Sky Experte Stefan Kretzschmar beleuchtet in seiner Kolumne jede Woche die wichtigsten Themen aus der Welt des Handballs. Dieses Mal analysiert der ehemalige Weltklasse-Linksaußen das Top-Spiel am Donnerstag zwischen der SG Flensburg-Handewitt und den Füchsen Berlin.
Das wird ein Hammer am Donnerstag! Die Rede ist vom Endspiel der Verfolger: Die SG Flensburg-Handewitt gegen die Füchse Berlin. Der Kampf um Tabellenplatz zwei und somit einen Champions-League-Platz. Wenn man sieht, wie knapp alles in der Tabelle zusammen ist, dann weiß man auch worum es gehen wird. Und dass da eine gewisse Brisanz dabei ist. Ich glaube, beide Mannschaften sind sich der Wichtigkeit dieses Spiels bewusst. Wer das Spiel verliert, der hat erstmal ein Problem, einen Champions-League-Platz zu erreichen.
Meisterschaft gehört den Löwen
Meiner Meinung nach ist die Meisterschaft den Löwen nicht mehr zu nehmen. Ich bin das Restprogramm mal durchgegangen: Die Löwen könnten realistisch gesehen vielleicht noch zwei Spiele verlieren. Und das ist natürlich zu wenig für alle anderen Mannschaften. Da müsste man ja schon davon ausgehen, dass zum Beispiel Hannover überhaupt kein Spiel mehr verliert. Das wird wahrscheinlich nicht passieren. Deswegen muss man davon ausgehen, dass die Löwen zum dritten Mal Deutscher Meister werden. Deshalb geht es für Hannover, Flensburg und auch Berlin jetzt nur noch um den zweiten und somit den Champions-League-Platz.
Petkovic muss rotieren
Zuerst zu den Berlinern: Sie sind gerade sicherlich eine Mannschaft, die spielerisch nicht überzeugt. Aber man muss natürlich ganz ehrlich sagen, dass man doch offensichtlich mehr Zeit braucht, diese erfolgreiche Ära Petar Nenadic hinter sich zu lassen als man dachte. Und mit dem Ausfall von Paul Drux haben sie natürlich ein zusätzliches Problem, weswegen Trainer Velimir Petkovic immer wieder variiert und versucht seine Ideallösung oder -formation zu finden. Und das ist schwerer als gedacht.
Dazu braucht er Zeit. Diese Zeit hat Berlin aber eigentlich nicht, weil es jetzt in die entscheidende Phase der Meisterschaft geht. In einigen Spielen hat es funktioniert, dass Petkovic auch einen eigentlichen Rechtsaußen wie Mattias Zachrisson im Rückraum hat spielen lassen. Er hat seine Sache hin und wieder echt gut gemacht. Solche temporären Lösungen können aber niemals das Konzept der nächsten Jahre sein.
Berliner sind heiß
Man versucht da natürlich Lösungen zu finden, die langfristig den Erfolg sichern. Trotzdem muss ich sagen: Im Pokal gegen Magdeburg zwar ausgeschieden, ansonsten haben die Ergebnisse aber gestimmt. Man hat sich keine groben Schnitzer geleistet - in der Meisterschaft schon mal gar nicht. Die Berliner haben auch in der zweiten Halbzeit gegen Gummersbach noch die Kurve bekommen. Petkovic liefert. Die Füchse sind wirklich sehr heiß darauf, die Königsklasse zu erreichen. Die Ambitionen sind groß. Zuzutrauen ist es ihnen auf jeden Fall!
Glandorf ist der wichtigste Spieler
Nun zu den Flensburgern: Sie sind in der gleichen Ausgangsposition wie die Füchse. Sie müssen natürlich auch ihre Verletzungen kompensieren und die Stammspieler müssen mehr oder weniger durchspielen. Mit Magnus Rod haben sie ihren zweiten Linkshänder hinter Holger Glandorf verloren. Weswegen der „alte Mann", der aber immer noch rund um die Uhr im Einsatz ist, weiter abliefern muss und das auch tut. Den Flensburgern ist natürlich zu wünschen, dass er das möglichst bis zum Ende der Saison macht. Für mich ist er der wichtigste Spieler bei der SG.
