Das Qualifying zum Großen Preis von Belgien war vor allem eins: Ein ganz großes Durcheinander. Schuld daran ist das Regelwerk der Formel 1. Max Verstappen war das allerdings egal. Der Weltmeister ist trotz Startplatz 15 ein großer Siegkandidat.
"Ich weiß nicht genau, ob wir jetzt 15. oder 16. sind. Da brauchst du schon richtige Wissenschaftler, die das ausrechnen", meinte Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko am Sky Mikrofon nach dem Qualifying in Spa-Francorchamps über die Startposition von Max Verstappen. Der Grund für die Verwirrung: Die Strafenflut von Belgien.
Insgesamt sieben Piloten - darunter Verstappen - hatten beim ersten Rennwochenende nach der Sommerpause neue Antriebseinheiten am Auto verwendet, dabei aber bereits das vorgeschriebene Limit an erlaubten Komponenten überschritten. Entsprechend bekamen diese Piloten Startplatzstrafen. Das führte zu einem Chaos.
"Man soll das noch mal überdenken, wie man das Reglement so strickt, dass es relativ einfach zu verstehen ist. Dass man da nicht drei Stunden überlegen muss, wer wo und mit welcher Strafe steht. Auch für die Zuschauer zu Hause, sollte man sich da eine einfachere Struktur ausdenken. Das ist so einfach nur ein Drama", kritisierte Sky Experte Timo Glock die aktuelle Regelung.
Dabei hatte Red Bull sich eigentlich ganz speziell auf diese Situation vorbereitet. "Wir haben unsere Strategie-Abteilung eingeschaltet, weil das so kompliziert geworden ist", erklärte Marko. Doch das Ergebnis verkündete selbst die Formel 1 selbst erst rund anderthalb Stunden nach Ende des Qualifyings in Spa-Francorchamps. Ein Unding für Fahrer, Team und Zuschauer.
DAS BEREINIGTE QUALIFYING-ERGEBNIS
Verstappen in eigener Liga
Zuvor hatten Marko und Red Bull trotz der Verstappen-Strafe allen Grund zur Freude. Denn der Niederländer, der auch einen belgischen Pass besitzt, dominierte am Samstag bei seinem zweiten Heimspiel neben Zandvoort das Geschehen nach Belieben. Verstappen war über sechs Zehntel schneller als die Konkurrenz.
"Ein unglaubliches Qualifying. Aber schon das ganze Wochenende lief richtig gut. Das Auto hat wirklich sehr gut funktioniert und dann kam alles zusammen im Qualifying", analysierte der Weltmeister und schob bereits eine Kampfansage für das Rennen am Sonntag (ab 13.30 Uhr LIVE & EXKLUSIV auf Sky Sport F1) hinterher: "Wir müssen einfach nach vorne. Es wäre schade, mit so einem Auto nicht aufs Podium zu fahren."
Sky Experte Glock ist sich sicher, dass der 24-Jährige "auch im Rennen den Ton angeben wird" und selbst von Platz 15 ein heißer Kandidat auf den Sieg ist. Auch Marko sagte: "Die anderen sind alle an der Zeit von Max zerschellt. Für das Rennen sind wir optimistisch, Podiumsnähe ist möglich. Wenn es Zwischenfälle und das Safety-Car im richtigen Moment gibt, ist vielleicht sogar noch mehr möglich." Auf Sky Nachfrage, ob er damit einen Sieg meine, erklärte der Österreicher vielsagend: "Ausschließen würde ich es auch nicht."
Was noch für Verstappen spricht: Er hat trotz aller Dominanz nur einen einzigen Satz Reifen im Qualifying verwendet und damit noch zwei frische weiche Sätze für das Rennen. Selbst Polesetter Carlos Sainz blickte bereits mit etwas Unwohlsein auf die bevorstehende Aufholjagd des Weltmeisters. "Ich bin glücklich mit der Pole Position, aber nicht so glücklich mit dem Abstand zu Red Bull. Bei dem großen Abstand zu Max stelle ich mir schon die Frage, was morgen passieren wird", so der Spanier.
Ferrari verliert vor allem auf der Geraden deutlich gegenüber Red Bull. "Die sind in einer ganz eigenen Liga. Das wird schwierig", sagte ein etwas ratloser Charles Leclerc bei Sky. Da wird es für die Scuderia auch schwierig werden, Sergio Perez im zweiten Red Bull zu halten, der von Platz zwei aus ins Rennen geht. "Wenn ich einen guten Start habe, kann ich nach der ersten Runde auch vorne sein. Das wird der Schlüssel für den Erfolg sein", so der Mexikaner.
"Wenn Perez einen guten Windschatten nach dem Start bekommt, kann er nach Eau Rouge attackieren. Und wenn man einen Perez ganz vorne hat, kann man auch strategisch in Richtung Verstappen agieren. Wenn Perez von vorne das Tempo bestimmen kann, wäre das natürlich optimal für Red Bull", erklärte Glock die strategischen Möglichkeiten Red Bulls, die sich durchaus berechtigte Hoffnungen auf einen Doppelsieg machen können.
Nächster Ferrari-Fehler bei Leclerc
Bei Ferrari lief es hingegen (mal wieder) nicht rund. Zwar profitierte Sainz von der Verstappen-Strafe und sicherte sich die Pole, doch bei Leclerc, der ebenfalls eine Startplatzstrafe zog und von Rang 16 ins Rennen gehen wird, machten die Roten erneut einen haarsträubenden Fehler.
