Sky Experte Timo Glock beleuchtet in seiner Kolumne die wichtigsten Themen rund um den Formel-1-Zirkus. Diesmal blickt er auf den Großen Preis von Saudi-Arabien zurück und auf das anstehende letzte Rennen in Abu Dhabi.
Was war das für ein Rennen in Saudi-Arabien! Es war schon Wahnsinn, was da alles in einem Rennen passiert ist und was das für ein packender WM-Kampf ist. Es war zudem bemerkenswert zu sehen, was für ein Augenmerk auf jedes Detail gelegt wird und wie man sich gegenseitig zwischen Red Bull und Mercedes ausspioniert und auf jeden kleinsten Fehler hinweist.
Nachvollziehbar, dass man auf jedes Detail achtet
Das war selbst unter den Fahrern der Fall, wie zum Beispiel Lewis Hamilton, der darauf hinweist, dass Verstappen eventuell einen Practice-Start gemacht hat, was nicht erlaubt ist. Oder als Max Verstappen dann sagt, dass Hamilton wiederum mehr als zehn Wagenlängen Abstand hält.
Das ist verrückt und ein Wahnsinn, aber auf so einem Niveau natürlich auch irgendwo nachvollziehbar, dass man wirklich auf jedes Detail achtet. So war es ja auch im ganzen Rennen. Es war ein beinharter Kampf, zum Teil natürlich über den Rand hinaus. Da wurde das eine oder andere Mal eine rote Linie überschritten. Man sieht, dass Max ganz aggressiv vorgeht, weil er weiß, dass Lewis sozusagen zurückziehen muss.
Das hat man bei dem einen oder anderen Restart gesehen. Er geht da volles Risiko, weil er sagt: 'Wenn wir beide rausfliegen, sind wir eben beide weg.' Das hilft ihm in dem Fall natürlich viel mehr als Hamilton, der die Punkte mitnehmen muss, um den WM-Kampf offen zu halten.
DRS-Strategie offensichtlich
Das ist auch zwischen den Teams so, aber jetzt natürlich nochmal umso härter zwischen den beiden Akteuren auf der Rennstrecke ausgetragen worden. Das war schon Wahnsinn, was da alles für Tricks angewendet wurden, auch was die DRS-Strategie angeht.
Man hat diesen Platz-Tauch immer auf den letzten Sektor verlegt, um zu schauen, dass man im DRS-Fenster ist. Auch speziell Hamilton, der das dann taktisch angegangen ist, wusste das. Er hat gemerkt, dass er, sobald er hinterher fährt, verliert er im ersten Sektor so viel an Zeit, dass er sich schwer tut, auf Start-Ziel zu attackieren. Er hat es einmal geschafft und Verstappen hat es dann brutal ausgenutzt, als er ihn da weit geschickt und dagegen gehalten hat.
Dann kam es ja in Runde 37 zu dieser verrückten Szene, als Verstappen gesagt bekam, er solle den Platz an Hamilton zurückgeben. Er geht vom Gas und lässt das Auto für eine gewisse Zeit lang rollen. Hamilton hat das dann im Nachhinein zugegeben, dass er strategisch hinten dranbleiben wollte, zwecks DRS.
Er hat deswegen nicht bewusst überholt und das ist für mich ein schwieriges Thema, weil er dadurch das eine Mal auch strategisch versucht hat, hinter Verstappen zu bleiben. Normalerweise überholst du deinen Konkurrenten direkt. Er ist hinten dran geblieben, weil er eben das DRS nicht herschenken wollte, sodass Max ihn direkt wieder attackieren kann.
Nicht die feine englische Art von Verstappen
Dann kam es eben zu diesem Auffahrunfall, bei dem vieles zusammen kam. Hamilton wollte ausweichen und beschleunigen. In dem Moment tritt Max Verstappen laut der FIA so stark auf die Bremse, dass es definitiv gereicht hat, um zu sagen, dass es ein Brake-Test Manöver gewesen wäre.
Er hat also bewusst auf der Geraden gebremst, um einen Unfall zu provozieren. Am Ende ist es natürlich die FIA, die das entscheidet und die die Daten hat. Wenn sie so eine Strafe aussprechen, dann wird es auch so gewesen sein.