Machulla macht super Arbeit
Was Flensburg dieses Jahr spielt, ist großartig. Auch ein Verdienst von Mike Machulla, der in die großen Fußstapfen von Ljubomir Vranjes treten musste. Auf welche Art und Weise er das gelöst hat, das nötigt mir absoluten Respekt ab! Ich habe nicht erwartet, dass Flensburg sowohl in der Champions League, als auch in der Meisterschaft sofort wieder so weit oben mitspielt. Denn wenn der Co-Trainer zum Cheftrainer wird, ist das oft auch nicht ganz einfach. Was er geändert hat, ist der Umgang mit den Spielern: Er hat mehr Kontakt zu ihnen, lässt sie mehr mitbestimmen, sucht die Kommunikation. Mehr als Vranjes das getan hat. Und das scheint dieser Mannschaft zu gefallen und gut zu tun.
Torhüter-Duell wieder mitentscheidend
Die Mannschaft, die das Torhüter-Duell gewinnt, hat die besseren Chancen das Spiel am Donnerstag zu gewinnen. Da hat Flensburg mit Andersson natürlich eine absolute Maschine im Tor, der seit Jahrzehnten abliefert und einer der besten Torhüter der Liga ist. Heinevetter hat eine erstaunliche Entwicklung in den letzten Jahren genommen. Ich finde, er ist in seiner Persönlichkeit sehr gereift. Auf dem Platz ist er nach wie vor ein Heißsporn. Wenn die Spieler schon vor dem Spiel über den Torhüter nachdenken, dann hast du nicht viel falsch gemacht in deinem Leben. Und dann hat er natürlich eine spektakuläre Art und Weise. im Tor zu stehen und zu halten. Er legt im Spiel einen Schalter um und nachher weiß er, glaube ich, manchmal selber nicht, was genau mit ihm passiert ist. Er ist eine multiple Persönlichkeit im Handball. Ich hätte ihn gerne in meiner Mannschaft gehabt, weil er der Faktor sein kann, der über Sieg und Niederlage entscheiden kann.
Publikum wird auch eine Rolle spielen
Leute, die polarisieren, werden in Flensburg natürlich brutal ausgepfiffen und beschimpft. Aber das gehört dazu. Ich freue mich über Leute, die polarisieren: Andreas Wolff, die Müller-Brüder und eben auch Heinevetter. Pfiffe, Rufe, Beleidigungen - damit muss man als Torwart umgehen können. Mehr als jeder andere, weil man eben 30 Minuten direkt vor der Ultra-Fankurve spielt. So eine Polarisierung erreichst du ja auch erst dann, wenn man respektiert, was du für ein Faktor bist. Also, wenn man weiß, was für ein guter Spieler du bist. Da werden natürlich gefürchtete Spieler ausgepfiffen, die einen Einfluss haben. Sollte „Heine" gut halten, dann wird er natürlich zum bevorzugten Ziel der Flensburger Ultras werden.
Mein Favorit?
Wie es ausgehen wird? Ganz ehrlich: Ich bin ratlos. Also tipplos. Da ist wirklich alles möglich. Ich finde, dass sich die Berliner im Moment wirklich schwer tun. Ich sehe Flensburg aufgrund der letzten Ergebnisse und des Heimvorteils als leicht favorisiert. Aber Berlin hat gezeigt, dass sie in Flensburg gewinnen können. Sie haben die SG im Pokal rausgeschmissen. Und zwar im Norden, wo sie ein großartiges Spiel gemacht haben. Wir werden sehen, ob sich das am Donnerstag wiederholt.