1. FC Köln: Steffen Baumgart im exklusiven Sky Interview

Baumgart: "Möchte der Trainer sein, den ich gerne selber gehabt hätte"

Von Vom 1. FC Köln berichtet Marlon Irlbacher

Kölns Trainer Steffen Baumgart nach dem 1:1 gegen Dortmund über das nächste Spiel gegen Union Berlin, Anthony Modeste, Salih Özcan und seine Zukunft. (Videolänge: 15:33 Minuten)

Trainer Steffen Baumgart hat die Mannschaft des 1. FC Köln zu einem Anwärter auf einen Platz im Europapokal gemacht. Im Exklusiv-Interview mit Sky Sport spricht Baumgart über die positive Entwicklung des Effzeh, sein Verhältnis zu den Spielern sowie seine Pläne und Ziele.

Sky Sport: Steffen Baumgart, 1:1 gegen Borussia Dortmund , Rang 7 und 40 Punkte nach gerade einmal 27 Spieltagen. Wie stolz sind Sie aktuell auf die Mannschaft des 1. FC Köln?

Steffen Baumgart: Ich finde das mit dem "Stolz" im Fußball immer relativ schwierig, denn der Fußball geht auch schnell wieder in eine andere Richtung. Ich glaube, dass worauf wir stolz sein können ist, dass wir das, was wir sagen auch umsetzen. Es gibt immer wieder viele Kleinigkeiten, die wir ansprechen und betonen. Das funktioniert. Ob wir die Breite des Kaders ansprechen oder die Art und Weise, wie wir uns Fußball vorstellen. Auch über taktische Einstellungen gibt es immer wieder viele Diskussionen von Leuten, die da eher weit weg sind. Wir freuen uns einfach, dass viele Sachen sehr gut laufen und wenn wir einzelne Personalien darüber hinaus betrachten, können wir sehr zufrieden sein.

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Sky Sport: Seitdem Sie in Köln sind, hat sich vieles verändert. Bei Ihnen gibt es keine Stammplatzgarantie und aller spätestens gegen Dortmund hat wirklich jeder gesehen warum. Kommt so eine Leistung von einer Mannschaft, die so vielleicht noch nicht zusammengespielt hat, auch gerade wegen des ständigen Kampfes um einen Startelf-Platz zu Stande?

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Baumgart: Wichtig ist, dass sich jeder mitgenommen fühlt und das sieht man, glaube ich, auch. Es wird immer wieder Spieler geben, die mehr oder weniger spielen. Trotzdem gilt: Wenn du dich entwickeln willst, brauchst du alle Mann. Du brauchst eine gute Trainingsleistung, du brauchst gute Stimmung. Das passiert nur, wenn du alle mitnimmst. Die Jungs nehmen das sehr gut an. Wir wollen alle so mitnehmen, dass jeder Spieler weiß, worum es uns geht. Deshalb gibt es auch kein A gegen B. Es ist mir ja schon oft gelungen, dass Spiele eher über die entschieden werden, die dann ins Spiel reinkommen. Trotzdem brauchst du den A-Spieler und den B-Spieler. Das beste Beispiel hatten wir gegen Eintracht Frankfurt. Sebastian Andersson hat sich 60 Minuten aufgerieben und dann kommt Anthony Modeste rein und macht das entscheidende Tor. Ohne die Arbeit von Andersson davor, wäre Modeste nicht in diese Situation gekommen.

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Sky Sport: Die positive Entwicklung der Mannschaft kann ja jeder auch an der Tabelle ablesen. Aber auch einzelne Spieler haben unter Ihnen in dieser Saison nochmal einen großen Schritt gemacht. Zum Beispiel Anthony Modeste, dem nicht unbedingt jeder noch einmal so eine Form zugetraut hätte. Nehmen Sie uns mal mit und erklären Sie uns bitte, was Sie mit ihm gemacht haben. Was steckt dahinter?

