RB Leipzig hat den schwachen Saisonstart unter Jesse Marsch ad acta gelegt und darf nun sogar von zwei Titeln träumen. Dafür ist vor allem Domenico Tedesco verantwortlich.
Unter Tedesco und dessen Trainerteam ist der Erfolg bei den Sachsen zurück. In 13 Bundesligaspielen holte der Deutsch-Italiener satte 27 Punkte. RB führt aktuell sogar die Rückrundentabelle an. Die Champions League-Teilnahme - RB ist derzeit Tabellenvierter - ist nun wieder realistisch, zudem steht Leipzig im Viertelfinale der Europa League und im Halbfinale des DFB-Pokals. Das hätte vor ein paar Wochen wohl kaum einer für möglich gehalten. Es läuft einfach rund unter dem neuen Coach Tedesco.
Ganz anders sah das noch bei seinem Vorgänger aus. Marsch musste Anfang Dezember auf Platz elf seinen Hut nehmen. Als ehemaliger Coach von Schwesterklub Red Bull Salzburg wollte er wieder etwas weg vom Ballbesitz hin zum RB-typischen Pressing-Fußball. Doch auf dem Platz war ein klares Konzept nicht zu erkennen. Ein totales Missverständnis eben.
Tedesco braucht keine Anlaufzeit
Im Gegensatz zu Marsch benötigte Tedesco keine lange Anlaufzeit. Schon drei Tage nach seiner Vorstellung im ersten Spiel beim 4:1 gegen Borussia Mönchengladbach zeigte RB Fußball wie zu den besten Zeiten. Und die Mannschaft tat das mit jenem Rastlosfußball, mit dem sich Leipzig einst an der Bundesligaspitze etabliert hatte.
Für den Erfolg änderte der ehemalige Coach von Aue, Schalke 04 und Spartak Moskau den Spielstil. Statt Pressing mit völlig wildem Offensiv-Fußball zurück zu Ballbesitz-Fußball und kontrollierter Offensive. "Wir wollten den Ball haben. Ich habe herausgehört, dass die Mannschaft nach Ballbesitz lechzt", sagte Tedesco nach seinem perfekten Einstand.
Im Spiel gegen den Ball attackieren die Leipziger den Gegner nun nicht so hoch wie noch unter Marsch. Das kompakte Mittelfeldpressing der Sachsen wird weitaus weniger oft überspielt.
Spieler loben Tedesco
Und das zahlt sich aus. Nur acht Gegentreffer kassierte Leipzig in zehn Rückrundenspielen. Kein Team ist besser. Dazu kommt lediglich ein verlorenes Bundesliga-Spiel in den jüngsten zehn Partien (2:3 beim FC Bayern), keine Niederlage seit neun Pflichtspielen und reihenweise hohe Siege (6:1 bei Hertha BSC, 4:0 im DFB-Pokal-Viertelfinale bei Zweitligist Hannover, 6:1 in Fürth). All das spricht eine deutliche Sprache.
Da verwundert es nicht, dass die Mannschaft voll des Lobes für den 36-Jährigen ist. "Ich finde, er ist mit richtigem Schwung zu uns gekommen. Wir haben wieder einen klaren Plan. Und er ist auch einfach ein toller Mensch. Er hat die Mannschaft wieder zurückgebracht", sagte etwa Emil Forsberg. "Als der Trainer gekommen ist, hat sich alles zum Besseren gewendet", ergänzte zuletzt Andre Silva.
Tedesco spricht sechs Sprachen
Die Art und Weise, wie Tedesco mit den Spielern umgeht, beeindruckt. Die Detailverliebtheit in der täglichen Arbeit auf dem Trainingsplatz ist kaum zu übersehen. Seine Mannschaft folgt ihm und seiner empathischen Art. Ein weiterer Vorteil: Tedesco, der in der Saison 2015/16 den Fußballlehrer-Lehrgang mit der Bestnote 1,0 bestand und eine Fahrgemeinschaft mit Bayern-Coach Julian Nagelsmann bildete, spricht insgesamt sechs Sprachen. Neben Deutsch, Englisch, Italienisch kommen Französisch, Spanisch und Russisch hinzu. "Wenn ich zum Beispiel mit einem Nordi Mukiele auf französisch spreche, bekomme ich zu dem Spieler einen anderen Zugang", erklärte Tedesco.
Was ein Trainerwechsel alles bewirken kann, zeigt sich auch am Beispiel Benjamin Henrichs. Der 25-Jährige spielte in der Hinrunde keine Rolle, wollte den Verein verlassen. Marsch setzte nicht auf den Defensiv-Allrounder, stattdessen sollte Henrichs in einem Test der U19 Spielpraxis sammeln. Drei Monate später ist Henrichs Stammspieler in Leipzig - und sogar wieder Teil der Nationalmannschaft. Bundestrainer Hansi Flick holte Henrichs nach anderthalb Jahren zurück.
Kaum Verletzte bei RB
Zudem blühen Spieler wie Christopher Nkunku, Dani Olmo, Josko Gvardiol, aber auch ein Marcel Halstenberg, der monatelang verletzt ausfiel, auf. Doch nicht alle Spieler haben vom Trainerwechsel profitiert. Da wäre Mukiele, der nur noch wenig Spielzeit erhält. Nach Sky Informationen soll RB nicht abgeneigt sein, den 22-Jährigen im Sommer abzugeben. Auch Dominik Szoboszlai, von dem sich die RB-Bosse viel erhofft hatten, wird meist nur noch eingewechselt.
Das hat allerdings auch damit zu tun, dass sich in den vergangenen Wochen kaum ein Spieler verletzungsbedingt abgemeldet hat. Bis auf Lukas Klostermann, der zuletzt für ein paar Tage pausieren musste, sind alle RB-Spieler fit. "Das kann kein Zufall sein", glaubt Sky Reporter Philipp Hinze. "Das ist natürlich auch ein Verdienst von Tedesco. Er ist schließlich für die Trainingsbelastung zuständig." Yussuf Poulsen wird zwar im Knaller beim BVB fehlen, die Verletzung hat sich der Angreifer aber nicht in Leipzig, sondern bei der dänischen Nationalelf zugezogen.
Straffes Programm wartet auf RB
Aus RB-Sicht kann das natürlich gerne so bleiben, schließlich warten nach der Länderspielpause harte Brocken und ein straffes Programm. Für die Leipziger stehen neben den eminent wichtigen Bundesliga-Spielen gegen Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und die TSG 1899 Hoffenheim noch die Europa-League-Duelle mit Atalanta Bergamo und das DFB-Pokal-Halbfinale gegen den 1. FC Union Berlin an.
Falls Leipzig in der Europa League eine Runde weiterkommt, könnte es Ende April auch noch zum Halbfinale gegen die Glasgow Rangers oder Sporting Braga kommen. In den kommenden vier Wochen nach der Länderspielpause wäre RB dann gleich neunmal gefordert. Mit dieser Breite im Kader und Tedesco an der Seitenlinie braucht sich allerdings keiner im RB-Kosmos Sorgen zu machen.