Robert Klauß war bei RB Leipzig Co-Trainer von Julian Nagelsmann. Als Chefcoach des 1. FC Nürnberg trifft er im DFB-Pokal auf seinen ehemaligen Vorgesetzten (Sa., ab 15.15 Uhr LIVE auf Sky Sport 4 HD). Im Interview spricht der 35-Jährige darüber, was er an Nagelsmann schätzt, seinen Matchplan und seine Ziele mit Nürnberg.
Sky Sport: Herr Klauß, am Samstag feiern Sie Ihr Pflichtspieldebüt als Nürnbergs Cheftrainer, und das ausgerechnet gegen den Klub, bei dem Sie so lange und bis vor ein paar Wochen noch gearbeitet haben. Wie angespannt sind Sie?
Robert Klauß: Wir bleiben bis Freitag relativ entspannt, denn wir brauchen auch einen Mix aus einer gewissen Anspannung, guter Laune und auch ganz viel Vorfreude. Am Spieltag selber glaube ich, kribbelt es dann schon.
Sky Sport: In Leipzig waren Sie Co-Trainer von Julian Nagelsmann. Wie knackt man dann Nagelsmannschen Fußball erfolgreich?
Klauß: Eine gute Frage. Es ist natürlich für mich nicht ganz so einfach, weil ich viel von ihm kenne und auch weiß, was eventuell seine Gegenantwort auf meine Pläne sein könnte. Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu sehr um die Ecke denke und schauen, dass ich alles so einfach wie möglich halte und nicht vom Hundertsten ins Tausendste denke, um dann der Mannschaft einen relativ klaren Plan zu geben, was wir machen wollen und welche Dinge wir eher vermeiden sollten.
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Sky Sport: Sind Sie eigentlich froh, wenn dieses Spiel dann am Samstag durch ist, damit Sie nicht andauernd und immer wiederholt über Julian Nagelsmann sprechen müssen?
Klauß: Grundsätzlich ist es ja das erste Mal, dass ich mich in einer solchen Situation befinde. Es gab viele Medienanfragen, aber es hat sich noch in Grenzen gehalten. Es wird wahrscheinlich am Spieltag noch einmal ein Thema sein. Es ist für uns als Verein eine super Möglichkeit, im DFB-Pokal gegen einen Champions-League-Halbfinalisten zu spielen. Für mich ist es etwas Besonderes, im ersten Spiel auch gleich gegen Leipzig zu spielen. Und dadurch, dass ich Julian ja auch als Menschen und nicht nur als Trainer sehr mag, ist das für mich angenehm.
Sky Sport: Haben Sie den Kontakt trotzdem schon runtergefahren, wie Sie es angekündigt hatten?
Klauß: Ich hatte letzte Woche noch Kontakt zu vielen aus dem Trainerteam. Aber ohne, dass wir uns abgesprochen haben, ist es einfach natürlich, dass wir jetzt bis zum Spiel keinen Kontakt mehr haben. Wir vertrauen uns gegenseitig, dass wir nicht irgendwie unsere Drähte anzapfen oder Quellen nutzen, sondern dass einfach jeder seinen eigenen Job macht und wir uns dann am Samstag sehen.
Sky Sport: Sie sind mit Leipzig tief verwurzelt. Als sie dort Jugendtrainer waren, ist die erste Mannschaft gerade in die Regionalliga aufgestiegen. Wie schwer ist Ihnen der Schritt gefallen, dieses Konstrukt zu verlassen? Oder war es für Sie ein notwendiger Schritt?
Klauß: Notwendig würde ich nicht sagen. Das würde ja bedeuten, dass ich mich nicht mehr wohlgefühlt hätte, dass ich wegwollte. Ich wäre auch gerne in Leipzig geblieben, weil ich mich dort sehr wohl gefühlt und die Aufgabe als sehr reizvoll empfunden habe. Leipzig ist ein Stück Heimat geworden, der Verein, die Stadt, alles, was dazugehört. Aber dann kam das Angebot, einen großen Traditionsverein wie den 1. FC Nürnberg zu übernehmen, als Cheftrainer. Das ist einfach so verlockend gewesen, dass ich gesagt habe, das muss ich jetzt machen. Dafür gebe ich das auf, was ich in Leipzig habe. Das hätte ich nicht für viele andere Klubs getan. Aber für diese Aufgabe hier in Nürnberg habe ich das extrem gern getan und nicht überlegt.
Sky Sport: Sie haben auch gesagt, dass Sie Ihre Art, Fußball spielen zu lassen, ähnlich denken wie Ihre "Mentoren" Nagelsmann oder auch Ralf Rangnick. Was ist das Wichtigste an Ihrem Fußball? Und an wem haben Sie sich orientiert?
