Nico Hülkenberg ist mit einer beeindruckenden Leistung beim Großen Preis von Australien auf Platz sieben gerast. Der Emmericher ist nach drei Jahren ohne Stammcockpit und im zarten Alter von 35 in absoluter Topform - und hat noch Luft nach oben.
Ruhig, souverän und mit einer großen Portion Gelassenheit hat Nico Hülkenberg seinen Haas auf einen sensationellen siebten Platz in Melbourne ins Ziel gebracht.
Dabei erlebte der GP-Champion von 2009, der von P10 aus ins Rennen ging, gleich in der Anfangsphase einen großen Schockmoment. Denn vor ihm krachte Alex Albon in Kurve sechs in die Barriere. Wie ein Bumerang wurde der Williams in Runde sieben zurück auf die Strecke geschleudert, Hülkenberg konnte in allerletzter Sekunde noch ausweichen.
"Es ging zivilisiert los, bis Alex auf einmal das Auto verloren hat. Es ist das Horrorszenario eines Rennfahrers: Du kommst in eine blinde Kurve und es steht ein Auto auf der Strecke und du siehst ihn nicht mal vor lauter Staub und Kies. Und wir sind brutal schnell da, 250 irgendwas. Das hätte richtig übel ausgehen können, zum Glück ist nichts passiert. Ich kann euch wirklich sagen, da war kurzzeitig ein 'Code Brown' bei mir. Ich habe auch in dem Moment hektisch in den Funk geschrien, weil mein Puls in die Höhe geschossen ist", meinte Hülkenberg bei Sky.
Hülkenberg zeigt Kampfgeist und Biss
Doch der Deutsche konnte den Puls schnell wieder beruhigen. Die anschließende Rote Flagge bescherte ihm einen freien Boxenstopp, auf Position sieben fuhr Hülkenberg nach Wiederaufnahme des Rennens im DRS-Zug mit. "Die Jungs vorne haben mich schön mitgezogen. Danach sind die Reifen aber ein bisschen in die Knie gegangen und Lando [Norris, Anm. d. Red.] hat von hinten gedrückt und ich konnte es nicht ganz verteidigen."
Mit dem McLaren-Piloten lieferte sich Hülkenberg rundenlang ein Rad-an-Rad-Duell und zeigte dabei, dass er auch mit seinen 35 Jahren noch ein richtiger Kämpfer auf der Strecke ist. "Es hat Spaß gemacht, aber wenn du am Ende den Kürzeren ziehst, dann ist es immer ein bisschen nervig. Aber nach drei Jahren im dritten Rennen wieder Wheel-to-Wheel-Action zu haben, ist gut und macht Spaß", meinte der Haas-Pilot zu seinem Fight mit dem 23-jährigen Briten.
Da zuvor auch Sergio Perez im Red Bull am Deutschen vorbeizog, lag Hülkenberg sechs Runden vor dem Schluss nur noch auf Rang neun. Dennoch schien zu diesem Zeitpunkt sicher, dass es für ihn die ersten Zähler seit dem Großen Preis der Eifel am 11. Oktober 2020 auf dem Nürburgring werden. Doch dann kam Hülkenberg ausgerechnet sein Teamkollege Kevin Magnussen in die Quere. Der Däne krachte mit seinem Haas in Kurve zwei in die Wand und sorgte für eine zweite Rote Flagge drei Runden vor Schluss.
Hülkenberg holt alles aus dem Haas raus
Obwohl Hülkenberg drei Jahre abwesend war, hat er in dieser Saison alle drei Qualifying-Duelle mit Magnussen für sich entschieden. In Australien hatte er den 30-Jährigen dann erstmals auch über die gesamte Renndistanz klar im Griff. Beeindruckend, wie schnell sich Hülkenberg wieder an die Formel 1 und ein neues Team gewöhnt hat. Ohne Anlaufzeit liefert der ehemalige Champion des 24-Stunden-Rennens von Le Mans im Auto ab.
