Olympia 2022 News: Carl, Hennig und Schlickenrieder nach Gold-Coup

Mut zahlt sich aus: Vici, Schlicki und das deutsche Langlauf-Wunder

Image: Auch einen Tag später können Victoria Carl (l.) und Katharina Hennig ihren Gold-Coup nicht begreifen.

Nach dem Sensations-Gold von Victoria Carl und Katharina Hennig schweben die deutschen Skilangläuferinnen auf Wolke sieben. Chefpilot des Höhenflugs ist Bundestrainer Peter Schlickenrieder.

Auch nach einer im Goldrausch halb durchtanzten Nacht fühlten sich die beiden frisch gekrönten Skilanglauf-Königinnen noch immer wie im falschen Film. Mit krächzender Stimme mussten die Sensations-Olympiasiegerinnen Katharina Hennig und Victoria Carl immer wieder von ihrer Heldentat berichten. "Ich habe so etwas früher immer als Ziel in Freundschaftsbücher geschrieben", sagte Carl kopfschüttelnd: "Und jetzt ist es einfach wahr geworden."

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Auch wenn das Wunder von Zhangjiakou mit dem Teamsprint-Triumph von "Vici" und "Katha" natürlich vor allem auf das Konto der beiden Athletinnen ging: Der eigentliche Urheber des deutschen Langlauf-Aufschwungs fehlte am Donnerstagmorgen. Bundestrainer Peter Schlickenrieder hielt sich ganz entgegen seiner Gewohnheiten zurück. "Er hatte einen großen Anteil an dem hier", sagte Hennig.

Auch Schlickenrieder sorgte für Olympia-Überraschung

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Ohne Tausendsassa "Schlicki" wären der erste deutsche Langlauf-Olympiasieg seit 2010 sowie das mit Teamsprint-Gold und Staffel-Silber beste Abschneiden seit zwölf Jahren schlicht nicht möglich gewesen. Auch wenn der seit dem goldenen Mittwoch 52-jährige Tegernseer klarstellt: "Das ist keine One-Man-Show."

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Schlickenrieder, selbst 2002 olympischer Überraschungs-Zweiter in Salt Lake City, ist spätestens in Peking zum deutschen Gesicht der Sportart geworden. "Das ist so intensiv hier, ich könnte die ganze Zeit heulen", sagte er. Und auch weil er dies im Überschwang der Freude oft genug tat, kam der vom Normalkonsumenten im Gegensatz zu Biathlon oder Skispringen oft so blutleer wahrgenommene Langlauf plötzlich ungemein emotionsgeladen daher.

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Bei Schlickenrieders Antritt 2018 war dies auf einige Skepsis gestoßen. Der nassforsche Sonnyboy, bis dahin als ARD-Experte und Verbands-Vize in der Rolle als launiger Sprücheklopfer bekannt, galt vielen mehr als PR- denn als Perspektivlösung. Dazu passten markige Ansagen: "Bis spätestens 2021 sind wir wieder weltspitzentauglich", sagte Schlickenrieder. Noch vor der desaströsen Heim-WM jenes Jahres in Oberstdorf musste er aber kapitulierend eingestehen: "Das Versprechen kann ich nicht halten."