Baumgart: Da wird immer sehr viel daraus gemacht. Am Ende hat Tony das alles selber gemacht. Wenn du als Spieler zwei Jahre das Gefühl hattest, dass du nicht gewollt bist, ist es klar, dass irgendwann die Lust verloren geht. Wenn du immer denkst, du bist das fünfte Rad am Wagen. Anderen Spielern ging das auch so, dann fühlst du dich einfach nicht mehr gewollt. Wir haben dann gesagt: "Lass uns einen gemeinsamen Weg gehen." Wir wollten, dass Tony mehr macht als nur seinen Job. Es ging darum, an Dingen zu arbeiten, viel darüber zu reden. Bei Salih Öczan war das ganz ähnlich. Der wurde in der letzten Saison auch schon in eine ganz andere Schublade gesteckt. Oder schauen Sie sich Louis Schaub an. Vielleicht ist er auch kein Stammspieler, aber wenn man sich seine Entwicklung einmal anschaut, sieht man, dass jetzt ganz anders über ihn gesprochen wird. Bei Kingsley Schindler ist es genauso. Es gibt so viele Beispiele in der Mannschaft, bei denen ich einfach das Gefühl habe, dass ich die Jungs mitnehme auf diesen Weg. Tony ist dafür das Paradebeispiel, aber da steckt auch sehr viel Arbeit von ihm selbst dahinter. Wenn wir uns seine Statistiken anschauen sehen Sie die Tore, aber wir sehen auch seinen Fleiß und die Sprints nach hinten. Die Laufintensität, die Laufmeter, die er macht. Das hat sich alles verändert und verbessert. Dadurch ist die Mannschaft in einen anderen Flow gekommen. Dann ist man zwei oder drei Prozent besser und das kann auf unserem Niveau schnell 40 statt 30 Punkte bedeuten. Die Jungs brauchen Vertrauen - und das funktioniert.

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Sky Sport: Ein Spieler, den Sie gerade angesprochen haben und der eine tolle Entwicklung genommen hat, ist Salih Öczan. Wenn er so weiter macht, muss er sich vielleicht bald zwischen der deutschen und der türkischen Nationalmannschaft entscheiden. Zu welcher würden Sie ihm raten?

Baumgart: Ich lege ihm keine ans Herz, denn ich glaube schon, dass da zwei Herzen in einer Brust schlagen. Er weiß, wo er aufgewachsen ist, aber auch, wo seine Wurzeln liegen. Ich denke da, muss man ihm auch die Wahl lassen, in Ruhe darüber nachzudenken. Er muss eine klare Entscheidung treffen und ich glaube, er hat sie schon getroffen. Damit wir er ruhig und sachlich umgehen. Viel wichtiger ist aber doch, dass er es geschafft hat, dass darüber nachgedacht wird. Das ist am wichtigsten. Nun hoffen wir, dass er stabil bleibt und diese Leistungen über einen langen Zeitraum bringen kann. Die fußballerische Entwicklung von Salih hat auch viel mit der Gesamtleistung der Mannschaft zu tun. Das Ganze muss passen. Spielt die Mannschaft gut, spielt der Einzelne besser. Spielt der Einzelne besser, spielt die Mannschaft besser.

Sky Sport: Sie haben nach dem Dortmund-Spiel von einer guten Entwicklung des Teams gesprochen: Wo sehen Sie die größten Stärken des Kaders und wo vielleicht das größte Verbesserungspotenzial?

Baumgart: Die größte Stärke dieser Mannschaft ist ihre Geschlossenheit und das Annehmen der Arbeit gegen den Ball. Verbessern oder weiterentwickeln muss man sich immer. Auf der einen oder anderen Position würde uns etwas mehr Geschwindigkeit nicht schlecht tun, und trotzdem muss das auch ins gesamte System reinpassen. Der Weg, von dem wir immer reden, wird nie zu Ende sein, der wird immer weiter gehen. Wir haben ja die Umstellung des BVB von Viererkette auf Dreierkette gesehen. Da haben wir nicht gleich im ersten Moment so gut drauf reagiert, das hat gedauert. Das sind sowohl für mich als Trainer Entwicklungsphasen, als auch für die Mannschaft. Fußball ist immer ein ganz dünnes Eis zwischen ganz oben und ganz unten. Die Wege dazwischen sind immer sehr schnell.

