Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de. In dieser Woche geht es um die Zukunft von Mario Götze, aber auch um die finanziellen Sorgen bei Werder Bremen.
In Bremen hat man ehrlich und geradeheraus gesagt, wie kritisch es dem Verein gerade wirtschaftlich geht. Zur sportlichen Talfahrt, die man in der Bundesliga erlebt, wenn es um Punkte geht, kommen nun also auch noch die harten Folgen der Corona-Krise hinzu. Bremen geht wie gewohnt auch mit schwierigen und kritischen Situationen offen und transparent um. Das gefällt mir und das zeigt einmal mehr das gewisse Werder-Gen. Nicht lange rumdrucksen und unnötig verheimlichen oder diskutieren, sondern die Dinge klar und offen beim Namen nennen.
''Es ist ein Drama''
Auch das ist neben vielen anderen Dingen ein Grund, warum man als neutraler Beobachter von außen diesen Klub als sympathisch empfindet. Das wird den Bremern aber wenig helfen. Denn die Probleme werden dadurch leider nicht kleiner. Ohne TV-Gelder, laufenden Wettbewerb und vollen Tribünen, wird es nicht nur für Weder Bremen eine harte Zukunft. Viele Vereine befinden sich in ähnlichen oder noch schlechteren Situationen und werden nachziehen müssen.
Man muss ja nicht einmal besonders gut zuhören, um zu erfahren, dass es Klubs gibt, die hoffen, nicht ganz von der Landkarte zu verschwinden. Es ist ein Drama, wenn man mit ansehen muss, wie Vereine über ein Jahrhundert ihre Tradition aufgebaut haben und diese quasi über Nacht zu Ende gehen kann. Bremen erklärt nun der Öffentlichkeit, aber vor allem den vielen treuen Fans, wie es um ihren Herzensklub bestellt ist.
Coronakrise als mahnendes Beispiel
Was ich nicht verstehe, ist, wie es so viele Klubs geben kann, die offensichtlich jahrelang von der Hand in den Mund leben konnten, wenig bis überhaupt keine Rücklagen gebildet haben und nun fast am Ende sind. Mir ist klar, dass nicht jeder immer die gleichen Voraussetzungen hat und im Fußball oft auch Kleinigkeiten über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Aber wer sich über viele Jahre mehr oder weniger in den Ruin hat treiben lassen, immer schneller und immer mehr Schulden angehäuft hat, den trifft es jetzt natürlich besonders hart.
Sollten die Gesellschaft und der Fußball diese große Krise einigermaßen überstehen, was ich von ganzem Herzen hoffe, dann muss das jedem ein mahnendes Beispiel sein, dass er in Zukunft unbedingt versucht, nie mehr auszugeben, als er einnimmt und darüber hinaus von seinen Einnahmen regelmäßig einen bestimmten Teil für schlechte Zeiten zur Seite legt.
Götze fehlt es vor allem an Tempo
Mario Götze hatte sehr früh, sehr viel Erfolg. Und als ultimative Krönung hat er das entscheidende Tor im WM-Finale 2014 für Deutschland in beeindruckender Manier erzielt. So ein Tor, in so einer Situation, das können nur ganz wenige Fußballspieler auf der Welt.
Warum? Ganz einfach: Weil er ein begnadeter Fußballer war. Zu seinen besten Zeiten erinnerte er an einen kleinen Südamerikaner, einen Mini-Maradona. Ein solches Auge und Gefühl für Raum und Situation kann man nicht erlernen. Das ist in die Wiege gelegt. Aber es sind nun einige Jahre vergangen und der Fußball ist nicht mehr derselbe.
Heute ist seine Art Fußball zu spielen nicht mehr so gefragt. Es fehlt ihm vor allem an Tempo, um mit dem Fußball mithalten zu können, den der BVB und viele andere Spitzenvereine praktizieren. Hinzu kam leider seine Krankheit und möglicherweise ein selbst zu stark auferlegter Druck. Der Wechsel zum FC Bayern war am Ende auch nicht das, was er sich erträumt hat. Beim BVB ist er nach seiner Rückkehr nie wirklich angekommen.