Klauß: Ich möchte nicht, dass sich meine Mannschaft nur über Ballbesitz, Spiel gegen den Ball oder Umschaltphasen definiert, sondern dass wir in allen Phasen des Spiels aktiv sind und dominieren können. Das ist nicht immer möglich, aber das muss das Ziel sein. Na klar, ich wurde in Leipzig geprägt, Ich habe dort viel erlebt, viele verschiedene Trainer gesehen, viele verschiedene Einflüsse gehabt, auch im Nachwuchs. Zu der Philosophie in Leipzig habe ich für bestimmte Spielphasen auch eigene Ideen entwickelt.
Sky Sport: Das schließt eine spannende Frage an: Was hätten Sie gerne von Julian Nagelsmann, und was können Sie vielleicht besser als er? Sein Kleidungsstil wird ja manchmal so ein bisschen in Frage gestellt, aber die Frage bezieht sich natürlich auf das Sportliche.
Klauß: Wofür ich Julian sehr schätze und ihn auch teilweise bewundere, ist, dass er sehr mutig in seinen Entscheidungen ist, auch in seinem Kleidungsstil sehr mutige Entscheidungen trifft (lacht), aber auch grundsätzlich, was Aufstellungen oder Spielideen angeht, er steht dazu. Das ist eine Eigenschaft, die er definitiv hat. Was kann ich besser? Das kann und will ich auch nicht beurteilen. Ich habe noch kein Spiel im Profibereich gemacht. Es steht mir nicht zu, das beurteilen zu können.
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Sky Sport: An welches Ereignis mit Nagelsmann oder Rangnick erinnern Sie sich am meisten? Wo haben Sie am meisten mitgenommen, am meisten gelernt? Gibt es da einen bestimmten Punkt?
Klauß: Ich würde es an keinem bestimmten Punkt festmachen oder von einem Schlüsselerlebnis sprechen. Es ist eher die Masse an Situationen, die mir schon geholfen hat, mich zurechtzufinden. Mir geht das häufig so, dass ich denke: die Situation hattest du schon mal! Obwohl ich noch nie Cheftrainer war, merke ich aber, dass ich viele Situationen schon mal erlebt habe und genau weiß, was ich machen möchte. Ob das immer richtig ist, kann ich erst zu einem späteren Zeitpunkt beurteilen. Aber ich merke, dass ich durch meine Arbeit als Co-Trainer unter zwei sehr guten Trainern viele Dinge schon erlebt habe.
Sky Sport: Sie waren Abschlussbester beim Fußball-Lehrer 2018. Sie haben dazu mal gesagt, dass diese Auszeichnung Sie wahrscheinlich Ihre ganze Karriere begleiten wird und dass Sie nicht so ganz glücklich waren, dass es diesen Titel überhaupt gibt. Ist es Ihnen unangenehm, im Mittelpunkt zu stehen?
Klauß: Wenn einem das unangenehm wäre, dann hätte man wahrscheinlich den falschen Job. Wenn man Cheftrainer ist oder im Profibereich arbeitet, steht man automatisch häufiger mal im Mittelpunkt. Ich brauche es aber nicht. Das ist, glaube ich, ein feiner Unterschied. Wichtig war mir bei der Aussage, dass wir im Fußball-Lehrer-Lehrgang als ganze Gruppe unseren Job gemacht haben. Genauso ist es auch hier in Nürnberg. So war es in Leipzig. Wir haben uns immer als Mannschaft präsentiert und auch definiert.
Sky Sport: Der 1. FC Nürnberg hat eine lange Tradition, aber in der Vergangenheit mit wenig Kontinuität auf dem Trainerposten. Wie wollen Sie das ändern?
Klauß: Einfach mit guter Arbeit. Da kann man sich vorher viel vornehmen und viel darüber reden, was man will. Im Endeffekt zählt nur, dass man jeden Tag seinen Job gut macht. Wir können als Mannschaft, als Trainerteam, auch als Verein das beeinflussen, was aktuell gerade passiert. Das heißt das heutige Training, die Vorbereitung auf Leipzig. Und wenn man das jeden Tag gut machen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg. Und wenn wir Erfolge haben, dann werden wir langfristig etwas etablieren können. Wir haben als Verein, als Mannschaft viel Misserfolg gehabt, viel Negatives erlebt. Und jetzt ist wichtig, dass wir nicht träumen, dass wir nicht zu weit zurückschauen, nicht zu weit nach vorne, sondern in dem Moment, wo wir jetzt gerade sind, unser Bestmögliches jeden Tag rausholen.
Das Interview führten Christian Akber-Sade und Thorsten Mesch