Jürgen Kohler spricht bei skysport.de über Neuer, Gündogan, Sane & Wirtz

DFB-Legende: "Wirtz wird der Nächste sein, der bei Bayern unterschreibt"

Von Fabian Schreiner

Image: Florian Wirtz ist einer der deutschen Hoffnungsträger für die Heim-EM.

Jürgen Kohler hat in seiner Karriere alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Er feierte Meisterschaften in Deutschland und Italien, wurde Champions-League-Sieger sowie Welt-und Europameister. Bei skysport.de stärkt er Kapitän Ilkay Gündogan den Rücken und spricht über die Zukunft von Florian Wirtz. Außerdem erklärt der 58-Jährige, was es für den EM-Titel alles braucht.

skysport.de: Herr Kohler, nach den erfolgreichen März-Länderspielen hat die deutsche Nationalmannschaft gegen die Ukraine einen kleinen Dämpfer hinnehmen müssen. Wie beurteilen Sie das torlose Remis?

Jürgen Kohler: Ich bin nicht so der Freund von Vorbereitungsspielen. Die gehören zwar dazu und sollte man auch vernünftig gestalten. Meine Erfahrung war aber immer so vor großen Turnieren, dass wir jetzt nie wirklich geglänzt haben in solchen Spielen.

skysport.de: Manuel Neuer stand zum ersten Mal nach 550 Tagen wieder für das DFB-Team auf dem Platz. Kurz vor Schluss unterlief ihm ein beinahe folgenschwerer Patzer. Bereits in den vergangenen Wochen hatte er immer mal wieder Schwächen gezeigt. Muss man sich um ihn Sorgen machen?

Kohler: Bis zu dieser Aktion hat Manuel ein gutes Spiel gezeigt und gute Bälle pariert. In dieser Szene ist er sehr hohes Risiko gegangen. Ich glaube, dass das auch ein Thema für Julian Nagelsmann sein wird. Ansonsten hat er gut gehalten. Dennoch kann so etwas in einem K.o.-Spiel auch zum Aus führen. Insgesamt sehe ich aber keine Problematik mit Neuer.

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ZUM DURCHKLICKEN: Die DFB-Noten gegen Ukraine

MANUEL NEUER: Hält stark gegen Yaremchuk (38.) und stoppt Mudryk aus spitzem Winkel (60.). Sieht kurz vor Ende bei seinem Ausflug schlecht aus. Hatte Glück, dass der Ukrainer im Abseits stand, sonst wäre die Diskussion wieder losgegangen. - NOTE: 3
JOSHUA KIMMICH: Hat mit Mudryks Geschwindigkeit hin und wieder Probleme, füllt seine Aufgaben jedoch defensiv wie offensiv weitestgehend souverän aus. - NOTE: 3
WALDEMAR ANTON: Macht nahezu keine Fehler - sicher im Spielaufbau, robust im Zweikampf. NOTE: 3
JONATHAN TAH (bis 59.): Bis auf einen Ballverlust am eigenen Strafraum in Hälfte eins ohne Fehl und Tadel. - NOTE: 3
MAXIMILIAN MITTELSTÄDT: Gegen den Ball nicht wirklich gefordert. Im Spiel nach vorne aktiv, immer wieder mit gefährlichen Vorstößen und Hereingaben, die aber nicht zum Erfolg führten. - NOTE: 3
ROBERT ANDRICH (bis 71.): Schießt einen aussichtsreichen Freistoß drüber. Versucht es in Halbzeit eins immer wieder aus der Distanz - ohne Erfolg. Kann nicht ganz an seine starken Leistungen aus den März-Länderspielen anknüpfen. - NOTE: 3
PASCAL GROß: Verzieht aus guter, halbrechter Position nach Zuspiel von Musiala (29.). Spielt ansonsten unaufgeregt und erledigt seinen Job. - NOTE: 2
JAMAL MUSIALA (bis 59.): Der Ball klebt an seinem Fuß, sorgt mit seinen Dribblings stets für Gefahr. Klärt sogar einmal hinten mit dem Kopf. Geht nach 59 Minuten aber ohne Scorer vom Feld. – NOTE: 3
ILKAY GÜNDOGAN (bis 45.): Muss das 1:0 aus kürzester Distanz machen (15.), trifft den Ball aber nur mit dem Knie. Leistet sich den einen oder anderen Fehlpass, verzettelt sich gerne mal. Ein erneut unglücklicher Auftritt des Kapitäns. - NOTE: 5
FLORIAN WIRTZ (bis 45.): Harmoniert mit kurzen, schnellen Doppelpässen gut mit Musiala. Unterstützt Mittelstädt in der Defensive. Bleibt aber ohne Geniestreich. Hat nach 45 Minuten Feierabend. – NOTE: 3
KAI HAVERTZ (bis 59.): Bis auf einen Kopfball nach dem Seitenwechsel ohne nennenswerte Offensivaktionen. Ist im Zusammenspiel mit Musiala, Wirtz und Gündogan kaum eingebunden. Verlässt nach einer knappen Stunde den Platz. – NOTE: 5
DENIZ UNDAV (ab 46.): Ein belebendes Element nach seiner Einwechslung zur zweiten Halbzeit. Sein Schuss auf Höhe des Elfmeterpunkts wird noch von Svatok geblockt (56.). Hat in der Nachspielzeit den Siegtreffer auf dem Fuß. - NOTE: 3
CHRIS FÜHRICH (ab 46.): Ist nach der Pause im Spiel, fügt sich gut ein. Sein Abschluss nach 79 Minuten ist ein wenig zu unpräzise, Torhüter Trubin ist zur Stelle. - NOTE: 3
MAXIMILIAN BEIER (ab 59.): Bringt in seinem ersten Länderspiel richtig Schwung in die Partie. Scheitert kurz nach seiner Einwechslung am Aluminium und dann nach einem spektakulären Dropkick an Trubin. – NOTE: 2
ROBIN KOCH (ab 59.): Sauberes Passspiel. Aber in den letzten Minuten, in denen der Defensive die Stabilität abging, nicht immer sattelfest. - NOTE: 3
THOMAS MÜLLER (ab 59.): Ist nach einer Stunde im Spiel. Wird nicht mehr gefährlich. – NOTE: 3
ALEKSANDAR PAVLOVIC (ab 71.): Feiert sein Länderspieldebüt - ohne Bewertung

