Fast 22 Monate nach Kriegsausbruch und trotz des anhaltenden Blutvergießens in der Ukraine hat das IOC den erwarteten letzten Schritt vollzogen: Russen und Belarussen werden als neutrale Athleten (AINs) und unter Auflagen bei den Olympischen Spielen im kommenden Sommer in Paris zugelassen.
Der Rahmen steht damit, die Diskussionen dürften aber anhalten - nicht nur in der von Russland überfallenen Ukraine.
Bislang haben sich nach IOC-Angaben elf "neutrale" Athletinnen und Athleten für die Wettbewerbe qualifiziert, acht aus Russland und drei aus Belarus. Athletinnen und Athleten, die dem Militär angehören, sollen ebenso ausgeschlossen bleiben wie Mannschaften aus beiden Nationen.
Die Ringe-Organisation um Präsident Thomas Bach hatte am 28. Februar 2022 und damit vier Tage nach dem Angriff Russlands mithilfe des Nachbarn Belarus auf die Ukraine den internationalen Fachverbänden empfohlen, Sportler aus den Aggressornationen bis auf Weiteres von ihren Wettbewerben auszuschließen. Viele, aber nicht alle folgten.
Bekannte Auflagen
Im März 2023 erging dann die Empfehlung, Aktive aus beiden Ländern unter Auflagen wieder international starten zu lassen. Auch hier war das Bild uneinheitlich, so steht die olympische Kernsportart Leichtathletik ungebrochen zu ihrem Nein zu Russen.
Ungeachtet des Flickenteppichs erfolgte nun die IOC-Zulassung für Paris unter den bekannten Auflagen. Schließlich drängt die Zeit: Qualifikationswettbewerbe stehen an oder sind bereits gestartet. Zu den IOC-Bedingungen zählen strikte Neutralität, die Einhaltung des Anti-Doping-Codes und der Nachweis, den Krieg nicht aktiv zu unterstützen.
Die Ukraine reagierte bereits im März empört auf die Aufweichung des IOC-Kurses und untersagte seinen Athletinnen und Athleten zwischenzeitlich, im selben Wettbewerb wie Russen anzutreten. Auch ein Olympia-Boykott des überfallenen Landes für die Spiele von Paris (26. Juli bis 11. August 2024) wurde immer wieder angedroht.
"Dilemma" für das IOC
Und doch kann die jüngste IOC-Entscheidung niemanden überraschen. Zunächst hinter verschlossenen Türen begannen schließlich bereits im Sommer 2022 erste Gespräche mit Vertretern von Weltverbänden und Nationalen Olympischen Komitees über den Umgang mit der Russland-Frage.
Die Richtung wurde schnell klar, Bach predigte früh, dass Sportler nicht für Entscheidungen ihrer Regierungen bestraft werden dürften und sprach stets von einem "Dilemma" für das IOC. Die Schritte waren klein, Entscheidungen wurden nicht selten in Hinterzimmern getroffen, zwei Sonderberichterstatterinnen des UN-Menschenrechtsrats mussten zwischenzeitlich als formal unabhängige Anwälte für eine Aufweichung herhalten, die im Frühjahr 2023 eintrat.
DOSB auf "internationaler Linie"
Immer mehr Verbände und NOKS begaben sich in der Folge auf die "internationale Linie", im November schließlich auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) - der nur eine von vielen Nationen vertritt, die gerne Olympische Spiele ausrichten möchten. Und dafür ist ein gutes Standing in Lausanne und im Weltsport essenziell.
Außerhalb Europas stellte sich die Frage, ob Russen und Belarussen in Paris dabei sein sollten, ohnehin schon lange nicht mehr. Zwischenzeitlich stand etwa gar ein "Gaststart" bei den Asienspielen im Raum, zu diesem kam es aber letztlich "aus technischen Gründen" nicht. Auf internationaler Ebene fanden seit dem Frühjahr immer wieder brisante Aufeinandertreffen zwischen Sportlern aus Russland und der Ukraine in den Sportarenen statt.
Es bleiben Fragen zu klären: Sind Russlands Sportler, in Dopingfragen seit einem Jahrzehnt dauerhaft in Verruf, sauber? Wie lässt sich sicher nachweisen, dass Athletinnen oder Athleten nicht mit dem russischen Militärapparat oder dem Kreml verwoben sind? Und das Russische Olympische Komitee (ROC) mag zwar suspendiert sein, die Aktiven neutral gekleidet - die Propagandafrage aufgrund ihrer Herkunft wird sie aber ebenfalls auf dem Weg zu den Spielen begleiten.
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