Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de. In dieser Woche befasst er sich mit der Vertragsverlängerung von Hansi Flick beim FC Bayern und die Personalie Timo Werner.
Hansi Flick hat einen Vertrag beim FC Bayern bis 2023 als Cheftrainer bekommen. Um es kurz zu machen: Herzlichen Glückwunsch an beide Parteien. An die Bayern, weil das eine kluge, wichtige und richtige Entscheidung war. Hansi ist ein wunderbarer Bayern-Trainer. Das habe ich von Anfang an gesagt. Ich kenne ihn aber auch länger und besser als die Allermeisten.
Wir haben von 1985 bis 1988 in München nebeneinander gewohnt, haben miteinander gespielt und unsere Familien waren eng miteinander verbunden. Ich habe ihn 2006 als Assistenztrainer mit nach Salzburg genommen. Auch bei seinem Wechsel als Spieler von Bayern nach Köln war ich involviert. Er kam in München nicht mehr so zum Zug und ich habe ihm durch meine guten Beziehungen zu Udo Lattek zu einem Wechsel verholfen.
Flick passt zu Bayern: ''War mir zu 99,9 Prozent klar''
Ich weiß wie er arbeitet, wie er mit Spielern spricht, wie er das Beste aus jedem herausholt, sich dabei Respekt verschafft und am Ende noch attraktiven Fußball spielen lässt. Er ist so akribisch, dass er abends das Training plant und sich sogar darüber Gedanken macht, wer bei welcher Passübung an welcher Stelle steht, um jede Spielsituation perfekt zu simulieren. Da passt nicht einfach irgendwer zu irgendwem. Es sind so viele Mosaiksteinchen, die in der Person und dem Trainer Hansi Flick zusammenpassen.
Ich kenne diesen Klub wirklich gut und ich kenne diesen Menschen schon sehr lange. Man weiß nie genau, was im Fußball passiert und manchmal hat man Kleinigkeiten nicht in der Hand. Aber dass Bayern und Flick zusammenpassen, war mir zu 99,9 Prozent von Anfang an klar.
Es ist gewiss nicht leicht, einen in Ungnade gefallenen Jerome Boateng wieder zu solchen Leistungen zu bringen, wie er sie in den letzten Monaten gezeigt hat. Es ist auch kompliziert, einem sensiblen brasilianischen Künstler wie es Philippe Coutinho ist, zu erklären, dass er jetzt weniger spielen wird, weil man auf Thomas Müller setzt. Und auch einen Thiago zur besten Version zu formen, die man bisher von ihm gesehen hat, erfordert eine Menge von einem Trainer.
Flick hat ein gutes Auge für junge Top-Talente
Hansi hat Joshua Kimmich auf dessen Lieblings- und -Idealposition im zentralen, defensiven Mittelfeld fix positioniert. Aus dem Verletzungspech mit Lucas Hernandez und Niklas Süle hat er die Lösung aus dem Hut gezaubert, David Alaba als Innenverteidiger und Alphonso Davies hinten links aufzustellen. Und wer hätte gedacht, dass Alaba plötzlich in der Abwehrzentrale der Chef sein könnte?
Flick hat all das gleichzeitig gemacht und parallel dazu fast jedes Spiel mit attraktivem Fußball gewonnen. Das ist bei all dem Druck, den man in München hat, nicht immer einfach.
Ein weiterer Grund, warum Flick super zu Bayern passt, ist in meinen Augen der, dass er auch jemand ist, der ein gutes Auge für junge Top-Talente hat. Er erkennt solche und kann sie formen und auf das nächste Level führen. Zirkzee war nur ein Beispiel. Ich bin sicher, dass er es schaffen kann, die nächsten Alabas, Müllers und Lahms zu formen. Und das ist etwas, auf das man in München sehr viel Wert legt und vom Cheftrainer erwartet.
