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Handball-WM 2023: Pascal Hens im Interview zu Deutschlands Chancen

Hens vor DHB-Auftakt: "Gruppe sieht auf dem Papier vielleicht einfach aus..."

Pascal Hens analysiert für Sky im TV die Spiele der Handball-Bundesliga. Im Interview mit skysport.de schätzt er die Chancen der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Polen und Schweden ein.
Image: Pascal Hens analysiert für Sky im TV die Spiele der Handball-Bundesliga. Im Interview mit skysport.de schätzt er die Chancen der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Polen und Schweden ein.  © Imago

Pascal Hens wurde 2007 mit Deutschland Weltmeister. Im exklusiven Interview schätzt der Sky Experte die Chancen der DHB-Auswahl bei der WM in Polen und Schweden ein und beleuchtet die deutsche Gruppe. Der frühere Rückraumspieler schwärmt zudem von Juri Knorr, warnt aber vor zu hohen Erwartungen.

Skysport.de: Die deutsche Mannschaft hat bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren nur Platz zwölf erreicht. Was kann man bei der WM 2023 (alles zu Spielorten und Übertragungszeiten) von ihr erwarten?

Pascal Hens: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es besser ist, wenn man die Ziele für sich definiert und sich nach außen hin zurückhält. Wir haben es in den letzten Jahren leider nicht geschafft, ganz oben anzugreifen. Im deutschen Team spielen viele junge Kerle, da sollte man die Kirche im Dorf lassen und nicht zu viel Druck auf sie ausüben.

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Deutschland fordert am Freitag Katar zum Auftakt der WM.

Skysport.de: Juri Knorr ist mit seinen 22 Jahren einer dieser jungen Kerle. Ist er ein Spieler oder könnte er einer werden, wie ihn die deutsche Mannschaft in den vergangenen Jahren nicht hatte?

Hens: Ich habe früher immer bemängelt, dass wir keinen richtigen Go-to-Guy in unserer Mannschaft hatten, der in entscheidenden Phasen die Verantwortung übernimmt. Juri Knorr hat in der Bundesliga bei den Rhein-Neckar Löwen eine überragende Hinrunde gespielt und ist der klar gesetzte Mittelmann, das hat man auch in den Tests gegen Island gesehen. Er bringt eine gute Form und viel Selbstvertrauen mit und könnte derjenige sein, der in entscheidenden Situationen die richtigen Dinge macht. Seine Nebenleute müssen sich vielleicht erst einmal etwas auf seine Spielweise einstellen, aber er ist individuell sehr stark und ein großer Hoffnungsträger, auch wenn er noch sehr jung ist. Er wird uns auf jeden Fall in der Zukunft noch viel Spaß bringen.

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Skysport.de: Bei der WM 2021 sorgte Knorr im Hauptrundenspiel gegen Spanien zunächst für Furore, dann brachen er und die Mannschaft ein. Wie hat er sich seit damals entwickelt?

Hens: Im Sport allgemein und natürlich auch im Handball hängt sehr viel mit dem Selbstvertrauen zusammen. In seiner ersten Saison bei den Löwen hat er nicht viel gespielt, weil Andy Schmid noch da war. Jetzt ist er die klare Nummer eins auf Rückraum Mitte, ist Dreh- und Angelpunkt, leitet das Spiel. Er bekommt im Verein und auch vom Bundestrainer das volle Vertrauen und ich hoffe, dass er auf der großen internationalen Bühne weitere wichtige Erfahrungen sammelt.

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Skysport.de: Wie wichtig sind diese Erfahrungen mit Blick auf die Heim-EM im kommenden Jahr?

Hens: Die Jungs müssen jede Sekunde nutzen, um sich einzuspielen. Ich hoffe, dass alles so schnell wie möglich funktioniert - wenn möglich schon bei dieser WM. Wichtig ist zu sehen, dass auf den Schlüsselpositionen wie Rückraum Mitte oder Rückraum links im Angriff und in der Abwehr junge Kerle nachkommen. Die sollen ihre Erfahrung machen und sich weiterentwickeln. Aber wir dürfen nicht zu früh zu viel von ihnen verlangen.

