Die deutschen Handballer haben bei der Heim-WM den vorzeitigen Einzug in die Hauptrunde verpasst. Das 22:22 (12:10) gegen starke Russen bedeutete den ersten Dämpfer.
Als Steffen Fäth den letzten Freiwurf in die russische Abwehrmauer donnerte, war es mit der Partystimmung erst einmal vorbei. Kapitän Uwe Gensheimer starrte auf den Boden, Bundestrainer Christian Prokop nahm nach einem Handball-Krimi tief enttäuscht einen Schluck aus seiner Wasserflasche. In der Halle am Berliner Ostbahnhof herrschte nach dem leichtfertig verschenkten Sieg beim 22:22 (12:10) gegen Russland Totenstille.
Prokop: "Wir waren nicht cool genug"
"Es ist enttäuschend, weil wir den Sack nicht zugemacht haben. Das ist ein bisschen ärgerlich", sagte Prokop nach dem ersten Dämpfer bei der Heim-WM. 20:17 hatte die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) acht Minuten vor dem Ende noch geführt, die Hauptrunde war greifbar nahe. Doch einfache Fehler und Schwächen im Abschluss erlaubten den Russen neun Sekunden vor dem Ende den Ausgleich.
"Wir waren nicht cool genug, die richtigen Entscheidungen zu treffen", kritisierte Prokop in der ARD. Daran änderten auch die acht Tore von Kapitän Uwe Gensheimer nichts. Paul Drux gab sich nach seinem kapitalen Fehlpass kurz vor dem Ende selbstkritisch: "Der hat uns das Genick gebrochen", sagte der Rückraumspieler.
Wolff: "Es ist gerade volle Verbitterung"
Auf seiner Medaillen-Mission steht der dreimalige Weltmeister vor dem wegweisenden Duell gegen Frankreich am Dienstag (20.30 Uhr) unter Druck. "Wir können mit dem Punkt nicht zufrieden sein. Es ist gerade volle Verbitterung. Wir müssen schauen, dass wir uns den Punkt gegen Frankreich zurückholen", sagte Torhüter Andreas Wolff und fügte an: "Die Welt ist noch nicht untergegangen. Wir haben das Spiel ein bisschen weggeworfen, darüber müssen wir uns Gedanken machen."
Bei einem Unentschieden gegen Titelverteidiger Frankreich würde das DHB-Team die Hauptrunde erreichen, bei einer Niederlage wäre das angestrebte Halbfinale aber schon in Gefahr. "Wir sind gefestigt. Wir müssen jetzt runterkommen", sagte Drux.
Nach den lockeren Erfolgen gegen Korea (30:19) und Brasilien (34:21) stieß der Gastgeber von Beginn an auf deutlich mehr Gegenwehr. Das bisher so starke Abwehr-Bollwerk um den Mittelblock mit Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek hatte mit den beweglichen Russen einige Mühe. Die DHB-Auswahl ging daher erst durch Steffen Weinhold beim 4:3 erstmals in Führung (7.).
Russen lassen nicht locker
Das Duell der Ex-Weltmeister blieb aber hart umkämpft, die Russen ließen sich nicht abschütteln. Prokop richtete daher in der ersten Auszeit eine klare Forderung an seine Defensive: "Das muss aggressiver sein." Seine Spieler gehorchten und griffen in der Deckung in der Folge etwas beherzter zu.
Dafür leistete sich das deutsche Team nun im Angriff einige überhastete Aktionen. Die russische 5:1-Deckung bereitete dem EM-Neunten einige Probleme. Für die Zwei-Tore-Führung zur Pause musste der Favorit daher in die Trickkiste greifen. Nach einem sehenswerten Rückhandanspiel des Berliners Fabian Wiede traf Kreisläufer Pekeler zum 12:10.
"Zehn Gegentreffer sind eigentlich in Ordnung. Wir verlieren aber zu viele Eins-gegen-eins-Situationen. Wir müssen ein paar technische Fehler weniger und mehr Druck machen", sagte Teammanager Oliver Roggisch.
Russland trifft neun Sekunden vor Schluss
Der Start in die zweite Halbzeit war vielversprechend. Weinhold hämmerte den Ball nach einer kraftvollen Einzelaktion zum 15:11 unter die Latte (35.). Die einstige Handball-Großmacht Russland blieb aber in Schlagdistanz, auch weil sich die DHB-Auswahl im Positionsspiel in der Offensive immer schwerer tat.
Der Einsatz stimmte aber und in der kritischen Phase Mitte des zweiten Durchgangs war auf die deutschen Topstars Wolff und Gensheimer Verlass. Der Kieler Schlussmann kam immer mehr auf Betriebstemperatur, der Linksaußen traf mit einem sehenswerten Dreher zum 17:14 (46.).
Die Partie blieb aber packend. Als die Russen auf ein Tor herangekommen waren, behielt Gensheimer beim Siebenmeter die Nerven und traf per Herber zum 21:19 (58.). Nach einem Fehlpass des Berliners Drux glichen die Russen zum 21:21 aus (59.). Fabian Böhm brachte die deutsche Auswahl noch einmal in Front, doch neun Sekunden vor dem Abpfiff wurde der Gastgeber aus seinen Siegträumen gerissen. Daran änderte auch Fäth nichts mehr. (sid)