In Q3 schickte Ferrari den Monegassen mit frischen Reifen auf die Strecke. Leclerc fragte auf der Aufwärmrunde sofort per Funk verwundert nach: "Was ist mit diesen Reifen? Warum sind die neu?". Die Antwort vom Kommandostand: "Das war ein Fehler von uns." Ferrari hätte sogar noch reagieren und Leclerc zurück in die Box beordern können, entschied sich jedoch dafür, die schnelle Runde dann doch mit den neuen Reifen zu fahren.
"Da kann man wirklich nur noch lachen", reagierte Glock mit Unverständnis auf diesen erneuten Ferrari-Fauxpas in der laufenden Saison und schob noch nach: "Mir fällt dazu wirklich nichts mehr ein." Zur Erklärung: Leclerc hat aufgrund seiner Startplatzstrafe freie Reifenwahl für den Grand Prix. Somit hätte er in Q3 auch mit gebrauchten Reifen seine Zeit setzen können.
"Das war eine Entscheidung, die in der letzten Sekunde getroffen wurde", erklärte Ferrari-Rennleiter Laurent Mekies bei Sky die Hektik in der Box der Scuderia und begründete die Entscheidung für frische Reifen wie folgt: "Auch wenn Charles von hinten startet, sind da noch sechs andere Autos, die auch von hinten aus ins Rennen gehen. Und die muss man auch erst mal im Qualifying schlagen." Das hätte der 24-Jährige - bis auf Verstappen - mit dem überlegenden Ferrari allerdings auch mit gebrauchten Rädern geschafft.
Mercedes fehlen rund zwei Sekunden
Enttäuschend lief das Qualifying für Mercedes. Lewis Hamilton und George Russell fehlten rund zwei Sekunden auf die Spitze. Durch die Startplatzstrafen der Konkurrenz profitieren zwar auch die Silberpfeile und gehen von den Positionen vier und fünf aus ins Rennen. Doch die Aussichten für das den Grand Prix sind dennoch düster. "Platz vier bringt uns nicht richtig viel. Red Bull und auch Ferrari fahren in einer anderen Liga", so Hamilton bei Sky.
Teamkollege Russell rätselte am Sky Mikrofon, wo Mercedes die Speed über die Sommerpause verloren hat: "Ich weiß auch nicht, wie ich beim letzten Rennen in Ungarn noch auf Pole stehen konnte und wir jetzt so weit weg sind. Wir waren auch sechs Zehntel langsamer als Alpine. Bei kalten Temperaturen können wir einfach nicht mithalten. Die Stimmung im Team ist gerade nicht großartig. Wir sind Mercedes und wir gehören nicht so weit nach hinten."
Alpine ist am Samstag die große Überraschung und ganz klar dritte Kraft gewesen. Esteban Ocon und Fernando Alonso waren mit der Pace des Autos entsprechend zufrieden. Der Franzose muss allerdings ebenfalls eine Startplatzstrafe hinnehmen, sodass die Hoffnungen von Alpine auf Alonso ruhen, der von Rang drei aus ins Rennen geht.
Mercedes kann nur hoffen, dass es im Rennen deutlich wärmere Temperaturen als im Qualifying gibt und das eigene Auto dann besser mit den Bedingungen klarkommt. Denn selbst Alex Albon im Williams war von der Pace auf eine Runde gesehen auf Augenhöhe mit den Silberpfeilen.
Kein guter Samstag für Vettel und Mick
Für die beiden deutschen Piloten war das Qualifying ebenfalls eins zum Vergessen, allerdings aus zwei ganz unterschiedlichen Gründen. Sebastian Vettel wurde von seinem Teamkollegen Lance Stroll in die Schranken gewiesen und schied mit seinem Aston Martin bereits in Q1 aus.
"Ich habe mich nicht so gut gefühlt. Es war das ganze Wochenende schon ein Auf und Ab", äußerte sich Vettel bei Sky. Ärgerlich an einem Wochenende, an denen so viele Kontrahenten Strafen bekommen. Nur zwei Tausendstel haben dem Heppenheimer zum Weiterkommen gefehlt. "Das ist natürlich doof, wenn es so wenig ist", sagte Vettel.
Doch immerhin geht der viermalige Weltmeister durch die Strafen der anderen Piloten von Platz zehn aus ins Rennen. Anders als Mick Schumacher, der von ganz hinten starten muss. Dabei überraschte der 23-Jährige in Q1 und zog, anders als Haas-Teamkollege Kevin Magnussen in den nächsten Qualifying-Abschnitt ein. Dabei war das Auto Schumachers gar nicht auf eine schnelle Runde, sondern bereits auf das Rennen abgestimmt.
Denn auch der Deutsche ist von der Strafenflut in Spa betroffen. Schumacher verpasste es allerdings, in Q2 nachzulegen und sich vor Guanyu Zhou im Alfa Romeo zu platzieren - dann wäre er nämlich wenigstens als Vorletzter in den Grand Prix gegangen. "Leider habe ich meine letzte Runde nicht gut getroffen. Da hatte ich ein stehendes Rad gleich in der ersten Kurve", erklärte Schumacher gegenüber Sky. Vom letzten Startplatz aus liegen die Punkteränge in weiter Ferne.
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