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Sky Sport: Kommen wir zu Ihnen persönlich. Wir kennen Sie alle an der Seitenlinie, kurzärmlig bei kälteren Temperaturen, sehr emotional unterwegs. Man merkt, dass Ihre Art bei den Kölner Fans richtig gut ankommt. Wie haben Sie diesen Verein und die Fans vom ersten Tag an bis hier her kennengelernt?

Baumgart: Ich hatte hier das Glück, sehr offen und sehr positiv aufgenommen worden zu sein. Das hilft einem natürlich direkt. Dann kamen noch die Ergebnisse dazu, das hilft auch. Die Veränderung des Fußballs hat dabei auch eine Rolle gespielt. Dass die Leute auch mal sehen, dass in Köln auch tatsächlich über einen längeren Zeitraum guter Fußball gespielt werden kann. Das macht natürlich auch viel mit den Fans. Wenn man gegen den BVB die Stimmung bei uns im Stadion gesehen hat - von beiden Fanlagern - dann war das einfach geil. Ich habe die Fans komplett emotional kennengelernt. Es gibt hier kein Grau, nur Schwarz und Weiß. Wir spielen entweder um die Meisterschaft oder eine Woche später gegen den Abstieg. Wir wollen versuchen, einen Weg zu gehen, der den möglichst größten Erfolg bringt.

Sky Sport: Sie leben seit knapp über einem halben Jahr in Köln. Wie gefällt Ihnen die Stadt und wie wohl fühlen sie sich dort auch außerhalb des Fußballs?

Baumgart: In Köln kommst du relativ schnell an. Das ist ja alles sehr offen und sehr locker hier. Alle sind hier sehr freundlich zu einander. In Berlin sind viele ja eher erstmal etwas muffelig eingestellt, da dauert das schon mal etwas länger. Ich habe mich bisher überall wohlgefühlt, sowohl in Paderborn, als auch bei meinen anderen Stationen. Köln gehört ganz klar dazu.

Sky Sport: Sie haben in Köln aktuell noch einen Vertrag bis 2023. Können Sie sich vorstellen, Ihre Zelte in Köln noch ein wenig länger aufzuschlagen?

Baumgart: Ich habe mich ja bereits dazu geäußert. Ich bin keiner, der immer links und rechts guckt und den nächst größeren Schritt will. Die Frage ist ja auch: Wo soll der nächst größere Schritt sein, wenn du bei so einem Verein arbeitest? Ich glaube, jeder weiß, dass ich hier gerne arbeite und auch keinen Hehl daraus mache, dass ich gerne hier bleiben würde. Wir werden über alle Bedingungen klar reden. Dazu warten wir jetzt noch auf Christian Keller, der bald dazustoßen wird (Christian Keller wird die Position als Geschäftsführer Sport zum 1. April übernehmen, Anm. d. R.). Dann werden wir uns mal hinsetzen und in Ruhe schauen, wer welche Vorstellungen hat. Ich denke aber, meine Signale sind sehr deutlich.

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Sky Sport: Wie hat sich der Trainer Steffen Baumgart in seiner bisherigen Zeit beim Effzeh entwickelt? Hat er sich verändert oder ist er immer noch der alte geblieben, der er auch in Paderborn schon war?

Baumgart: Das würde ich beides nicht miteinander vergleichen. Ich glaube, es ist eine stetige Entwicklung. Du lernst als Trainer aus den Situationen heraus und da kann man nicht sagen, dass ich jetzt ein anderer wäre als in Paderborn. Natürlich ist der Verein jetzt größer, aber dort hatte ich auch sehr gute Trainingsbedingungen und ein sehr gutes Trainerteam, mit dem ich zusammengearbeitet habe. Jetzt ist alles noch einmal ein bisschen anders, die Aufgaben im Trainerteam sind anders verteilt. Wie du dann spielst, auch in einzelnen Situationen, hängt immer auch von den Erfahrungen ab, die du als Trainer gemacht hast. Ich hoffe aber, dass ich mich nicht so schnell verändere. Erfahrung sammeln ist das eine, das hat aber nichts mit Veränderung meiner Person zutun.

