Ich kann die Entscheidung von Uli Hoeneß, noch einmal auf die Dienste von Jupp Heynckes zu vertrauen, nicht nachvollziehen. Vorgestern habe ich dem Ex-Bayern-Trainer noch eine SMS geschickt. Am Dienstag, um 14:59 Uhr, mit dem Inhalt: "Es heißt, Sie würden noch einmal Bayern und Ihrem Freund Uli Hoeneß helfen. Würde zeitnah verkündet. Stimmt das? Sie springen bis Sommer ein?"
Leider hat er nicht geantwortet. Sonst hätte ich ihm ehrlich gesagt, für wie falsch ich es finde, dass er noch einmal aus seiner Rente zurückkehren will. All diejenigen, die nun vom Triple-Triumphator sprechen, davon schreiben, dass er für das Gefühl des Erfolgs stünde, haben meines Erachtens einen völlig verklärten Blick auf die Situation.
Natürlich erinnern wir uns alle an unglaubliche Monate im Jahr 2013 zurück. Sechs Tore gegen Bremen, neun gegen Hamburg, die erste Niederlage des Jahres gab es erst am 13. März, in der Champions League gegen Arsenal.
Später bekommt Barcelona in zwei Halbfinals sieben Treffer eingeschenkt.
Damals Matthias Sammer im Nacken
Die Meisterschaft ist am 28. Spieltag sicher, anschließend werden die Champions League (gegen Dortmund) und der DFB-Pokal (gegen Stuttgart) gewonnen. Jupp, Jupp, Jupp!
Damals hatte er aber noch Matthias Sammer im Nacken, den Antreiber und Motzki, der ab und an mal eingegriffen hat. Auf dem Trainingsplatz stand ein Peter Hermann, als Co-Trainer, der das Zepter im Wesentlichen geschwungen hat. Die Mannschaft wusste seit dem 16. Januar, dass Pep Guardiola im Sommer kommen würde. Der Wundertrainer, als der er damals gesehen wurde. Jeder Spieler wusste im Hinterkopf, dass er in jedem Spiel unter der Leitung von Heynckes auch bereits für Pep Guardiola vorspielen würde.
Heynckes übernimmt keine Mannschaft
Karl-Heinz Rummenigge nahm damals übrigens die Mannschaft persönlich in die Pflicht, appellierte in einer kurzen Kabinenansprache vor Rückrundenbeginn: „Ihr könnt es nicht verantworten, so eine grandiose Karriere nicht mit mindestens einem Titel zum Abschluss zu bringen."
All diese Kleinigkeiten fehlen nun. Vor allem übernimmt Jupp Heynckes nun eine Mannschaft, die keine ist. Damals bekam er eine Truppe, die Louis van Gaal maßgeblich geprägt hatte. Es steckte schon eine taktische Idee darin. Es lief zwar nicht alles rund, aber van Gaal hatte gute Vorarbeit geleistet. Heynckes war damals maßgeblich als Entertainer gefragt, der die Jungs bei Laune hielt.
Königsmörder entsorgten Ancelotti
Jetzt hat er eine Mannschaft, mit ein paar Königsmördern, die mit dafür gesorgt haben, dass Carlo Ancelotti entsorgt wurde.
Jetzt hat er eine Mannschaft, in der Franck Ribéry und Manuel Neuer fehlen.
Jetzt hat er eine Mannschaft, in der Thomas Müller auf der Suche nach sich selbst, beziehungsweise seiner Leistung ist. Jetzt hat er eine Mannschaft, in der David Alaba stagniert.
Jetzt ist Heynckes als Trainer, als Retter, als Friedensstifter, als Taktgeber, als Entscheider, als Macher gefragt.
Und er ist auf sich allein gestellt, weil ein Hasan Salihamidžić, der das Fliegerlied von Tim Toupet zu seinem Einstand singt, kein Standing in der Mannschaft hat und eben nicht wie Sammer mit Wirkung (!) auf den Tisch hauen kann.
Rufe werden Endes des Jahres verstummen
Nicht zu vergessen: Heynckes ist 72 Jahre alt. Seit vier Jahren ist sein Körper und sein Geist nicht mehr auf den Rhythmus Profifußball eingestellt. Ob er sich je wieder daran gewöhnen wird, wage ich zu bezweifeln.
Samstag in einer Woche werden wieder „Jupp, Jupp, Jupp" Rufe durch die Arena hallen. Wohl auch noch vier Tage später wenn es gegen Celtic geht.
Natürlich gibt es die ganz kleine Hoffnung, dass uns Heynckes alle überrascht. Dass ihm die Mannschaft wieder folgt. Ich habe sie aber nicht. Ich bin sicher, dass die Rufe aber spätestens Ende des Jahres leiser und leiser werden und am Ende verstummen.