Ich gehe davon aus, dass seine Zeit beim BVB zu Ende ist. Es würde mich sehr überraschen, wenn man sich bei den anstehenden Verhandlungen einigen würde. Nicht, nachdem man ihn sportlich über zwei Jahre weitestgehend ignoriert und ihn kaum eingesetzt hat. Da müsste schon ein neuer Trainer kommen und ganz andere Ideen als Lucien Favre haben.
Italien wäre eine ''passende Liga'' für Götze
Auf der Suche nach einem anderen Verein wird ihm seine beeindruckende Vita leider nichts bringen. Die zählt für den neuen Klub nichts, denn davon kann sich ein neuer Verein leider wenig kaufen. Das ist aber auch kein Drama. Der Spieler hat ausgesorgt, ist mit 27 Jahren noch in einem guten Alter und wird einen neuen, guten Verein finden, bei dem er noch einmal starten kann und ein paar schöne und hoffentlich erfolgreiche Jahre verbringt.
Götze muss einen Verein und vor allem einen Trainer finden, der total auf ihn baut und das Spiel auf ihn ausrichtet. Gut möglich, dass Italien eine passende Liga für ihn wäre. Dort wird zumindest nicht ganz so schnell gespielt und das käme ihm zu Gute. Am Willen fehlt es ihm nicht. Ich habe ihn einige Male spielen sehen und man kann ihm mit Sicherheit keine Lustlosigkeit oder fehlenden Ehrgeiz vorwerfen. Er ist aber auch nicht der Spieler, den man 30 Metern nach hinten rennen sehen will, um tief in der eigenen Hälfte Bälle zu erobern. Götze ist kein Fußball-Arbeiter. Wenn er solche Aufgaben verrichten muss, tut mir das fast schon leid.
Salihamidzic wird sich an seinen Worten messen lassen müssen
Hasan Salihamidzic hat große Transfers versprochen und muss sich jetzt an diesen Worten messen und Taten folgen lassen. Ich hoffe, er beweist dabei ein besseres Händchen als bei den 80 Millionen für Lucas Hernandez.
Bis hierhin muss man sagen, dass dies noch kein lohnendes Geschäft war. Der Spieler war und ist oft verletzt, auf der linken Seite hat sich Alphonso Davies beeindruckend durchgesetzt und für einen Innenverteidiger ist er eigentlich nicht groß genug. Aber vielleicht kommt seine Zeit ja noch.
Transfer-Ankündigungen der Bayern zum falschen Zeitpunkt?
Ich war nicht nur von Brazzos Aussagen überrascht, sondern auch vom Zeitpunkt. Ohne Not solch große Taten anzukündigen, in Zeiten, in denen viele Klubs um ihre Existenz kämpfen, ist nicht jedermanns Geschmack. Aber ich warte gespannt auf das, was dann in naher Zukunft an der Säbener Straße präsentiert wird. Bayern München ist nicht nur sportlich, sondern natürlich auch wirtschaftlich der beste Klub des Landes. Das berühmte Festgeldkonto kommt ihnen jetzt so sehr zu Gute wie selten zuvor. Das hat man sich hart erarbeitet und verdient.
Ich würde mir nur aktuell ein kleines bisschen mehr Fingerspitzengefühl wünschen. Was, wenn wir noch lange auf Fußballspiele warten müssen und Einnahmen ausbleiben? Man muss und damit meine ich nicht nur Brazzo, ein bisschen an die Außenwirkung denken. Es wäre für viele Menschen bestimmt eine wunderbare Ablenkung, wenn wir wieder etwas Fußball schauen und die harte Realität für ein paar Stunden vergessen können. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass wir in den nächsten Wochen Schlagzeilen lesen wie: 'Kai Havertz wechselt für 100 Millionen Euro zum FC Bayern'.
Ich glaube, solche Summen wird es in naher Zukunft nicht mehr geben. Und auch die Gehälter dürften eigentlich nicht mehr so hoch sein, denn keiner weiß, wie lange die Klubs viel weniger einnehmen als sie es gewohnt waren. Die Kultur im Fußball wird und muss sich verändern. Und vielleicht ist das gar nicht so schlecht.