Sky Experte Ralf Schumacher beleuchtet in seiner Kolumne die wichtigsten Formel-1-Themen. Er blickt auf Mick Schumachers Situation im Team Haas, Sebastian Vettels 6. Platz und Ferraris Debakel in Baku. Zudem bewertet er das Duell der Red-Bull-Piloten, Lewis Hamiltons Probleme und das Thema Bouncing.
Am Wochenende wurde viel über Mick Schumacher und Haas-Teamchef Günther Steiner und dessen Interview bei Sky geschrieben und gesprochen. Ich möchte zu dem Thema nur noch sagen: Wenn beide Seiten zusammenwachsen und ihr Bestes geben, kommt auch bald ein WM-Punkt oder ein gutes Resultat für Mick dabei heraus. Da bin ich mir sicher.
In erster Linie ist es so, dass es zwei Autos im Team Haas gibt und es Micks Aufgabe ist, schneller als sein Kollege Kevin Magnussen zu sein. Wenn das Potenzial des Autos nicht reicht, um in die Punkte zu fahren, muss er zumindest der schnellere Haas-Pilot sein. Das ist Micks Ziel.
Haas' Ziel muss es sein, so früh wie möglich ein Update ans Auto zu bringen. Ich habe gehört, dass es leider nicht vor dem Frankreich-GP (24. Juli) kommen wird. Diese Verzögerung macht allen das Leben schwerer. Trotzdem, noch einmal: Mick muss genauso schnell wie oder schneller als sein Teamkollege sein. Wenn er schneller als Magnussen ist, sieht die Lage für ihn schon wieder besser aus.
Vettel scheint die Strecke in Baku zu liegen
Sebastian Vettel hatte ein super Wochenende und mit Platz sechs eine sehr gute Platzierung. Sein Fehler im Rennen war - sagen wir - suboptimal. Aber er war deutlich stärker als sein Teamkollege. Die Strecke in Baku scheint Sebastian zu liegen. Ich glaube, dass er mit dem Aston Martin auf einem Platz gelandet ist, den das Auto sonst eher nicht erreichen wird. In Kanada könnte es am kommenden Wochenende vielleicht noch einmal klappen, aber die Strecke in Montreal ist flüssiger als die in Baku. Von daher glaube ich, dass es eher schwierig für ihn wird.
Ferrari muss schnell eine Lösung finden
Ferrari hat mit dem Ausfall von Charles Leclerc und Carlos Sainz ein Debakel erlebt. Eine Ursache könnte in einer schlechten Materiallieferung liegen. Es könnte aber auch so sein, dass die Motoren überlastet werden und eine geringere Lebensdauer haben als erwartet. Ferrari ist arg gebeutelt, dass muss man so sagen, die Situation ist dramatisch und Mattia Binotto hat einen schwierigen Job. Nach dem starken Beginn war es zunächst die nachlassende Konstanz der Fahrer, danach technische Dinge. Und das in einer Zeit, in der man vom Potenzial her die WM gewinnen könnte. Sie müssen schnell eine Lösung finden, aber ich glaube nicht, dass die Scuderia ihre Probleme bis zum Kanada-GP in den Griff bekommen kann.
Auch Verstappen muss dazulernen
Ich denke aber, dass wir in dieser Saison noch viel erleben werden. Red Bull hatte am Anfang der Saison Pech, vor einem Ausfall ist keiner gefeit. Die Autos sind fragiler, weil die Belastungen so hoch sind. Man hört, dass Ferraris Kunden-Teams besorgt sind, weil wohl auch die Transparenz in der Kommunikation nicht vorhanden ist. Bei Haas gab es in Monaco Probleme mit der Kinetik, was die Fehler bei den anderen Teams waren, weiß ich nicht. Bei Alfa war Ferrari laut Binotto nicht schuld am Ausfall.
Was die WM betrifft, sehe ich außer Red Bull und Ferrari kein Team, das um den Titel kämpfen kann. Vielleicht könnte Mercedes noch eingreifen - wenn die Updates kommen, von denen Toto Wolff am Wochenende gesprochen hat.
Bei Red Bull gibt es einen kleinen internen Fight. Gab es Missverständnisse beim Boxenfunk? Dr. Marko sagte bei Sky "nein", Sergio Perez sagte "ja". So lange Perez seinen aktuellen Höhenflug fortsetzen kann, wird er versuchen, um den Titel zu fahren. Ich glaube aber, dass Max Verstappen über den gesamten Saisonverlauf hinweg der konstantere der beiden Fahrer sein wird. Aber auch Verstappen muss dazulernen. Im Qualifying versucht er es zu oft mit der Brechstange. Im Rennen ist der Rhythmus anders, dann fährt er nicht immer 100 Prozent und tut sich wesentlich leichter mit dem Auto.
Hamilton ist bis jetzt der große Verlierer
Lewis Hamilton ist bis jetzt der große Verlierer der Saison. George Russell kam zu Saisonbeginn neu uns Team und liegt meistens vor dem Vize-Weltmeister und ist auch im Qualifying stärker. Der „größte Fahrer aller Zeiten", wie in Mercedes-Teamchef Toto Wolff immer so schön nennt, wird von einem Neuzugang in einer Art und Weise gebügelt, die schon besorgniserregend ist. Ich bin erstaunt, denn es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist Russell der neue Überflieger, oder Hamilton hatte in den vergangenen Jahren ein so starkes Auto, das vieles wettgemacht hat.
Bouncing: Sicht wie auf extrem flackerndem Bildschirm
Was das Thema Bouncing betrifft: Diese Probleme kann man haben, aber Russell saß im gleichen Auto, und George sah für mich nach dem Rennen eher frisch aus. Lewis sollte erst einmal schauen, dass er schneller ist als sein Teamkollege. Es tut mir leid für Lewis, dass er Rückenschmerzen hat, aber andere Teams bekommen das Problem auch in den Griff. Ich weiß nicht, ob Lewis aufrechter im Auto sitzt und deshalb die Schläge in den Rücken stärker spürt. Sollte er aufrechter sitzen, wäre die Last auf der Lendenwirbelsäule noch viel höher und würde seine Schmerzen erklären. Das andere Problem beim Bouncing ist, dass durch die ständigen Schläge das Auto hoppelt und man fast nichts sieht. Man muss sich das so vorstellen, wie wenn man auf einen extrem flackernden Bildschirm schaut und dann auf die Kurve zufährt. Von UHD oder HDR sind die weit entfernt.
Die Probleme hat allerdings fast jedes Team. Bei Alpine ist es nicht so groß, weil die Autos weniger Downforce haben. Man könnte die Sache lösen, wenn man einen flachen Unterboden für alle Autos verwenden würde. Aber dadurch wären die Rundenzeiten um mindestens zwei Sekunden länger - oder sogar noch langsamer. Das Ganze wäre mit einem kompletten Konzeptwechsel verbunden und lässt sich nicht von heute auf morgen beheben.
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