Es hat sich in den vergangenen Tagen bereits herumgesprochen, nun ist es offiziell. Thomas Edward Patrick Brady jr., kurz Tom Brady, beendet mit 44 Jahren seine einzigartige Karriere in der NFL. Eine Würdigung von Sky Redakteur Tobias Roth.
22 Saisons, 7.263 angebrachte Pässe, 84.520 Passing Yards, 624 Passing Touchdowns - mehr als jeder andere Quarterback in der Geschichte. Dazu kommen drei MVP-Auszeichnungen sowie sage und schreibe sieben Super-Bowl-Titel und fünf Super-Bowl-MVPs bei zehn Finalteilnahmen. Zum Vergleich: Die beiden Rekordtitelträger aus New England und Pittsburgh haben jeweils sechs Mal den Super Bowl geholt. Brady ist so gesehen in 22 Jahren als Einzelspieler erfolgreicher als jede einzelne NFL-Franchise seit der Einführung des Super Bowls 1967. Und dabei spielte der zukünftige Hall of Famer so gesehen quasi gleich drei Karrieren in einer, so gut sind seine Zahlen.
Brady wird an 199. Stelle gepicked
Doch als Brady 2000 in die NFL kam, ahnte niemand, dass dieser etwas dickliche Quarterback von der Universität Michigan jemals auch nur ansatzweise so weit kommen würde. Im Draft wurde TB12 erst an 199. Stelle von den New England Patriots ausgewählt - eine schicksalshafte Auswahl von Head Coach Bill Belichick. Brady nahm jeden einzelnen Pick vor sich persönlich und nahm das als Motivation noch härter zu arbeiten. Nach einem Jahr auf der Bank schlug im September 2001 seine Stunde. Im Spiel gegen die New York Jets verletzte sich der etatmäßige Quarterback der Patriots, Drew Bledsoe, und Brady kam ins Spiel. Ein Moment für die Ewigkeit. Es folgten drei Titel in vier Jahren - mit Unterstützung von Kicker Adam Vinatieri und der Defense.
Nach den ersten drei Titeln ging es erst so richtig los für ihn als Spieler, die Erfolge ließen aber nach. 2007 war der Quarterback mit New England auf dem Weg zur ersten perfekten Spielzeit seit den Miami Dolphins 1972, doch wurden sie von Bradys Kryptonit, Eli Manning und den New York Giants im Super Bowl spektakulär gestoppt. Im Jahr darauf riss sich der damals 31-Jährige gleich im ersten Saisonspiel das Kreuzband - das Ende? Von wegen! 2012 der nächste Super Bowl - und wieder eine Niederlage gegen Mannings Giants. War es das mit der Patriots-Dynastie? Keinesfalls! Brady und Head Coach Bill Belichick zeigten es allen. Wieder gab es für New England drei Titel: 2015 gegen den amtierenden Champion Seattle, 2017 in einem historischen Comeback nach 3:28-Rückstand gegen Atlanta und 2019 gegen die LA Rams.
Brady auch ohne Belichick erfolgreich
2020 folgte der Bruch. Brady musste sich seine ganze Karriere eine Sache gefallen lassen. Er sei ein "System-Quarterback", der wahre Macher des Erfolgs sei Coach Belichick. Doch auch diesen Fleck beseitige er wie es nur Brady konnte. In seinem ersten Jahr mit seinem neuen Team, den Tampa Bay Buccaneers, holte er den alles überragenden siebten Titel. Das Ende mit 43 Jahren? Nein, er setzte fast noch einen drauf! Es folgte eine Saison, in der er wieder die Nummer eins bei Passing Yards und Touchdowns war. In den Playoffs war jedoch Schluss gegen die Rams nachdem Brady sich mit allem gegen die Niederlage stemmte. Doch das war es dann.