ZUM DURCHKLICKEN: Deutschlands Kader bei der WM 2023

  1. Andreas Wolff steht im deutschen Tor bei der Handball-EM.
    Image: TOR: Andreas Wolff (VIVE Lomza Kielce), Alter: 31 Jahre © DPA pa
  2. TOR: Joel Birlehm (Rhein-Neckar Löwen), Alter: 25 Jahre
    Image: TOR: Joel Birlehm (Rhein-Neckar Löwen), Alter: 25 Jahre © Imago
  3. KAI HÄFNER:
    Image: RÜCKRAUM RECHTS: Kai Häfner (MT Melsungen), Alter: 33 Jahre © DPA pa
  4. RÜCKRAUM RECHTS: Christoph Steinert (HC Erlangen), Alter: 32
    Image: RÜCKRAUM RECHTS: Christoph Steinert (HC Erlangen), Alter: 32 © Imago
  5. Der Bergische HC hat Nationalspieler Djibril M'Bengue verpflichtet.
    Image: RÜCKRAUM RECHTS: Djibril M'Bengue (Bergischer HC), Alter: 30 © Imago
  6. Luca Witzke (SC DHfK Leipzig)
    Image: RÜCKRAUM MITTE: Luca Witzke (SC DHfK Leipzig), Alter: 23 Jahre © DPA pa
  7. Juri Knorr auf seine Nominierung für die Handball-WM 2023.
    Image: RÜCKRAUM MITTE: Juri Knorr (Rhein-Neckar Löwen), Alter: 22 © DPA pa
  8. RÜCKRAUM MITTE: Simon Ernst (SC DHFK Leipzig), Alter: 28
    Image: RÜCKRAUM MITTE: Simon Ernst (SC DHFK Leipzig), Alter: 28 © Imago
  9. Paul Drux
    Image: RÜCKRAUM LINKS: Paul Drux (Füchse Berlin), Alter: 27 Jahre © Imago
  10. RÜCKRAUM LINKS: Philipp Weber (SC Magdeburg), Alter: 30
    Image: RÜCKRAUM LINKS: Philipp Weber (SC Magdeburg), Alter: 30  © Imago
  11. RÜCKRAUM LINKS: Julian Köster (VfL Gummersbach), Alter: 22
    Image: RÜCKRAUM LINKS: Julian Köster (VfL Gummersbach), Alter: 22 © Imago
  12. .RECHTSAUSSEN: Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen), Alter: 33
    Image: RECHTSAUSSEN: Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen), Alter: 33 © Imago
  13. Luka Mertens (SC Magdeburg)
    Image: LINKSAUSSEN: Luka Mertens (SC Magdeburg), Alter: 20 Jahre © Imago
  14. LINKSAUSSEN: Rune Dahmke (THW Kiel), Alter: 29
    Image: LINKSAUSSEN: Rune Dahmke (THW Kiel), Alter: 29 © Imago
  15. KREIS: Johannes Golla (SG Flensburg-Handewitt), Alter: 25
    Image: KREIS: Johannes Golla (SG Flensburg-Handewitt), Alter: 25 © Imago
  16. KREIS: Jannik Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen), Alter: 27
    Image: KREIS: Jannik Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen), Alter: 27 © Imago
  17. KREIS: Tim Zechel  (HC Erlangen), Alter: 26
    Image: KREIS: Tim Zechel (HC Erlangen), Alter: 26 © Imago

Skysport.de: Julian Köster vom VfL Gummersbach gilt als Multitalent. Er spielt im linken Rückraum, in der Abwehr im Mittelblock. Ein harter Job für einen 22-Jährigen, oder?

Hens: Keine Frage, aber auch die Spieler an seiner Seite sind noch jung. Kapitän Johannes Golla ist mit 25 bereits ein absoluter Leistungsträger. Es ist eine junge Truppe, die noch dabei ist, sich zu finden und die immer enger zusammenrückt. Tragende Säulen wie Wienczek, Pekeler und Weinhold sind nicht mehr dabei, ein Umbruch ist nie einfach und braucht seine Zeit. Die Schweden haben auch ewig gebraucht, um den Umbruch zu schaffen, das ist ein ganz normaler Prozess.

Skysport.de: Sie haben Johannes Golla angesprochen. Wie beurteilen Sie seine Entwicklung und seine Rolle als Kapitän?

Hens: Seine Entwicklung ist phänomenal. Er ist - positiv gemeint - ein richtiger Koffer, der Handball arbeitet, aber auch spielerisch sehr viel dazugelernt hat. Er ist in der Abwehr und im Angriff wichtig und wirkt dafür, dass er erst 25 ist, immer sehr ruhig und abgeklärt. Er hat ein gutes Standing in der Mannschaft und seine Mitspieler blicken zu ihm auf.

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Yannik Kohlbacher erinnert sich gerne an die EM 2016, als das DHB-Team Europameister wurde. Auch jetzt finden die Gruppenspiele in Polen statt: ''Ist ein gutes Pflaster für uns.''

Skysport.de: Wo steht die deutsche Mannschaft momentan?

Hens: An die absoluten Top-Nationen kommen wir aktuell nicht ran. Um Teams wie Dänemark, Schweden oder Frankreich schlagen zu können, muss alles zusammenpassen. Ich wünsche den Jungs das, was in den vergangenen Jahren häufig gefehlt hat: das Quäntchen Glück und etwas Abgezocktheit, um ein entscheidendes Spiel zu gewinnen und eine Menge Selbstvertrauen für das weitere Turnier mitzunehmen.

Skysport.de: Die Stimmung in der Mannschaft soll hervorragend sein. Wurde das Team durch die Rücktritte einiger Leistungsträger und die Absagen vor der WM-Nominierung noch einmal mehr zusammengeschweißt?

