Christian "Blacky" Schwarzer gehörte zu seiner Zeit zu den weltbesten Kreisläufern und holte unter anderem mit Deutschland 2007 den WM-Titel im eigenen Land. Im Interview mit skysport.de äußert er sich zum kommenden EM-Spiel zwischen Deutschland und Spanien.
skysport.de: Herr Schwarzer, beim WM Titel 2007 gab es in der Vorrunde eine Niederlage gegen Polen, beim EM-Gewinn 2016 verlor man in der Vorrunde gegen Spanien. Wäre eine Niederlage gegen die Iberer also ein normaler Schritt auf dem Weg zum Titel?
Christian Schwarzer (schmunzelnd): "Das muss hoffentlich nicht sein. Denn ein Sieg oder ein Punkt gegen Spanien wäre schon für den weiteren Weg in die Hauptrunde nicht unwichtig, auch wenn dort alles passieren kann. Trotzdem wäre eine Niederlage auch nicht zu dramatisch. Denn wenn du in der Hauptrunde alle Spiele gewinnst, hast du normalerweise eine Konstellation, mit der du noch weiterkommen kannst. Eine Niederlage wäre kein Beinbruch, ein Sieg wäre aber schöner."
skysport.de: Aufgrund des Spielplans geht das DHB-Team in der Hauptrunde vielen Favoriten aus dem Weg. Wie hoch ist also der Stellenwert der Begegnung mit Blick auf die Hauptrunde?
Schwarzer: "Es sind Punkte, die du wahrscheinlich mitnimmst. Alles was du in der Vorrunde mitnehmen kannst, ist dort Gold wert und es wäre ein Treppchen mehr auf dem Weg ins Halbfinale. Aber in der Hauptrunde kann alles passieren und das ist das Schöne im Sport. Österreich kann vor eigenem Publikum mal in einen Lauf kommen, auch wenn das für viele nicht greifbar ist. Ich denke da an Katar, die bei der WM im eigenen Land ins Finale kamen. Trotzdem ist das Spiel gegen Spanien richtungsweisend."
skysport.de: Auf was für einen Gegner muss sich Deutschland einstellen?
Schwarzer: "Auf eine der besten Mannschaften der Welt und den Titelverteidiger. Ich persönlich musste im Viertelfinale der Olympischen Spielen 2000 meine bitterste Niederlage gegen Spanien einstecken und vier Jahre später feierte ich dann in Athen einen meiner schönsten Siege. Es ist eine sehr flexible und körperlich nicht ganz so robuste Mannschaft. In Spanien wird noch technischer gespielt als in Deutschland. Sie sind zwar nicht die Muskelpakete, aber dafür im technischen und taktischen Bereich sehr gut ausgebildet. Sie haben verschiedene Abwehrformationen und dazu ein starkes Torhütergespann."
skysport.de: Was braucht das DHB-Team, um den Spaniern den Zahn zu ziehen?
Schwarzer: "Man muss versuchen, sie mit den eigenen Waffen zu schlagen. Das heißt eine gute Abwehr inklusive guter Torhüter dahinter stellen, damit die Spanier für jedes Tor hart kämpfen müssen. Fehler müssen durch einfache Tore aus dem Gegenstoß bestraft werden. Dafür haben wir mit Uwe Gensheimer, Tobias Reichmann, Patrick Zieker und Timo Kastening sehr gute Konterspieler."
skysport.de: Sie haben jetzt schon öfter die Torhüter-Duos erwähnt. Ist das eine der entscheidenden Positionen des Spiels?
Schwarzer: "Meistens ist es bei Duellen von Mannschaften auf Augenhöhe so, dass die Torhüter zu 90 Prozent die spielentscheidenden Akteure sind. Und da haben wir - auch wenn die Spanier ebenfalls ein starkes Gespann haben - aus meiner Sicht das beste Torhütergespann bei diesem Turnier."
skysport.de: Mit Spielern wie beispielsweise Raul Entrerrios, Julen Aguinagalde oder Daniel Sarmiento haben die Spanier viele Spieler, die sich im Spätherbst ihrer Karriere befinden. Sehen sie das als Vorteil oder Nachteil?
Schwarzer: "Bei so einem Turnier sehe ich das als sehr großen Vorteil. Deshalb muss man sehen, ob die Mischung aus Alt und Jung bei Deutschland so gut ist. Im Laufe des Turniers wird sich zeigen, ob beispielsweise Kastening die bessere Wahl zu Patrick Groetzki oder Zieker im Vergleich zu Matthias Musche war. Natürlich kann auch die Mischung mit jugendlicher Unbekümmertheit wie bei Deutschland funktionieren, aber bei diesem Duell könnte die Erfahrung durchaus den Ausschlag für Spanien geben."
skysport.de: Besonders Kreisläufer Aguinagalde kann trotz seiner 37 Jahre noch viele Abwehrreihen zur Verzweiflung bringen. Was macht ihn so gefährlich und wie kann man ihn stoppen?
Schwarzer: "Er ist im Vergleich zu Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek kein großer Kreisläufer. Aber dafür ist er auch gefühlt 1,90 Meter breit. Die Art und Weise, wie er spielt, ist für die deutschen Spieler gewöhnungsbedürftig, weil außer Rafael Baena vom Bergischen HC hier fast niemand so spielt. Er hat eine breite Beinstellung und setzt den Körperschwerpunkt tief, wodurch er - wenn er dann den Ball hat - kaum zu stoppen ist. Dann heißt es entweder Tor oder Siebenmeter und meist noch eine Zeitstrafe. Dazu sind alle Rückraumspieler perfekt mit seiner Spielweise abgestimmt, weswegen du ihm keine Chance geben darfst, an den Ball zukommen. Dafür musst du um ihn herum arbeiten und den Pass verhindern. Das wird einer der Schlüssel sein, um das Spiel zu gewinnen."
skysport.de: Mit einem Sieg gegen Spanien stände die Tür zum Halbfinale offen. Was trauen Sie dem deutschen Team bei der EM zu?
Schwarzer: "Es ist alles möglich. Von der Papierform geht man in der Hauptrunde den Topfavoriten wie erwähnt aus dem Weg. Trotzdem musst du in jedem Spiel an die absolute Grenze gehen. Insgesamt traue ich der Mannschaft durchaus den Weg bis ins Halbfinale zu. Und wenn man im Halbfinale ist, kann alles passieren. Das war beim Titelgewinn 2016 ähnlich, dort war man auch keiner der großen Favoriten. Wenn sich die deutsche Mannschaft in einen Flow reinspielt, wird es für jeden Gegner schwer, sie zu schlagen. Aber es können so viele Dinge passieren - beispielsweise Verletzungen - deswegen lässt sich darüber nur schwer diskutieren.
Das Interview mit Christian "Blacky" Schwarzer führte Matthias Kwoll.