Marcel Meinert über das erste Aufeinandertreffen, die große Karriere und das Ende der Ära Angelique Kerber.
Einmal drehte sie sich noch um an diesem glühend heißen Mittwochnachmittag im Stade Roland Garros, winkte mit einem weinen und einem lachenden Auge ins Publikum und dann war sie von der großen Tennisbühne verschwunden. Das Karriereende von Angelique Kerber ist ein tiefer Einschnitt für das deutsche Damentennis, denn es endet eine große Ära. Die einzige deutsche Weltranglistenerste nach Steffi Graf blickt auf eine Laufbahn, auf die die gebürtige Bremerin nicht nur aufgrund ihrer Triumphe bei den Australian Open, den US Open und in Wimbledon oder den Gewinn der Olympischen Silbermedaille aus tiefstem Herz stolz sein darf. "Ich habe alles erreicht und mein Herz auf dem Platz gelassen", bilanzierte die 36-Jährige und trifft damit den Nagel auf den Kopf.
Angelique Kerber steht für Einsatzbereitschaft, Leidenschaft, Disziplin, Athletik, Siegeswillen und einen unbändigen Ehrgeiz. Den hatte sie übrigens schon von Anfang an. Es muss rund 25 Jahre her sein, dass ich Angie das erste Mal begegnet bin. Sie war damals eines der hoffnungsvollsten Talente in meiner schleswig-holsteinischen Heimat und spielte in einem benachbarten Tennisclub - und sie gab schon damals immer 100 Prozent - in jedem Match, in jeder Trainingseinheit. Ihr Vater Slawomir trainierte in unserem Verein als einer der bekanntesten Trainer. Kurzum: Der Name Kerber hatte schon früh einen guten Klang und Angie setzte sich früh hohe Ziele.
Als sie als 14-Jährige eine Wildcard für das Warsteiner Masters in Neumünster, eines ihrer ersten Profiturniere bekam, wurde sie bei der Auslosung in einer schmucklosen Bankfiliale auf ihre Ziele angesprochen und sagte vollmundig: "Ich will mal die Nummer eins der Welt werden und Grand-Slam-Turniere gewinnen." Manch einer sah sie an diesem regnerischen Montagabend im Dezember, den ich wohl nie vergessen werden, aufgrund dieser mutigen Prognose etwas skeptisch oder sogar belustigt an. Da nehme ich mich gar nicht aus.
Doch schon bald war klar: Angie meint's wirklich ernst und verfolgte ihre Ziele mit unheimlichem Nachdruck. Über die Jahre ist nur Bewunderung für Angelique Kerber geblieben. Bewunderung für die Hingabe, mit der sie ihre Träume verfolgt hat, für die Intensität, die sie Tag ein Tag aus bei den unterschiedlichsten Bedingungen irgendwo auf der Welt auf den Platz gebracht hat. Und dafür wie sie ihre Gegnerinnen immer wieder zur Weißglut trieb, weil sie Ballwechsel für sich entschied, die schon längst verloren schienen. Gegen Angie musste man jeden Punkt dreimal gewinnen.
Sie ist der lebende Beweis dafür, dass Talent alleine nicht ausreicht, um erfolgreich zu sein. Kerber hat sich all ihre Triumphe über die Jahre hart erarbeitet und nicht nur ihr Herz, sondern auch viel Schweiß und Tränen auf dem Platz gelassen. Tränen der Freude und der Enttäuschung - beides gehört zu einer glücklichen Karriere dazu.
Was Angelique Kerber mit ihren Erfolgen für das deutsche Damentennis geleistet hat, ist nicht hoch genug einzuschätzen. Auch deshalb muss sie dem Tennissport unbedingt erhalten bleiben - ob als Mentorin, Turnierbotschafterin in Bad Homburg oder in einer Funktion, von der sie jetzt noch gar nichts weiß. Die Erfahrung der dreifachen Gewinnerin eines Grand-Slam-Turniers müssen einfach genutzt werden. Die nächsten Generationen werden es danken.
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