Die deutschen Handballerinnen kämpfen bei der WM um ein Ticket für die Olympischen Spiele in Tokio - und für die Wahrnehmung ihrer Sportart in der Öffentlichkeit.
Big in Japan oder abruptes Ende des Olympia-Traums? Die deutschen Handball-Frauen starten mit großen Ambitionen in ihr WM-Abenteuer. Die Lust beim Team von Bundestrainer Henk Groener auf das Turnier ist riesig, der Erfolgsdruck in mehrfacher Hinsicht immens.
"Freuen uns, dass es endlich losgeht"
"Die Vorbereitung war lang genug. Jetzt freuen wir uns, dass es endlich losgeht", sagte Kreisläuferin Julia Behnke nach der Ankunft im Spielort am Donnerstag. Nach einem kurzen Fototermin am Bahnhof von Kumamoto ging es direkt zum ersten Training in die Halle. Der Countdown läuft, schon das Auftaktspiel gegen Panamerikameister Brasilien am Samstag (7.00 Uhr/Sportdeutschland.tv) könnte wegweisend sein.
"Der WM-Start ist sehr, sehr wichtig. Brasilien ist ein Gegner, den wir eigentlich schlagen müssen mit Blick auf die Hauptrunde", sagte Kapitänin Kim Naidzinavicius und versicherte: "Hier sind alle motiviert und heiß." Weitere Gegner der Vorrundengruppe B sind Außenseiter Australien (1. Dezember), Handball-Großmacht Dänemark (3. Dezember), Welt- und Europameister Frankreich (4. Dezember) und Asienmeister Südkorea (6. Dezember). Nur die besten drei Teams ziehen in die Hauptrunde ein.
Traum von Olympia als Antrieb
Es ist vor allem der Traum von Olympia im kommenden Sommer, der die deutsche Mannschaft antreibt. Nur mit einem Platz unter den ersten sieben wahren Naidzinavicius und Co. ihre Chance auf eines der begehrten Olympia-Tickets, die dann im März bei Qualifikationsturnieren ausgespielt werden. Wird das eindeutige Verbandsziel verfehlt, droht der Frauen-Handball nach der großen Enttäuschung der Heim-WM 2017 (Platz 12) hierzulande weiter an Bedeutung verlieren.
Das wissen auch die Spielerinnen. "Es geht sicherlich besser", sagt Naidzinavicius über die öffentliche Wahrnehmung ihrer Sportart: "Unsere Möglichkeiten, etwas zu bewirken, sind in gewisser Weise begrenzt. Wir versuchen, die Zeit in der Nationalmannschaft zu nutzen. Das ist der einzige Weg, den wir gehen können."
Es gilt: Ruhe bewahren
Das Zeug fürs Rampenlicht haben die DHB-Frauen allemal. Coach Groener verfügt über ein talentiertes Team mit hoffnungsvollen Einzelspielerinnen wie Emily Bölk (21) oder Alicia Stolle (23). Die Mannschaft muss bei dem Turnier in Japan nun allerdings den nächsten Schritt machen. Vor allem in Stresssituationen wie zuletzt im Achtelfinale der Heim-WM (17:21 gegen Dänemark) oder den verlorenen Spielen der EM-Hauptrunde im vergangenen Jahr (am Ende Platz 10) gilt es, diesmal die Ruhe zu bewahren, um das große Ziel zu erreichen.
"Das Problem in den vergangenen Jahren war, dass wir es über das Turnier hinweg nicht geschafft haben, immer auf Topniveau zu spielen", sagte Bölk, die selbst noch immer zu den größten Talenten im Welthandball zählt, ihr Potenzial aber (noch) zu selten abruft: "Wenn wir das schaffen, können wir jeden Gegner schlagen. Darauf kommt es bei dieser Weltmeisterschaft an."
Ziel: Noch einmal nach Japan fahren
In Japan, seinem zweiten Turnier als Bundestrainer, setzt Groener seinen Weg der Erneuerung fort. Vom Team des Heimturniers von vor zwei Jahren sind nur noch fünf Spielerinnen dabei, das Gros des 17-köpfigen Kaders rekrutiert sich aus Spielerinnen, die vor einem Jahr in Frankreich Platz zehn bei der EM erreichten.
Mit Medaillenschmied Groener, der die Niederlande von 2009 bis 2016 sukzessive in die Weltspitze führte, soll es nun ein Stückchen nach oben gehen. Das "klare" Ziel umschreibt der 59-Jährige auf seine Weise: "Wir möchten gerne in acht Monaten noch einmal nach Japan reisen." Der Weg dahin beginnt am Samstag.