Hens: Ich glaube, wir müssen uns keine Gedanken darüber machen, ob die Mannschaft ein eingeschworener Haufen ist. Am Ende entscheidet der Bundestrainer, wer dabei ist und wer nicht. Nach der Nominierung fokussierst du dich voll auf das Turnier, egal, wer aus welchen Gründen im Vorfeld abgesagt hat. Die Mannschaft besteht aus jungen, hungrigen Spielern und einigen erfahrenen Akteuren, die auch sehr ehrgeizig sind, wie Torwart Andy Wolff, der brennt immer.

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Philipp Weber spricht über den Sieg in der WM-Generalprobe gegen Island und blickt bereits auf die Vorrunde voraus.

Skysport.de: Deutschland spielt in der Vorrunde gegen Katar, Serbien und Algerien. Wie schätzen Sie die Gegner ein?

Hens: Die Gruppe sieht auf dem Papier vielleicht einfach aus, aber gegen Katar musst du erst einmal gewinnen. Danach hast du Serbien vor der Brust, die sehr unangenehm zu spielen sind und in der Vorbereitung keine schlechten Ergebnisse erzielt haben. Natürlich wäre es optimal, diese beiden Spiele und auch das dritte gegen Algerien zu gewinnen und die Punkte in die Hauptrunde mitzunehmen. Es wäre wichtig, gut ins Turnier zu starten und sich anschließend in einen gewissen Flow zu spielen. Aber auch mit einer Niederlage wäre noch alles möglich.

Skysport.de: In der Hauptrunde würden Gegner wie Norwegen oder die Niederlande warten…

Hens: Die Weltspitze ist sehr eng zusammengerückt, auch Mannschaften wie die Niederlande haben mittlerweile ein sehr hohes Niveau. Das Viertelfinale zu erreichen, wird keine einfache Aufgabe. Da müssen wir erst einmal hinkommen, soweit nach vorne will ich noch gar nicht gucken.

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Skysport.de: Wer sind Ihre Favoriten?

Hens: Schweden mit dem Heimvorteil, Dänemark als absolute Top-Nation der vergangenen Jahre. Auch Frankreich und Spanien sind absolute Topteams und um einiges höher als Deutschland einzuschätzen, aber dennoch wird unsere Mannschaft auch vor solchen Gegnern keine Angst haben und versuchen, ihre Chance zu nutzen.

Skysport: Die EM 2022 war überschattet von der Pandemie, die deutsche Mannschaft war besonders schlimm betroffen. Am Dienstag waren alle PCR-Tests negativ.

Hens: Zum Glück. Die letzte EM war Chaos pur. Irgendwann habe ich aufgehört, die Coronafälle im deutschen Team zu zählen. Jetzt sind die Jungs auch wieder zu zweit auf dem Zimmer, sie müssen nicht mehr allein auf ihrer Bude sitzen.

Skysport.de: Bei einer WM ist der Spielplan sehr eng getaktet. Wie lenkt sich die Mannschaft zwischendurch ab?

Hens: Einige spielen gerne Darts oder Tischtennis, andere spielen Karten. Wir haben früher auch gerne im größeren Kreis gepokert. Man hockt über längere Zeit aufeinander und fokussiert sich auf das Sportliche, aber du brauchst auch mal ein paar Stunden, in denen du nicht an Handball denkst.

Skysport.de: Sie waren 2007 Weltmeister, damals war die Euphorie in Deutschland riesig. Auch der EM-Gewinn 2016 war ein Highlight. Was muss passieren, damit der Handball dauerhaft im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist?

Hens (l.) nach dem Gewinn der WM 2007 mit Christian Schwarzer (M.) und Markus Baur.
Image: Hens (l.) nach dem Gewinn der WM 2007 mit Christian Schwarzer (M.) und Markus Baur.  © Imago

Hens: Als wir 2007 Weltmeister wurden, war die Euphorie am Anfang des Turniers noch gar nicht so groß, später haben die Leute gemerkt: "Es ist Heim-WM, es geht voll ab und wir holen die schwarz-rot-goldenen Fähnchen raus." Es ist eine riesige Euphorie entstanden. So ähnlich war es zuletzt auch mit der Darts-WM, als Gabriel Clemens das Halbfinale erreicht hat und bei vielen in Deutschland das Darts-Fieber ausbrach. Es steht und fällt am Ende immer alles mit dem Erfolg. Wenn der nicht da ist, wird es umso schwieriger, die Sportart zu bewerben. Um den Handball mache ich mir aber keine Sorgen, man kann mittlerweile fast alle Spiele im Fernsehen anschauen (alle Spiele der Handball-Bundesliga live und exklusiv auf Sky). Aber wir müssen möglichst viele Fans dazu gewinnen, bei jedem Spiel und bei jedem Turnier. Die Aufgabe muss sein, die Leute mit guten Leistungen vom Handball zu begeistern, damit die Kinder sagen: "Handball ist so ein geiler Sport, lass uns mal zum Training gehen, das macht bestimmt voll Bock!"

Das Interview führte Thorsten Mesch

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