Joao Felix galt für viele als Jahrhunderttalent, Vergleiche mit Cristiano Ronaldo schwirrten vielfach durch die Gazetten. Nun, vier Jahre später, ist Felix 23 Jahre alt und aus dem Talent könnte ein ewiges Talent werden. Bei Atletico gibt es nur noch Ärger um ihn.
Als Joao Felix 2019 von Benfica zu Atletico Madrid wechselte, sollte er gewissen Antoine Griezmann vergessen machen, der sich im selben Jahr dem FC Barcelona anschloss. Zwei Jahre später wurde Griezmann zurückgeholt, wieder verliehen und zum 1. Juli dieses Jahres kamen nun beide, Felix und Griezmann, von ihren jeweiligen Leih-Intermezzos zurück. Prompt musste Joao Felix seine angestammte Rückennummer 7 an Griezmann abtreten. Ein Affront mit Signalwirkung, der Ersatz ist krachend gescheitert. In der spanischen Hauptstadt sorgt das einstige Wunderkind nur noch abseits des Platzes für Aufsehen.
"Ich würde mich gerne Barca anschließen"
Der zwischenzeitliche Höhepunkt der Auseinandersetzung glich einem Fluchtversuch. "Barcelona war schon immer meine erste Wahl und ich würde mich gerne Barca anschließen", erklärte Felix jüngst in einem Gespräch mit dem Transfer-Experten Fabrizio Romano. "Es war schon immer mein Traum, seit ich ein Kind war." Offen kokettiert Felix mit einem Wechsel, noch dazu zu einem der ärgsten Konkurrenten. Atletico selbst empfand die Aussagen einem Bericht der spanischen Sportplattform "Relevo" zufolge als sehr respektlos und unprofessionell. Das Tischtuch scheint längst zerschnitten.
In der vergangenen Woche trainierte der 23-Jährige nicht einmal mehr mit den Profis, stattdessen wurde er in die Jugendmannschaft degradiert. Einen Tag darauf wurde Felix entrüstet beim Training gesichtet, nachdem er der Marca zufolge ein angespanntes Gespräch mit Atletico-Sportdirektor Andrea Berta hatte. Der Spieler sei demnach unzufrieden mit der Rolle, die ihm Trainer Diego Simeone im Training zugewiesen hatte.
Ein Verhältnis, das ohnehin nie von Erfolg geprägt war. "Aus Gründen, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte, ist die Beziehung zwischen Simeone und ihm nicht gut - und seine Motivation nicht die beste", so Atletico-Boss Miguel Angel Gil Marin im Dezember vergangenen Jahres. Wenig später wurde Felix verliehen. Er kam einst als Hoffnungsträger.
Teuerster Transfer der Klubgeschichte
Für eine Rekordsumme von 127,2 Millionen Euro wechselte Felix 2019 von Benfica zu den Colchoneros. Der teuerste Transfer der Klubgeschichte, der fünftteuerste im Fußball überhaupt. Das erschien einigen ziemlich viel. Denn die Rechtfertigung für diese Summe bezog sich auf einen Arbeitsnachweis von gerade einmal sechs Monaten. Bis dahin war sein Werdegang alles andere als gradlinig.
Nachdem Felix in der Jugend des FC Porto noch das Reus'sche Schicksal erlitten hatte und als zu klein und dünn aussortiert wurde, kam er über Umwege zum Lokalrivalen Benfica, wo er nach eigenen Angaben "den Spaß am Fußball wiedergefunden" hat. Dort entwickelte er sich sukzessive weiter, schaffte es aber erst unter Trainer Bruno Lage, der im Januar 2019 das Trainer-Amt in Lissabon übernahm, sich in der ersten Mannschaft festzuspielen.
Im Alleingang die Eintracht besiegt
In der Saison 2018/19 brachte er es schließlich auf 15 Tore und neun Vorlagen in 26 Liga-Spielen, in der Europa League machte sich Felix einem größeren Publikum bekannt. Im Viertelfinal-Hinspiel gegen Eintracht Frankfurt blitzte gleich dreimal das Zahnspangen-umsäumte Lächeln von Felix auf.
Das Babyface mit der Physiognomie eines schmächtigen Präpubertierenden und der Beatles-Frisur schoss die SGE quasi im Alleingang aus dem Wettbewerb und sich selbst auf den Einkaufszettel der europäischen Vereins-Hautevolee. "Der portugiesische Fußball kann stolz sein, wieder solch ein Jahrhunderttalent zu haben, adelte der damalige Eintracht-Coach Adi Hütter den späteren "Golden-Boy"-Gewinner von 2019. "Er ist torgefährlich, unglaublich abgeklärt und spielintelligent."
Joao Felix - das größte Risiko der Vereinsgeschichte
Es folgte der Transfer, den Atletico-CEO Miguel Angel Gil Marin als "das größte Risiko, das dieser Verein in seiner Geschichte eingegangen ist" bezeichnete. Antoine Griezmann war eben für 130 Millionen Euro zum FC Barcelona gewechselt, da wechselte Felix nach Madrid - und scheiterte. Die Jobbeschreibung als Griezmann-Nachfolger gepaart mit dem Druck des Rekordtransfers und der in Ansätzen fußballfeindlichen Spielphilosophie von Übungsleiter Diego Simeone ergaben in der Summe sowohl eine Erwartungshaltung als auch Arbeitsumgebung, die Felix schlussendlich die Leichtigkeit nahmen.
