Der Hamburger SV und Werder Bremen kämpfen um den Aufstieg in die Bundesliga. Vor dem direkten Duell (ab 13:00 Uhr live und exklusiv auf Sky Sport Bundesliga 2) nimmt Sky Reporter Sven Töllner die beiden Trainer unter die Lupe - Tim Walter und Ole Werner.
Drei Wochen lang war die Elektrizität überdeutlich spürbar. Der groteske Humor der Spielansetzungs-Arithmetik hatte im Jahre 2009 bekanntermaßen dazu geführt, dass die außergewöhnliche sportliche Rivalität zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV auf die Spitze getrieben wurde.
Vier Spiele in drei Wettbewerben innerhalb von 19 Tagen. Die Papierkugel als Nukleus einer sportlich äußerst nervenzehrenden Erfahrung für alle HSV-Fans und alles in allem der spektakulär unterhaltsame Kurz-Abriss einer traditionsgetränkten Fußball-Fehde - an den sich die Fans sehr präzise erinnern.
"Wir haben häufig im Trainerzimmer zusammengesessen"
Und natürlich werden auch die aktuellen Trainer der beiden Teams mit der Mini-Serie konfrontiert, die mittlerweile knapp 13 Jahre her ist. Weder Tim Walter noch Ole Werner hatten seinerzeit in ihrem Lebensplan stehen, dereinst selbst zu einem Teil dieser besonderen Geschichte zu werden.
Das hoffnungsfrohe Talent Ole Werner hatte 2009 gerade seine Spielerkarriere beim Oberligisten TSV Kropp beenden müssen, weil der Körper nicht mehr mitspielte und sich für einen Ein-Jahres-Trip als Gärtner in Australien entschieden, Tim Walter stand bei der U15 des Karlsruher SC an der Seitenlinie. Neun Jahre später führte der Lauf der Fußballwelt die beiden Trainer dann unter dasselbe Dach.
Tim Walter übernahm als Chefcoach die Profis von Holstein Kiel und setzte in der 2. Bundesliga seine ersten Profi-Fußstapfen, während Ole Werner die zweite Mannschaft der KSV in die Regionalliga führte. "Wir haben häufig im Trainerzimmer zusammengesessen", berichtet Walter, der bei all seinen Stationen stets einen geschliffenen Blick auf den Unterbau wirft.
Walter und Werner: zwei äußerst unterschiedliche Charaktere
An "ein sehr gutes Verhältnis" erinnert sich Ole Werner. Glaubhaft vermittelter gegenseitiger Respekt zweier äußerst unterschiedlicher Charaktere. Der impulsive Walter, lautstarker Einpeitscher in der Coaching Zone, der sein Selbstbewusstsein als Stilmittel einsetzt, auch rhetorisch immer offensiv denkt und das mit badischem Akzent auch gut verständlich zu vermitteln weiß.
Auf der anderen Seite der aufgeräumte Holsteiner Werner, engagiert an der Seitenlinie, dabei aber selten aufbrausend. Sehr konzentriert bei seinen öffentlichen Analysen, norddeutsch stoische Sprachmelodie. Zwei Menschen, die aus unterschiedlichem Holz geschnitzt sind - zwei Trainer, die unterschiedliche Ansätze in der Spielanlage bevorzugen, dabei aber dasselbe Ziel verfolgen: Attraktiven Offensiv-Fußball. Nicht zu verlieren ist niemals die Leitlinie. Diese Typen wollen immer gewinnen - gegen jeden Gegner.
Beide Nordklubs gut in Form
Der Zeitpunkt, an dem Walter und Werner aufeinandertreffen, könnte nicht günstiger sein. Die HSV-Profis haben die anspruchsvollen Stilvorgaben ihres Choreographen mittlerweile sehr stabil verinnerlicht, betrachten das konsequente Konzept nicht mehr als Risikoanlage, sondern als Spaß-Mandat, in dem es keine Wasserträger gibt, sondern elf Spieler, die ihre Kreativität zum Wohle des Gesamterfolges einbringen dürfen. Müssen!
Ole Werner hat in Bremen eine Mannschaft übernommen, die sich zu Beginn der Saison finden musste, während sie permanent verändert wurde. Ein sehr komplizierter Prozess, den Markus Anfang mit viel Akribie zu einem potenziellen Erfolgsmodell zurechtgeschustert hatte, bevor er sich mit der Impfpass-Affäre selbst ins Straucheln brachte und gehen musste.
Ein paar Anpassungen, klare Ansprache - sieben Siege in Folge: Der Werner-Start an der Weser war wundersam. Die Entwicklungen an beiden norddeutschen Standorten haben dazu geführt, dass die ewigen Nordrivalen sich vor Beginn des 24. Spieltages auf die Tabellenplätze 1 (Werder) und 2 (HSV) manövriert hatten. Dass der Hamburger Senat es nach zähem Gezerre schließlich doch für gangbar befunden hat, zumindest 25.000 Zuschauer (davon 1400 aus Bremen) ins Volksparkstadion zu lassen, ist ein weiteres Steinchen für ein farbenfrohes Fußball-Mosaik aus Derby-Prestige, Tabellenkonstellation und Stimmung auf den Rängen.
Zwei unterschiedliche Typen
Beide Trainer werden ihre Teams mit dem Auftrag ins Geschehen schicken, sich die Spielkontrolle zu erarbeiten, in die Dominanz zu finden. Krachende Zweikämpfe und erhitzte Gemüter sind zu erwarten. Beim Derby ist immer Dampf auf dem Kessel - natürlich auch zwischen den Anhängern.
Schmähgesänge - nicht immer auf dem höchstmöglichen Niveau - gehören zum Programm. Gewaltbereitschaft und Niedertracht hingegen nicht. Niemals und in diesen Tagen weniger denn je. Sportliche Schadenfreude ist verlässlicher Bestandteil der Nordduell-Folklore - die Grenzen zur Respektlosigkeit sind dabei manchmal fließend. Den Kompass für die Leitplanken des angemessenen Gegeneinanders auszutarieren, ist vor allem im Gruppendynamik-Modus eine anspruchsvolle Aufgabenstellung.
Vielleicht hilft den rivalisierenden Anhängern der Blick auf die beiden Trainer. Zwei unterschiedliche Typen, die vor allem heute komplett gegenläufige Ziele verfolgen - und einander trotzdem respektieren und schätzen.
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