Sky Experte Lothar Matthäus blickt in seiner Kolumne "So sehe ich das"auf das Finale der EURO. Der Europameister von 1980 lobt die Glanzleistung des italienischen Teams und kritisiert die Wechsel von Englands Trainer Southgate vor dem Elfmeterschießen. Schlimm findet er das Verhalten der Fans.
Die beste Mannschaft des Turniers ist verdient Europameister geworden. Herzlichen Glückwunsch an Italien! Sie sind ein würdiger Sieger.
Auch wenn die Squadra Azzurra nicht der absolute Top-Favorit war, so gehörten die Italiener wie vor jedem Turnier zum Favoritenkreis. Was von Spiel zu Spiel deutlicher wurde, ist, dass hier eine Entwicklung während des Wettbewerbs stattgefunden hat, die sie getragen, beflügelt und inspiriert hat, schönen und erfolgreichen Fußball zu spielen.
Von der ersten Sekunde an einem Strang gezogen
Deutlich zu sehen war, wie die positive Leidenschaft aller Beteiligten zum großen Triumph geführt hat. Die Fans, die Medien, die Trainer, die Mannschaft und das Team hinter dem Team, haben von der ersten Sekunde an einem Strang gezogen. Wer mit so viel Hingabe die Nationalhymne singt und auf dem Feld taktisch und technisch nahezu perfekt ein- und aufgestellt ist, hat es am Ende einfach verdient. Es war ein großartiger kollektiver Erfolg.
Donnarumma, Chiellini und Bonucci haben das eigene Tor verteidigt, wie man es besser nicht machen kann. Das Mittelfeld um Jorginho hat Tempo und Rhythmus kontrolliert und vorne war Chiesa der beste Mann. Aber auch alle anderen haben ihren Job großartig erledigt. Sie haben gegen Österreich gewackelt und ein bisschen Glück gegen Spanien gehabt. Alles andere war wirklich beeindruckend.
Schon wieder in Wembley - schon wieder kein Titel
Im Finale hatten sie zu Beginn Probleme, auch weil die Engländer ihr System umgestellt hatten und so ein frühes Tor nervös macht. Aber dann haben sie sich gefangen, sind aufgestanden und haben das Spiel dominiert. Sie hätten es bereits nach 90 Minuten verdient gehabt, als Sieger vom Platz zu gehen.
So ist es noch viel bitterer für die Engländer. Schon wieder im Elfmeterschießen. Schon wieder in Wembley. Schon wieder kein Titel.
Englands Volk und die Fans tun mir nicht leid
Ich muss ehrlich sagen, dass es mir um die Engländer nicht leid tut. Mit den Spielern habe ich sportliches Mitgefühl, denn sie haben alles gegeben und so zu verlieren, wird noch lange schmerzen.
Das Volk und die Fans hingegen tun mir überhaupt nicht leid. Abgesehen davon, dass ich auch aufgrund meiner italienischen Vergangenheit ohnehin Mancinis Team die Daumen gedrückt habe, sind genügend Dinge in den letzten Tagen vorgefallen, die mir an den Engländern überhaupt nicht gefallen haben:
Die Laser-Attacke gegen den Dänen-Keeper, das respektlose und gemeine Verhalten gegenüber einem kleinen weinenden Kind, ein Elfmeter im Halbfinale, der keiner war, das Ausbuhen der gegnerischen Hymne und so weiter. Ein Land, in dem das Fair Play gerne großgeschrieben wird, hat sich leider so überhaupt nicht an diesen Grundsatz gehalten. Und deshalb freue ich mich umso mehr für Italien.
Southgates Entscheidungen waren mehr als unclever
Natürlich ist ein Sieg im Elfmeterschießen auch immer ein bisschen glücklich. Aber auch hier werden Entscheidungen getroffen, die den Ausschlag geben. Und England-Trainer Southgate hat keine guten getroffen. Er hat in der letzten Minute Rashford und Sancho eingewechselt. Weil die beiden Spieler unter normalen Umständen in ihren Klubs sichere Elfer-Schützen sind, ging der Trainer davon aus, dass sie auch dieses Mal verwandeln.
Aber wer das ganze Spiel auf der Bank sitzt, völlig kalt in diese Drucksituation geworfen wird und über das gesamte Turnier keine Rolle gespielt hat, hat in so einem extrem wichtigen Moment selten ein gutes Gefühl. Das dann zu allem Überfluss ein 19-Jähriger auch noch den fünften Schuss absolvieren soll, obwohl viel erfahrenere Spieler zur Verfügung standen, war mehr als unclever. Auch ich weiß, wie es ist, einen wichtigen Strafstoß zu verschießen und darum hab ich im WM-Finale 1990 den Kopf entscheiden und zum Glück Andy Brehme schießen lassen.
Ein tolles Turnier, vor allem ab dem Achtelfinale, geht zu Ende und Italien darf zurecht jubeln.
Hansi Flick wird am Wir-Gefühl arbeiten
Schön wäre es, wenn auch unsere Nationalmannschaft nun unter der Regie von Hansi Flick wieder zu altem Glanz und Erfolg zurückfindet.
Ich bin sicher, dass Hansi ähnlich wie bei Bayern einen starken Team-Zusammenhalt herbeiführen wird, der uns wieder an die Weltspitze führen kann. Er wird daran arbeiten, dass wieder ein Wir-Gefühl von der Hymne bis zum Schlusspfiff herrscht und somit auch die Herzen der Fans erreicht werden.
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Flick wird ein klares System vorgeben und die Spieler dort aufstellen, wo sie ihre beste Leistung abrufen. Kompaktheit, Geschwindigkeit und gute Stimmung zwischen allen Beteiligten wird zurückkehren. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Spieler auf ihn und seine Ideen freuen.