Die überraschendsten deutschen Medaillen-Gewinner ZUM DURCHKLICKEN

1956 Cortina d'Ampezzo: Gold für Rosa "Ossi" Reichert (Ski alpin/Riesenslalom). Reichert (verstorben 2006) war Deutschlands erste Ski-Olympiasiegerin nach dem Krieg - nachdem ihr wegen einer Verletzung schon das Karriereende gedroht hatte.
1960 in Squaw Valley: Gold für Heidi Biebl (Ski alpin/Abfahrt). Medaillenanwärterin? Ja. Gold? Überraschte die kürzlich verstorbene Biebl selbst so sehr, dass sie nicht mal die Nationalhymne bei der Siegerehrung erkannte.
1960 Squaw Valley: Gold für Helmut Recknagel (Skispringen). Als erster nicht-skandinavischer Skispringer gewann Fahnenträger Recknagel im damals noch üblichen "Superman-Stil", also mit nach vorne gestreckten Armen, die olympische Goldmedaille.
1960 Squaw Valley: Gold für Georg Thoma (Nordische Kombination). Ebenfalls als erster Nicht-Skandinavier wurde "Jörgi" Thoma Olympiasieger in der Kombination und Sportler des Jahres in Deutschland.
1964 Innsbruck: Gold für Manfred Schnelldorfer (Eiskunstlauf). Eigentlich ging es für den Münchner nur um maximal Silber. Klarer Favorit war der Franzose Alain Calmat. Doch weit gefehlt, Schnelldorfer gewann Pflicht und Kür.
1972 Sapporo: Gold für Monika Pflug (Eisschnelllauf). Sie kam als 17-jähriges Küken nach Japan und düpierte die Konkurrenz. Mit ihrem überraschenden Triumph über die 1000 m begann ihre große internationale Karriere.
1976 Innsbruck: Bronze für das Eishockeyteam. "Das Wunder von Innsbruck": Die Spieler hatten sich mit dem vierten Platz abgefunden, ehe sie realisierten: Der Torquotient entscheidet. Bronze vor den USA - mit 0,0041 Treffern Vorsprung.
1976 Innsbruck: Gold für Rosi Mittermaier (Ski alpin/Abfahrt). Die Geburtsstunde der "Gold-Rosi". Mittermaier, eher eine Slalom-Spezialistin, gewann in ihrer Karriere nur diese eine Abfahrt. Es folgten Gold im Slalom und Silber im Riesenslalom.
1988 Calgary: Team-Gold für Nordische Kombinierer. Nach den Einzel-Plätzen 13, 25 & 28 hatte niemand mit ihnen gerechnet, doch mit vereinten Kräften ließen Thomas Müller, Hans-Peter Pohl und Hubert Schwarz alle hinter sich.
1988 Calgary: Gold für Marina Kiehl (Ski alpin/Abfahrt). Die Münchnerin war eher Super-G-Spezialistin. Von ihren sechs Weltcupsiegen vor Olympia hatte sie keinen in der Abfahrt geholt.
1992 Albertville: Gold für Olaf Zinke (Eisschnelllauf/1000 m). Nie vorher und auch nie mehr danach gelang dem Berliner eine annähernd vergleichbare Leistung. Er gewann Gold mit einer Hundertstelsekunde Vorsprung.
1994 Lillehammer: Gold für Markus Wasmeier (Ski alpin/Super-G und Riesenslalom). Schon Gold im Super-G war nach Rang 36 in der Abfahrt ein Coup. Gold im Riesenslalom dann eine Sensation.
1998 in Nagano: Gold für Nicola Thost (Snowboard/Halfpipe). Dass Thost eine gute Snowboarderin ist, war Experten bekannt. Dass sie die Olympia-Premiere in der Halfpipe gewinnt, war dennoch eine große Überraschung.
2002 Salt Lake City: Gold für die Frauenstaffel (Langlauf). 22 Jahre mussten die deutschen Langläufer auf Gold warten, dann schlugen Evi Sachenbacher, Manuela Henkel, Viola Bauer und Claudia Künzel zu.
2010 in Vancouver: Gold für Viktoria Rebensburg (Ski alpin/Riesenslalom). Rebensburg hatte zuvor im Weltcup nur einmal als Zweite auf dem Podium gestanden. Nach dem ersten Lauf war sie nur Sechste gewesen.
2014 Sotschi: Gold für Carina Vogt (Skispringen). Sie hatte noch nie einen Weltcup gewonnen - und schrieb doch Geschichte: Als erste Skispringerin gewann Vogt 2014 in Russland eine Olympische Goldmedaille.
2018 Pyeongchang: Silber für das Eishockeyteam. Die "Silbersensation": Das Team wuchs im Turnierverlauf über sich hinaus und scheiterte nur denkbar knapp an Gold. *Zusammengestellt vom SID
2022 Peking: Gold im Sprint für das Langlauf-Duo Katharina Hennig (r.) und Victoria Carl: Die beiden können ihr Glück kaum fassen. Olympisches Gold für Deutschland im Langlauf ist eine Sensation.

Es soll auch 2026 weitergehen

Ein Jahr später ist er obenauf, doch weiterhin scheiden sich die Geister an Schlickenrieder und seiner Art. Noch nach dem Staffelsilber stichelte Jochen Behle, vor Schlickenrieder letzter erfolgreicher Bundestrainer (2002 bis 2012), im Münchner Merkur, ihm wäre ein Trainer lieber, "bei dem der Fokus nicht auf den nächsten Post in den sozialen Medien geht".

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Dabei ist dies genau das Erfolgsrezept Schlickenrieders: Er fängt im Vordergrund die mediale Aufmerksamkeit auf, während im Hintergrund Fachleute wie Frauen-Coach Erik Schneider ungestört agieren können. Und mit diesem Rezept soll es weitergehen, bis 2026 in Cortina, sagte Schlickenrieder, wenn er denn weiter auf das gewünschte Personal zurückgreifen dürfe.

Eines ist aber sicher: 20 Jahre wie Kombi-Macher Hermann Weinbuch wird "Schlicki" in seinem Dauerstrom-Modus nicht Bundestrainer bleiben: "Ich glaube nicht", sagte er dem SID, "dass ich das durchhalte."

Sport-Informations-Dienst (SID)

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