skysport.de: Vor Neuer werden Antonio Rüdiger und Jonathan Tah das Innenverteidiger-Duo bilden. Eine gute Wahl?

Kohler: Das sind die zwei beständigsten Innenverteidiger, die wir haben. Der eine spielt bei Real Madrid, der andere beim deutschen Meister und Pokalsieger. Dahinter als Nummer drei sehe ich eigentlich Mats Hummels. Nagelsmann hat sich gegen Hummels entschieden. Er wird seine Gründe dafür haben. Das muss man als Spieler akzeptieren.

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skysport.de: Apropos Tah: Mit dem FC Bayern ist sich der 28-Jährige nach Sky Informationen grundsätzlich mündlich einig. Sollte Tah den Schritt zum deutschen Rekordmeister machen oder doch lieber bei Xabi Alonso in Leverkusen bleiben?

Kohler: Die große Stärke des FC Bayern war immer, dass sie die besten deutschen Nationalspieler haben. Ich finde, Tah sollte diesen Wechsel machen, weil man als Spieler immer nach dem Höchstmöglichen strebt, auch wenn er mit Leverkusen eine sensationelle Saison gespielt hat. Florian Wirtz wird der Nächste sein, der bei Bayern unterschreiben wird.

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skysport.de: Wissen Sie da etwa mehr?

Kohler: Nein, das ist nur meine Vermutung. Wirtz ist für mich der beste Spieler in den letzten 20 Jahren, den ich gesehen habe. Ich kenne ihn noch aus der Jugend des 1. FC Köln. Wirtz ist ein Jahrhundert-Talent. Er weiß genau, was er auf dem Platz zu tun hat, er sieht die Räume. Man kann nur hoffen, dass er gesund bleibt. Er ist bodenständig, demütig. Das ist außergewöhnlich für so einen jungen Menschen.

skysport.de: Kapitän Ilkay Gündogan blieb gegen die Ukraine erneut im DFB-Dress hinter seinen Erwartungen. Von Sky erhielt er die Note fünf. Wie sehen Sie diese Personalie?

Kohler: Gündogan wird gegen Schottland spielen und auch bei der EM gesetzt sein. Sonst hätte ihn Nagelsmann nicht als Kapitän gelassen. Am Ende des Tages zählt auch das Leistungsprinzip, das hat der Bundestrainer betont. Er hat es sich über seine Leistungen in den vergangenen Jahren verdient, dass er Vertrauen geschenkt bekommt.

"Würde nur drei Torhüter mitnehmen"

skysport.de: Bleibt Leroy Sane dann nur ein Platz auf der Bank?

Kohler: Ich sehe aktuell gar keinen Grund, wieso er spielen sollte. Er war jetzt immer wieder verletzt, seine Saison beim FC Bayern war dann insgesamt nur durchwachsen. Klar ist auch, dass Sane ein Spieler ist, der den Unterschied machen kann. Innerhalb eines Turniers kann sich die Ausgangslage für einen Spieler immer schnell ändern. Als wir 1996 Europameister geworden sind, hatten wir mit vielen Verletzungen zu kämpfen. Dann musst du bereit sein und deine Chance ergreifen. Das kann Sane, weil er über außergewöhnliche Qualitäten verfügt. Wichtig ist auch, dass die Offensivspieler den Willen zeigen, mit nach hinten zu arbeiten. Dann bin ich mir sicher, dass die Mannschaft ins Finale kommen kann.

skysport.de: Drei Spieler wird Nagelsmann noch aus dem EM-Kader streichen müssen. Wackelkandidaten sind Robin Koch, Brajan Gruda und Rocco Reitz.

Kohler: Ich glaube, dass Gruda mitfährt. Ich habe ihn schon ein paar Mal gesehen. Gruda bringt ganz besondere Fähigkeiten mit. Auch ihn kenne ich noch aus der A-Jugend. Gruda war der beste Spieler der A-Junioren-Bundesliga Südwest. Persönlich würde ich übrigens nur drei Torhüter und dafür einen Feldspieler mehr mitnehmen.

skysport.de: Sie haben in Ihrer Karriere alles gewonnen. Was braucht es, um am Ende den EM-Pokal in den Himmel zu recken?

Kohler: Zum einen die absolute körperliche Fitness. Genauso wichtig ist die 100-prozentige Fokussierung auf das Turnier. Du musst von deiner eigenen Leistung überzeugt sein. Wenn diese Komponenten ineinanderfließen, dann braucht es abschließend noch das Spielglück. Ohne Spielglück gewinnt man keine Spiele.

Das Interview führte Fabian Schreiner.

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