In einen regelrechten Rausch spielten sich die Portugiesen im Achtelfinale gegen die Schweiz. Mit schnellem Kombinations- und Umschaltspiel wirbelte sich die Selecao ins Viertelfinale. Und zeigte: Cristiano Ronaldo wird nicht mehr gebraucht. Oder doch?
Zu Beginn der Weltmeisterschaft in Katar stellte CR7 einen weiteren Rekord auf. Mit seinem Treffer gegen Ghana in der Vorrunde wurde er zum ersten Spieler, der bei fünf verschiedenen Weltmeisterschaften zu den Torschützen gehörte.
195 Mal lief er bisher für Portugal auf, 2016 krönte er sich mit dem EM-Titel. Mit dem teils furiosen Offensiv-Fußball gehören die Portugiesen nun zum engsten Kreis der Turnierfavoriten. Auf dem Weg zum WM-Titel droht Superstar Ronaldo dabei der Bankplatz.
Ohne CR7: Joga Bonito zurück in Portugal
"Portugal spielt besser, freier, glücklicher ohne CR7. Natürlich hat er die Aura, die Präsenz von einer Legende, aber fußballerisch ist das ohne CR7 eine bessere Mannschaft", findet der portugiesische Journalist Duarte Monteiro bei Sky. "Joga Bonito", übersetzt "das schöne Spiel", ist wieder da. Das habe man gegen die Schweiz, aber auch schon vor der WM in Vorbereitungs- und Nations-League-Spielen gesehen, so der Journalist weiter.
Sobald Ronaldo auf dem Platz steht, fehlt laut Monteiro die Lockerheit bei den Teamkollegen, die sich dann "alle fast gar nicht trauen, frei aufzuspielen." In Portugal ist eine Zeitenwende mit neuer Generation schon längst eingeläutet: "Ich finde schon, dass eine neue Ära in Portugal aufgeschlagen hat. Und die findet ohne Cristiano Ronaldo statt", resümierte Monteiro.
Umschaltspiel statt Ballbesitz
Mit großer Spielfreude und schnellem Umschaltspiel glänzten die Portugiesen gegen die Schweiz. Ganz besonders stach ausgerechnet der 21-jährige Goncalo Ramos heraus, der anstelle von Ronaldo in die Startelf rückte - und das Vertrauen von Trainer Fernando Santos mit einem Dreierpack mehr als nur zurückzahlte.
"Man sieht jetzt bei Portugal, dass vor allem viel Umschaltfußball gespielt wird, nur Brasilien schaltet von allen Viertelfinalisten noch häufiger im Spiel um als die Portugiesen", meinte Fußball-Datenanalyst Quirin Sterr bei Sky. Der Fokus von Trainer Santos liege nicht unbedingt auf Ballbesitzfußball.
Ronaldo: Die Dynamik fehlt
Und genau das ist problematisch für Ronaldo. Mit dem Blick auf seine vergangenen Stationen in Turin oder Madrid spielte CR7 in sehr dominant auftretenden Teams, die auch auf Ballbesitz setzten. "In Sachen Antritt, Dynamik und Tempo hat er immer mehr verloren", analysierte Sterr.
Ronaldo hat mit seinen 37-Jahren nicht mehr den dynamischen Antritt aus früheren Zeiten, sodass er im schnellen Umschaltspiel der Portugiesen das Nachsehen gegenüber jüngeren Spielern hat. Wie eben jenen Goncalo Ramos, der gegen die Schweizer brillierte und sich für weitere Startelfeinsätze empfahl.
Ronaldo trotz Ramos-Gala in der Startelf?
Trotzdem kann Ronaldo für Portugal noch von Nutzen sein: "In einem Team, das Ballbesitzfußball spielt, hat er noch Chancen, einen Impact zu haben", meinte Sterr. Gerade gegen Marokko könnte sich ein statisches Spiel mit viel Ballbesitz für die Portugiesen entwickeln - und ein körperlich und kopfballstarker Ronaldo eine echte Option sein. Das sieht auch Analyst Sterr so: "Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass im Viertelfinale trotz der Ramos-Gala CR7 wieder starten könnte."
Spätestens am Samstagnachmittag wird sich das Rätsel lösen, ob Portugals Superstar erneut auf die Bank verbannt wird, oder wieder in die Startelf rückt. Klar ist: Beruhigen wird sich die brisante Personaldebatte um CR7 so schnell nicht.
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