Das ist dann natürlich auch nicht die feine englische Art von Verstappen, der aber eben um seine Chance weiß und alles bis zum Limit ausreizt. Das ist die Thematik, die wir gestern auf allen Ebenen gesehen haben. Man hat alles auf eine Karte gesetzt, auch was die Strategie mit den Reifen anging.
Bei dem ersten Restart hat er auf den harten Reifen im Vergleich zu Hamilton verloren. Er ist dann auf die Medium-Reifen gewechselt, um den besseren Start zu haben. Dafür ist aber das Risiko eingegangen, dass es über die Distanz schwierig wird, was es dann auch geworden ist.
Mercedes hat den besseren Renn-Speed gehabt. Somit musste er da beinhart vorgehen und hat das auch bis ans äußerste Limit ausgeführt. Da gibt es dann natürlich viele verschiedene Meinungen. Das eine oder andere Mal sage ich auch, dass das 'too much' war. Aber er kämpft um die WM. Wir haben schon lange nicht mehr so einen Kampf zwischen zwei so herausragenden Fahrern gesehen, die das wirklich auch in Perfektion ausüben.
Großes Kompliment an Hamilton
Man muss da auch ganz klar ein großes Kompliment an Hamilton aussprechen, der diese Situation immer wieder sehr gut einschätzt und auch beinhart fährt. Er lässt sich aber immer nochmal so viel Spielraum, dass er weiß, dass er der Situation noch ausweichen kann.
Er agiert clever und ist selten in eine Situation gekommen, in der er die WM weggeschmissen hat. Er hat das wirklich immer sehr gut umgesetzt und bis jetzt eine absolute Top-Leistung in den letzten Rennen gebracht, auch was die mentale Stärke angeht.
Das sieht man den beiden auch an. Sie sind mental gezeichnet, auch ein Hamilton, auch wenn er immer sagt, er habe nichts zu verlieren. Am Ende geht es trotzdem um die WM und um die sportliche Unsterblichkeit zum achten Mal Weltmeister zu werden. Das hinterlässt auch ganz klar Spuren bei den beiden Fahrern und den Teams.
FIA will nicht in WM-Kampf eingreifen
Man hat gesehen, wie die Emotionen bei Toto Wolff hochkommen und wie emotional es bei Red Bull war. Es ist schon ein absoluter Wahnsinns-Kampf auf allen Ebenen, der wirklich seinesgleichen sucht. Ich habe schon lange nicht mehr so einen tollen sportlichen Kampf zweier absoluter Ausnahme-Könner miterlebt.
Das sieht natürlich auch die FIA. Man merkt förmlich, dass sie auch wissen, dass das ein absoluter Wahnsinns-WM-Kampf ist. Sie wollen natürlich diesen WM-Kampf nicht mit einer FIA-Fehlentscheidung entscheiden. Ich glaube, dass das relativ klar ersichtlich ist.
Aber man muss natürlich auch eine Linie beibehalten, sowohl für alle anderen Fahrer als auch für den Nachwuchs. Denn wenn man dann jetzt anfängt, während des Rennens über Strafen zu verhandeln, ist das auch nicht der richtige Weg.
Crash in Kurve eins?
Sie sind natürlich auch in einer sehr schwierigen Situation, rund um Michael Masi, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um nicht zu stark in den WM-Kampf einzugreifen. Das merken natürlich auch die Haupt-Konkurrenten und reizen das immer mehr aus. Das werden wir jetzt auch in Abu Dhabi sehen.
Das wird ein absoluter Wahnsinns-Kampf, der eventuell auch relativ schnell vorbei sein kann. Das haben wir in der Vergangenheit schon oft gesehen, dass so ein WM-Kampf rein theoretisch nach dem Start in der ersten Kurve entschieden wird.
Ich bin gespannt, wie das ausgeht. Wir müssen, glaube ich, mit allem rechnen, auch was die Strecke angeht. Wem sie mehr liegt, ist schwer zu sagen. Das Momentum liegt momentan bei Mercedes. Aber wir haben auch im Qualifying gesehen, was Max Verstappen für eine Wahnsinns-Pace im Auto hatte, wenn er die Runde zu Ende gefahren wäre.
Somit wird es ein Wahnsinns-Kampf in Abu Dhabi und ich freue mich sehr darauf, das für die Fans und Zuschauer zuhause mit begleiten zu dürfen. Ich glaube, dass wir uns auf ein Wahnsinns-Wochenende freuen können.
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