlorganisierten (sportlich und finanziell) Um- und Wiederaufbau stehen. Nach sechs Jahren in der 2. Liga, die strategisch allesamt so angegangen wurden, als wären sie das letzte, könnte ein intelligenter Zwei- bis Drei-Stufenplan ganz sicher auch mal eine probate Variante sein.
Prestige-Dreier als Hoffnungs-Booster?
Nochmal kurz zur Klarstellung: Natürlich liegt ein Derby-Sieg des HSV absolut im Bereich des Möglichen. Ob der Prestige-Dreier als ernstzunehmender Hoffnungs-Booster taugen würde, hängt auch davon ab, wie Relegations-Favorit Düsseldorf gegen Nürnberg spielt. Ihre Grundsatz-Entscheidung müssten die Aufsichtsräte in dem Fall wohl verschieben, um nicht die letzte Rest-Hoffnung zu torpedieren.
Kühle Köpfe gefordert
Gleichwohl erscheint ratsam, die zukunftsweisenden Beschlüsse nicht von einem Derby-Ergebnis abhängig zu machen. Mit kühlen Köpfen Gesamt-Bilanz zu ziehen wäre die seriöse Herangehensweise. Das Ergebnis der Analyse und die Konsequenzen für die Belegschaft noch heute Abend zu erwarten, wäre angesichts der überragenden Emotionalität des Ereignisses allerdings ein bisschen zu viel verlangt - egal, wie dieses möglicherweise historische Stadt-Duell ausgehen wird. Fest steht nur eines: An der angemessenen Schärfe wird es in der Stadt, auf den Rängen und auf dem Feld auf keinen Fall fehlen!
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