Beim stehenden Re-Start kurz vor Schluss kam es dann zu zahlreichen Unfällen. Hülkenberg kam jedoch ohne Schaden durch die ersten zwei Kurven und lag plötzlich auf Rang vier. Sogar das erste Podium seiner F1-Laufbahn war in Reichweite, da dem vor ihm liegenden Carlos Sainz (Ferrari) eine Strafe für die Kollision mit Fernando Alonso (Aston Martin) drohte. Ein Podestplatz wäre der erste für den 1,84-Meter-Mann in seinem 184. Grand Prix gewesen.
Hülkenberg äußerte sich zum Re-Start wie folgt: "Es gibt da immer zwei Seiten: Einmal die Entertainment-Seite für Fans und Fernsehen und es gibt die Fahrer des Fahrers, des Teams. Du kannst als totaler Gewinner daraus gehen oder als totaler Loser. Ich meine, Fernando [Alonso, Anm. d. Red.] wurde gedreht, wäre der eingeschlagen, wäre er weg gewesen und als Fahrer: Wenn du dir für 50 Runden den Hintern aus der Hose fährst und dann kommt eine Rote Flagge und du wirst unschuldig rausgekegelt, ist das natürlich bitter und ein Horrorszenario. Wir wollen geiles Racing und Entertainment, aber wir dürfen die sportliche Komponente nicht vergessen."
Kurzer Schock für Hülkenberg nach Rennende
Die Rennleitung entschied sich dazu, die Reihenfolge von vor dem Re-Start wieder herzustellen. Da Pierre Gasly (Alpine) in der Zwischenzeit ausgeschieden war, wurde Hülkenberg auf Platz acht geführt. Da nur noch eine Runde zu absolvieren war, wurde das Rennen hinter dem Safety-Car abgewunken. Sainz erhielt tatsächlich noch eine Fünf-Sekunden-Strafe, sodass Hülkenberg letztendlich als Siebter gewertet wurde.
Doch einen Schock musste der Deutsche noch überstehen. Per Funk wies sein Renningenieur Hülkenberg an, sein Auto direkt nach der Zieldurchfahrt abzustellen. "Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, aber aus Kurve elf raus kurz vor dem Re-Start habe ich für einen kurzen Moment Leistung verloren. Die Gänge waren auch aus dem Getriebe raus und nicht mehr synchronisiert. Dann kam die Leistung aber wieder und dann wurde mir gesagt: Bitte abstellen. Aber ich gehe vom Besten aus", so Hülkenberg.
Die Sky F1-Experten Ralf Schumacher und Timo Glock hatten sofort die Befürchtung, dass zu wenig Sprit im Tank beim Haas drin wäre. Doch die Entwarnung kam schnell: Ein Problem mit der MGU-K-Einheit war der Grund für das Ausrollen, eine Strafe stand somit nicht zur Debatte. Aufatmen beim US-Rennstall und bei Hülkenberg. Rang sieben ist für ihn persönlich das beste Ergebnis seit Monza 2019 (P5). In der Fahrer-Wertung liegt der Deutsche nun auf Rang neun, Haas belegt zudem Platz sieben in der Konstrukteurs-WM.
Hülkenberg fühlt sich aktuell pudelwohl
Der sichtbar austrainierte Hülkenberg, der sein Leistungsvermögen am Melbourne-Wochenende selbst noch auf "90 Prozent" bezifferte, fühlt sich aktuell pudelwohl und in Bestform: "Man sagt im Deutschen so schön: Ich bin im Reinen mit mir selber. Ich habe Spaß hier. Die drei Jahre weg waren gut, haben mich resettet, den Kopf wieder freibekommen, meine Perspektive hat sich geändert, familiär auch, ich bin auf allen Ebenen gut aufgestellt. Ich habe eine dicke Haut, lasse mir nicht so leicht reinreden und es geht gut."
In seiner Auszeit hatte Hülkenberg seine langjährige Partnerin geheiratet und ist Vater einer Tochter geworden. Sein positiver Gemütszustand ist ihm sowohl auf als auch außerhalb der Rennstrecke anzusehen. Haas legte einige Stunden nach Rennende dann sogar noch einen Protest gegen das vorläufige Rennergebnis ein. Der Protest wurde allerdings Stunden später abgewiesen. Ein Podiumsplatz im Nachgang wäre aber des Guten zu viel gewesen.
Von Hülkenberg in dieser Top-Verfassung können die deutschen Motorsport-Fans aber noch einiges in dieser Saison erwarten.
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