Sky Experte Ralf Schumacher beleuchtet in seiner Kolumne die wichtigsten Themen rund um den Formel-1-Zirkus. Dieses Mal spricht er über das ''verrückte'' Rennen in Imola, den Crash zwischen Bottas & Russell und die anhaltende Pechsträhne von Sebastian Vettel.
Was war das nur wieder für ein spannendes Wochenende! Imola ist ja immer für ein verrücktes Rennen gut, aber dass der Sonntag so viel bieten würde, das war schon herausragend. Wirklich fehlerfrei war am Ende ja niemand. Weil die enge Strecke viel abverlangt, keine Fehler verzeiht und weil die Mischverhältnisse ihr Übriges taten.
Da sind plötzlich die Fahrer wieder viel mehr gefragt als bei normalen Rennen. Ja, das Team ist auf einmal dem Fahrer "ausgeliefert". Noch eine Runde auf dem Intermediate Reifen? Oder doch jetzt auf Slicks wechseln? Die Entscheidung bestimmt der Fahrer - nicht der Kommandostand.
Und wenn dann doch mal der "falsche" Reifen drauf ist, heißt es: Jetzt bloß nicht abfliegen! Und das schaffen eben nicht alle. Die Hasardeure werden bestraft, aber auch die Übervorsichtigen - siehe Pierre Gasly, der mit seinem Start auf den Full Wet-Reifen gleich mal alles verspielte.
Bottas/Russell-Crash: Schuldlos ist keiner von beiden
Besonders in Erinnerung bleibt natürlich der heftige Unfall, die Kollision zwischen Bottas und Russell. Zuallererst die sachliche Erkenntnis: Das Ganze passierte bei Highspeed, die beiden Autos wurden dabei völlig zerstört - aber die Fahrer blieben unverletzt.
Irgendwie haben wir uns alle schon an die sichere Formel 1 gewöhnt - und trotzdem muss man jedes Mal dankbar sein, wenn zwei Fahrer nach solch einem Crash zwar geschockt, aber wohlauf und selbstständig aus ihren Wracks klettern. Halo spielte auch wieder eine gute Rolle, der linke Vorderreifen von Russell kam dem Kopf von Bottas schon bedrohlich nahe.
Über die Schuldfrage wurde und wird bestimmt noch viel diskutiert. Schuldlos ist keiner von beiden. So sahen es ja auch die Rennkommissare der FIA, die keine Strafe aussprachen. Klar war das schon sehr ambitioniert von George mit seinem Williams einen Mercedes an dieser Stelle zu überholen.
Großes Risiko, aber Valtteri musste einfach damit rechnen, dass da jemand kommt. Russell war hinter ihm - dass wusste er - auch noch mit geöffnetem DRS - da kann er nicht so rüber zucken, denn dann ist die Strecke einfach zu schmal für zwei Autos. Bottas erschrak, zog wieder zurück, da war es bereits zu spät. Russell hatte auf sein Zucken reagiert, war nach rechts ausgewichen, kam auf das nasse Gras, drehte sich nach links und räumte Bottas mit ab.
Schumacher: Bottas muss sich fragen, warum er sich gegen einen Williams wehren muss
Am Rande sei bemerkt - der Totalschaden tut gleich doppelt weh! Erst mal der Unfall selbst und dann fällt der notwendige "Neuwagen" natürlich unter die Budgetdeckelung - maximal 145 Millionen US-Dollar für Entwicklung und Einsatz der Rennautos pro Saison. Und wir reden hier nicht von 100.000 Euro für das neue Auto. Gilt sowohl für den Mercedes als auch für den Williams.
Die Spekulation von George, dass Valtteri aufgrund der besonderen Konstellation - Russell ist Mercedes-Junior und hat Ambitionen auf das Cockpit von Bottas - so agiert habe, tat Toto Wolff als "Bullshit" ab. Bottas ist kein linker Fahrer und bei über 300 km/h betreibt er ganz sicher keine Spielchen. Aber Russell einfach so vorbei lassen wollte er sicher auch nicht. Und seine Haltung bei den anschließenden Interviews hat mir auch nicht gefallen.
Überhaupt muss er sich fragen, wieso er sich tief im Mittelfeld liegend gegen einen Williams wehren musste. So oft schon fuhr er auf ähnlichem Level wie Hamilton, aber momentan ist er meilenweit davon entfernt. Bei Mercedes versucht man es mit fehlendem Grip an Bottas Hinterachse zu erklären - für mich fehlt dem gesamten Paket Valtteri Bottas momentan der Grip. Da muss wieder mehr kommen, sonst fährt er sich schnell ins Abseits.
Vettel fährt im Nirgendwo - Mick solide
Sebastian Vettel fuhr nicht ins Abseits, er fuhr im Nirgendwo. Bremsschaden, Zeitstrafe, Getriebeschaden - da war die Pechmarie wieder besonders fleißig. Deshalb ist es schwierig, seine Leistung vom Sonntag zu bewerten. Er will kein Mitleid, das hat er uns nach dem Rennen gleich gesagt, als wir ihn interviewt haben, aber irgendwie erinnert doch vieles an sein letztes Ferrari-Jahr, nur eben alles in Grün.
Sebastian muss jetzt in den nächsten ein, zwei Rennen Anschluss finden, seinen Teamkollegen einholen, besser überholen. Überhaupt die gestandenen Fahrer in ihren neuen Teams: Vettel, Perez, Ricciardo. Sie sind noch nicht angekommen, noch nicht eins mit dem Auto. "Eine Frage der Zeit" sagen ihre Chefs, diese Geduld gab es früher nicht. Klar hatten wir mehr Testfahrten, aber wenn nicht zügig Resultate da waren, wurden wir angezählt.
Für Mick geht es weiter vorwärts. Klar, als er sich beim Aufwärmen der Reifen verschätzte, in die Mauer abbog und dabei die Nase demolierte - das war ihm peinlich. Aber solch eine Aktion gehört auch dazu, wird ihm nicht noch mal passieren. Unterm Strich muss man festhalten, dass er seinen Teamkollegen sicher im Griff hatte. Er war deutlich schneller als Mazepin - beim Qualifying und im Rennen. Er macht das sehr gut in seinem ersten Lehrjahr!
Schumacher: Lob für Verstappen & Hamilton
Was bleibt noch hängen nach diesem Grand Prix? Max Verstappen - toller Sieg bei genau seinen Lieblingsverhältnissen. Aber auch er hatte einen ganz ähnlichen Fehler wie Mick: Als er seine Reifen auf Temperatur bringen wollte - kurz vor dem Restart - brach ihm in der Rivazza das Heck aus. Bemerkenswert, wie der das Auto wieder einfing. Bemerkenswert gilt auch für Lewis Hamilton!
Nicht nur, weil er von Platz neun auf Platz zwei vorfuhr, sondern auch, wie er sich vorher rückwärts aus dem Kies arbeitete, nachdem er rausgerutscht war. Clevere Aktion vom Weltmeister, denn hinten ist das Auto höher und kommt leichter wieder raus. Überhaupt der Kies - ich hätte gerne wieder mehr davon! Mittlerweile wird viel zu viel über die Track Limits gesprochen. Das schadet der Formel 1 und der Fan kann es nicht nachvollziehen. Weniger Asphalt neben der Strecke und stattdessen wieder mehr Kies, dann hätten wir klare Verhältnisse!
Auf jeden Fall freue ich mich jetzt schon auf Portugal! Eine schnelle enge Strecke, aber auch wieder mit Tücken. Wie gemacht für das nächste spannende Rennen...