Alexander Zverev blickte einmal grimmig in die Runde, dann ging er mit sich selbst hart ins Gericht.
"Das war eine unglaublich unbefriedigende Saison", sagte der Tennisstar nach dem Ende eines bitteren Jahres auf der Tour im Presseraum von Turin. "Die Tennissaison ist lang, mit vielen Ups und Downs, aber für mich gab es diesmal nicht viele Ups."
Das hochverdiente 4:6, 6:7 (4:7) gegen Félix Auger-Aliassime, das sein Aus in der Gruppenphase der ATP Finals besiegelt hatte, sei zu allem Überfluss "das schlechteste Match" im vergangenen Monat gewesen. Abgesehen von der deutlichen Niederlage gegen Jannik Sinner in Paris, bei der er aber angeschlagen gewesen sei, wie Zverev bemerkte. "Es ist nicht nur enttäuschend, dass ich verloren haben, sondern wie. Die letzten Tage war ich viel besser", sagte er.
Gegen den Kanadier Auger-Aliassime fehlte es Zverev in der Tat merklich an Selbstvertrauen, zudem agierte er über weite Strecken der Partie zu passiv. Und so wurde das Match zu einem stimmigen Sinnbild der ernüchternden Saison.
Zverev gewann auf der ATP-Tour lediglich den Titel beim 500er-Turnier in München im April - auf der Grand-Slam-Bühne lief es im Anschluss an seine deutliche Niederlage im Finale der Australian Open gegen Sinner im Januar auch nicht mehr rund. Bei den French Open war im Viertelfinale Schluss, in Wimbledon in der ersten Runde und bei den US Open - ebenfalls nach einer Pleite gegen Auger-Aliassime - in Runde drei.
Frustbewältigung und Blick nach vorne
Ein weiteres Erbe dieser ATP-Saison: Das einst intakte Verhältnis zu Tennis-Ikone Boris Becker scheint aktuell stark abgekühlt zu sein. Das wurde am späten Freitagabend überdeutlich. Becker, in der Vergangenheit gar als potenzieller Coach des Hamburgers gehandelt, sah die Gründe für Zverevs schwache Leistung gegen Auger-Aliassime bei Sky Sport nicht in dessen spielerischer Leistungsfähigkeit; stattdessen attestierte er ihm unter anderem eine "mentale Blockade" - Zverev sei gegen Auger-Aliassime "mit dem Druck" nicht klargekommen, und "mit der Erwartungshaltung".
Zverevs Reaktion fiel kurz darauf knapp aus. "Ich habe ehrlich gesagt keine Lust mehr auf seine Kommentare", sagte er angesprochen auf Beckers Einschätzung. Eine ähnliche Aussage hatte er in Bezug auf kritische Anmerkungen des einstigen Wimbledonsiegers in der Öffentlichkeit bereits im Oktober getätigt.
Zur Frustbewältigung bleibt dem 28-Jährigen kurzfristig nur der Blick nach vorne. Ganz vorbei ist das Tennisjahr für ihn schließlich noch nicht. Bei der Endrunde des Davis Cup will Zverev antreten. "Ich spiele ihn, weil meine Teamkollegen mich gefragt haben", stellte er klar - auch wenn er den aktuellen Modus mit der Endrunde der besten acht Teams an einem Ort erneut kritisierte.
Die deutsche Mannschaft um Zverev, Jan-Lennard Struff und das Spitzendoppel Kevin Krawietz/Tim Pütz trifft am Donnerstag auf Argentinien. Erst nach dem Turnier beginnt für Zverev die Saisonanalyse. "Ich spiele den Davis Cup, dann nehme ich mir eine Auszeit und habe Zeit, um darüber nachzudenken", schloss er - und verschwand unzufrieden in die Nacht.
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