Simeone ist gemeinhin bekannt dafür, einen Fußball spielen zu lassen, der nicht nur dem Gegner, sondern auch dem Zuschauer die Lust an dem Sport nehmen kann. Und Joao Felix anscheinend auch. Simeone setzt auf defensive Kompaktheit und beordert dafür auch die Offensivspieler nach hinten. Eine 5-5-0-Formation gehört zum Standard-Repertoire. Eiserne Disziplin, enorme Laufbereitschaft, aggressives Zweikampfverhalten, gerne auch destruktiv und am Rande des Erlaubten. Eine Herangehensweise, die Jürgen Klopp ratlos hinterließ: "Die Art, wie sie spielen - ich kapiere es nicht, aber so ist das Leben", befand Klopp nach einer Niederlage der Reds gegen Atletico im Jahr 2020. "Ich verstehe einfach nicht, dass sie mit der Qualität, die sie haben, diesen Fußball spielen."
Vom Regen in die Traufe
Dass auch Joao Felix diese Qualität hat, ist unbestritten. Überwiegend als falsche Neun eingesetzt glitt Felix bei Benfica geradezu über den Platz. Ein fußballerischer Freigeist, der sich kaum vom Ball trennen ließ. Beidfüßig, schneller Antritt, bestechende Übersicht, unnachgiebig im Eins-gegen-Eins. Bereits mit dem ersten Kontakt ließ er Gegner ins Leere laufen. Vor allem aber war es eine unwiderstehliche, ansteckende Spielfreude, mit der Felix in seinen besten Zeiten über das Grün wirbelte. Wenn man ihn nur lässt. In Madrid ließ man ihn Zeit seiner Karriere kaum, auch deswegen schloss er sich im vergangenen Winter Chelsea an.
Elf Millionen Euro Leihgebühr überwiesen die Blues an die Rojiblancos - für gerade einmal ein halbes Jahr: Teuerster Leih-Deal in der Historie. Auch in London konnte Felix sein Potential nicht einlösen, symptomatisch war sein Debüt, bei dem er mit Glatt-Rot des Platzes verwiesen wurde. Letztlich reihte auch er sich ein in die Liste der Transfers des kaufwütigen Chelsea-Besitzers Todd Boehly, die in einer desaströsen Saison allesamt nicht die erwünschte Leistung erbracht haben. Neu-Trainer Mauricio Pochettino machte nach Sky Informationen früh klar, ohne Felix zu planen. Es folgte die Rückkehr nach Madrid.
Sinan Kurt oder Martin Ödegaard?
An dem Beispiel Joao Felix zeigt sich die oft so bittere und gnadenlose Realität des Weltfußballs: Sobald junge Spieler auf höchster Ebene Leistung erbringen, stehen europäische Spitzenklubs Schlange, um ihnen ein Angebot zu unterbreiten. Und für einen jeden jungen Spieler stellt sich dann die häufig schon karrieentscheidende Frage: Wage ich den nächsten großen Schritt oder sammel ich auf kleinerer Ebene weiter Spielpraxis? Nur die wenigste entscheiden sich gegen das verlockende Glitzern der Spitzenklasse, die Fallhöhe nehmen sie billigend in Kauf. Und wer kann es ihnen verübeln?
In einem Alter, in dem viele noch nicht einmal Auto fahren dürfen, entscheidet sich über Wohl und Wehe des weiteren Karriereverlaufs. Es gibt Spieler wie Sinan Kurt die in der Versenkung verschwinden, nachdem sie sich bei einem großen Klub nicht haben durchsetzen können. Es gibt aber auch Spieler, die ihr Durchsetzungsvermögen auf zweitem Bildungsweg unter Beweis stellen, wie etwa Martin Ödegaard. Und es gibt (Ausnahme)Spieler, die auf Anhieb den Durchbruch schaffen, es gibt Erling Haaland.
Wohin zieht es Felix?
Für Joao Felix stehen die Zeichen auf Abschied. Benfica-Präsident Rui Costa träumt von einer Rückkehr von Felix, er selbst träumt von Barcelona. Auch Paris Saint-Germain wird mit einer Verpflichtung des portugiesischen Nationalspielers in Verbindung gebracht, durch den neuen Trainer und früheren Barca-Coach Luis Enrique würde in Paris zumindest ein Hauch von Katalonien wehen.
Wie auch immer sein nächster Schritt aussieht, er wird entscheidend für den weiteren Verlauf seiner Karriere sein. Mit 23 Jahren befindet man sich im schnelllebigen Fußball an der Schwelle vom Talent zum ewigen Talent. Aber wie Felix' Zeit in Lissabon gezeigt hat: Es reicht ein halbes Jahr, um an der Weltklasse zu kratzen.
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