Nicht nur sein Erfolg macht ihn wohl zum "G.O.A.T.", zum größten Footballer aller Zeiten. Brady umgibt eine Aura eines wahren Champions. Scheinbar eher untalentiertere Spieler entwickelten sich in seinem Schatten und dank Head Coach Bill Belichick zu Top-Stars, so etwa Julian Edelman oder Rob Gronkowski. Auf der anderen Seite wollten große Spieler unbedingt mit Brady spielen, um an seiner Seite einen Ring zu holen. Bei Tampa Bay kam "Gronk" aus dem Ruhestand zurück, Skandal-Receiver Antonio Brown wollte nur zu ihm. Gegnerische Teams hatten riesengroßen Respekt, wie Atlanta im Super Bowl 51, als sie historisch einbrachen. Brady und den Patriots gelang beim Comeback alles: Touchdowns, unmögliche Catches, defensive Stopps und sogar den Münzwurf in der Verlängerung gewannen sie. Zufall? Wohl kaum.
Bradys Karriere hatte auch ein paar schattige Phasen
Ein paar Schatten gibt es dann aber doch auf dieser einzigartigen Karriere. 2002 ging es nur in den Super Bowl, weil die "Tuck Rule", eine der bis heute umstrittensten Regeln und Schiedsrichterentscheidungen in der NFL-Geschichte, die Patriots rettete. Mehrmals wurden zudem womögliche Spionageaktivitäten von New England aufgedeckt und bestraft. Im AFC Championship Game 2015 gegen Indianapolis waren mehrere Footbälle nicht ordnungsgemäß aufgepumpt, was es dem Quarterback einfacher macht den Ball zu werfen. In diesem als "Deflategate" genannten Regelverstoß wurde Brady eine Mitwisserschaft unterstellt. Er wurde von der NFL für vier Spiele gesperrt, die Patriots verloren insgesamt zwei Draftpicks. Als Strahlemann von New England blieben diese Skandale an ihm kleben.
Trotz all des Ehrgeizes und des sportlichen Erfolgs war Brady aber auch neben dem Platz ein absoluter Superstar. 2009 heiratete er das Model Giselle Bündchen, doch wirkliche Starallüren gab es um ihn nie. Eine gewisse Unnahbarkeit und Arroganz wurde Brady nachgesagt. Doch mit zunehmendem Alter und dem Umzug nach Florida ließ sich auch bei ihm, dem Musterprofi schlecht hin, der seinen Körper immer hegte und pflegte, mehr Lockerheit erkennen. So wie der Spaß nach dem siebten Super-Bowl-Triumph im Hafen Tampas - im sichtlich vom Alkohol erheiterten Zustand. Und trotz allem immer ein echter Familienmensch so heißt es. Die sind wohl auch der Grund für sein Karriereende. Mit 44 hat sich der Fokus verlagert. Mehr Zeit für Frau und die insgesamt drei Kinder.
Bradys Vermächtnis sucht seinesgleichen
Und die hat er sich auch redlich verdient. 22 Jahre im knüppelharten Football-Business sind genug. Die Übergabe des Zepters an die nächste Generation erfolgt nun wohl endgültig. Mit Brady tritt der Größte einer großen Quarterback-Garde um die Manning-Brüder, Drew Brees oder Ben Roethlisberger ab. Der Größte aller Zeiten. Ja, mit diesem Begriff sollte man vorsichtig umgehen. Doch angesichts seines Erfolgs, seiner Zahlen und seiner Strahlkraft über den Football hinaus hinterlässt er ein Vermächtnis, das seinesgleichen sucht. Auch wenn der ein oder andere Skandal das Bild seiner Karriere trügt, hat Tom Brady das Spiel und die National Football League nachhaltig verändert. Der G.O.A.T. verlässt die Bühne, selbstbestimmt und immer noch in der Lage, Großes zu vollbringen, so wie er es immer wollte. In New England und Tampa geliebt, vom Rest verhasst, aber respektiert. Bei diesem Erfolg wohl unumgänglich.
Eine "Trophäe" fehlt Brady nun noch: Das Goldene Jacket für einen Spieler in der Pro Football Hall of Fame in Canton, Ohio. Frühestens sechs Jahre nach Karriereende darf man aufgenommen werden. Im Falle von Brady besteht da wohl kein Zweifel. Next Stop: Canton!
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