Ich laufe ja nicht ständig rum und brülle Leute an.
Steffen Baumgart über seine emotionale Art

Sky Sport: Als sie zuhause die Spiele während Ihrer Corona-Quarantäne verfolgen mussten und genau so mitgegangen sind wie an der Seitenlinie im Stadion: Wie nimmt ihre Familie das wahr? Müssen die auch mal schmunzeln oder sind sie vielleicht genau so emotional wie Sie?

Baumgart: Nein, so emotional ist da keiner, aber das sind ja auch nur diese Momente. Es ist ja nicht so, dass ich Zuhause ständig so herumlaufe, sondern es sind dann die Momente bei diesen Spielen. Das gab es so bisher drei Mal, aber die anderen Male sind auch schon wieder lange her. Ich sitze ja nicht bei jedem Spiel und reagiere so. Das hat ja dann auch viel damit zutun, dass mich dieses Spiel dann auch betrifft. Ich stehe ja in diesem Moment in der Verantwortung, kann sie aber nicht wahrnehmen. Meine Familie weiß genau, wie ich bin und so, wie ich dann in diesem Moment war, bin ich ja normalerweise nicht. Ich laufe ja nicht ständig rum und brülle Leute an.

Sky Sport: Nach der Länderspielpause geht es nach Berlin. Ist das Spiel gegen Union eine besondere Partie für Sie? Kamen schon Karten-Anfragen von Freunden und Verwandten rein?

Baumgart: Die meisten Freunde oder Verwandte in Berlin sind Dauerkartenbesitzer, da müssen Sie sich keine Gedanken machen. Ich muss mich nicht darum kümmern. Das Spiel bei Union ist immer ein besonderes Spiel und ein besonderes Stadion. Ich bin da zuhause. Ich habe dort noch eine Wohnung, 500 Meter vom Stadion entfernt. Aber es geht für mich darum, dort zu gewinnen und das ist mir an der Alten Försterei schon öfter gelungen. Darauf wird auch dieses Mal wieder die Konzentration liegen. Dennoch ist uns natürlich klar, wie gut Union ist.

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Sky Sport: Gibt es ein besonderes Ziel, das Sie in ihrer Karriere noch verfolgen? Zum Beispiel unbedingt mal Deutscher Meister zu werden oder im Ausland zu trainieren?

Baumgart: Dieses eine Ziel gibt es nicht, nein. Das Einzige, was ich mir wirklich wünsche, ist einmal am DFB Pokal-Finale in Berlin teilzunehmen. Das möchte ich einmal erreichen, aber ich weiß auch, wie schwer das jedes Jahr ist. Ziele wie die Deutsche Meisterschaft oder die Champions League stecke ich mir nicht. Ich habe immer gesagt: Ich möchte so lange wie möglich als Trainer arbeiten. Ich finde die Arbeit mit Menschen interessant und ich glaube auch, das ist das, was ich am besten kann. Ich möchte gerne so lange wie möglich in diesem Job sein, ohne dabei zu sagen, es muss jetzt unbedingt die Bundesliga oder eine andere Liga sein. Ich weiß, dass mein Weg sehr lang und auch mit der ein oder anderen Hürde verbunden war. Das gehört dazu. Ich bin mit dem, was ich mache, sehr zufrieden und hoffe, dass die schöne Zeit im Fußball einfach weitergeht. Ziele kommen von ganz alleine zustande.

Sky Sport: Gibt es einen Trainer bzw. jemanden, von dem Sie sich gerne viel abgeschaut haben? Sei es jetzt fußballtaktisch oder einfach vom Charakter her. Wer imponiert Ihnen?

Baumgart: Es gab viele Menschen und Trainer, die mich inspiriert haben. Ich bin aber niemand, der etwas so macht, weil ein anderer das genau so gemacht hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das, was heute funktioniert, in einem halben Jahr nicht mehr funktioniert. Deshalb muss man gegenüber vielen Dingen offen sein. Ich habe viel von Leuten herausgezogen, die nicht nur positive Eindrücke abgegeben haben. Die den Menschen oder den Fußballer vielleicht nicht so gut behandelt haben. Die aus meiner Sicht auch nicht gut trainiert haben. Ich habe mir viel mehr Sachen angeschaut, die ich nicht verkörpern möchte. Ich möchte der Trainer sein, den ich gerne selber gehabt hätte.

Das Interview führte Marlon Irlbacher

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