Abgesehen von der tollen Nachricht der Flick-Verlängerung haben noch weitere Personalien für Gesprächsstoff gesorgt:
Boateng und seine Autofahrt zu seinem kranken Sohn
Ich denke, Jerome weiß selbst am besten, dass beim FC Bayern niemand etwas dagegen hat, wenn er spontan zu seinem kranken Sohn fährt. Im Gegenteil. Jeder im Klub, allen voran Familienmensch Hansi Flick, hätte ihn sogar dabei unterstützt. Der Fehler liegt natürlich nicht darin, seinen geliebten Jungen zu besuchen. Das Vergehen ist, dass er dem Verein nicht Bescheid gegeben hat. Er saß bestimmt drei bis vier Stunden im Auto. Da war also genügend Zeit, um einmal einen Verantwortlichen zu informieren und ihm zu sagen, wo er gerade hinfährt.
Thomas Müller bis 2023
Damit wäre die Sache erledigt gewesen. Wahrscheinlich hat er es mittlerweile selbst eingesehen, dass vor allem in der aktuellen Phase, aber auch generell, kein Profi einfach hunderte von Kilometern fahren darf, ohne den Verein kurz zu informieren. Dass er dabei das ''falsche" Auto benutzt hat, sehe ich jetzt weniger kritisch. Profis, vor allem beim FC Bayern, haben und hatten schon immer ein fantastisches Leben. Aber damals wie heute gilt: Wer gegen die Regeln verstößt, muss zahlen. Angeblich kommt seine Geldstrafe einem guten Zweck zu Gute. Da ist das Geld gut aufgehoben.
Hier sehe ich überhaupt kein Diskussions-Potenzial. Thomas passt ehrlich gesagt zu keinem anderen Verein auf der Welt besser als zum FC Bayern. Punkt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Manuel Neuer und der Fünfjahres-Vertrag
Ich kann seinen Wunsch nach Sicherheit und einem langen Vertrag sehr gut verstehen. Aber drei Jahre sind auch eine lange Zeit. Er sollte wie bereits erwähnt nicht vergessen, wie loyal der FC Bayern in jeder Phase zu ihm war. Für beide Seiten wäre es wunderbar, wenn Manuel noch ein paar Jahre bleibt. Soll er doch erstmal um drei Jahre verlängern und wenn er dann noch gesund ist und seine Leistung bringt, bekommt er den nächsten Vertrag.
Ich denke, die Zeichen stehen auf Abschied. Er will spielen. Er will öfter und länger spielen. Das ist bei seiner Qualität total verständlich. Wahrscheinlich hat man sich ein bisschen mehr von ihm erwartet und auch sein Anspruch an sich selbst war garantiert höher. Ich glaube nicht, dass er auch in der nächsten Saison noch in München spielt.
Werner oder Sane?
Mein Faible für Timo Werner ist hinlänglich bekannt. Und damit will ich nicht sagen, dass ich Leroy Sane nicht großartig finde. Aber man bekommt langsam das Gefühl, dass Flick und auch Kahn eher in Timo Werner den Spieler sehen, der in vielen Belangen besser zu diesem Klub passen könnte. Er ist auf dem Feld flexibler, sein Charakter entspricht dem Wunschbild der Verantwortlichen möglicherweise ein kleines bisschen mehr. Da ist die Unruhe-und-Bling-Bling-Gefahr deutlich niedriger. Er kann sowohl ganz vorne an Lewandowskis Stelle spielen, hängend dahinter oder auf den Flügeln. Und günstiger dürfte er auch sein.
Ich hab ohnehin nicht verstanden, warum man ihn nicht verpflichtet hat, als man ihn auf dem Silbertablett angeboten bekam. Aber lieber spät als nie. Er hat sich in dieser Saison nochmal deutlich entwickelt. Sane konnte durch seine lange Verletzung keinen Boden gut machen. Nicht, dass man mich falsch versteht. Beide Spieler wären ein totaler Mehrwert für die Bayern. Aber wenn ich mich heute entscheiden müsste, wäre ich an Bayerns Stelle für Timo Werner.