Seit rund einer Woche schwingt Niko Kovac das Trainer-Zepter beim FC Bayern München. Bereits jetzt kristallisiert sich eine Hauptaufgabe für den Kroaten heraus - das Lösen des Mittelfeld-Puzzles. Denn: In der Zentrale herrscht beim deutschen Rekordmeister ein Überangebot. Einer der Protagonisten: Rückkehrer Renato Sanches.
Kurzer Rückblick: Renato Sanches spielt eine überragende Europameisterschaft in Frankreich, wird als bester Nachwuchsspieler Europas ausgezeichnet. Der FC Bayern hat aber vorgesorgt und den Portugiesen bereits vor dem großen Hype um seine Person verpflichtet - für stolze 35 Millionen Euro.
Das alles war allerdings im Jahr 2016. Damals war Sanches 18 Jahre jung. Der zentrale Mittelfeldspieler tat sich in seiner ersten Saison schwer, konnte sich gegen die starke Konkurrenz nicht durchsetzen - das Haifischbecken FC Bayern kam offenbar zu früh. Die Folge: Er wurde nach einer Spielzeit an Swansea City verliehen. Aber auch dort konnte Sanches nicht überzeugen.
Kovac schwört auf Wohlfühlfaktor
Nun ist der Portugiese wieder zurück in der bayerischen Landeshauptstadt. Und sein neuer Trainer Kovac hat einiges mit dem erst 20-Jährigen vor.
"Ich werde versuchen, es zu schaffen, dass er sich hier wohlfühlt. Wenn sich jemand wohlfühlt, ist es sehr viel leichter, Leistung zu bringen", sagt Kovac bei seiner Antritts-Pressekonferenz. Gleichzeitig findet er aufbauende Worte für seinen neuen Schützling. "Dass er Qualitäten hat, steht außer Frage, die hat er schon gezeigt, deshalb hat ihn der FC Bayern verpflichtet. Ich freue mich auf ihn."
Thiago und Vidal - die Wackelkandidaten
Die Konkurrenz-Situation hat sich für Sanches gegenüber 2016 allerdings wenig verändert. Es gibt weiterhin ein Überangebot im bayrischen Mittelfeld. Sportdirektor Hasan Salihamidzic will und muss reagieren. Es sei "die Pflicht des Vereins, dem Trainer einen Kader zur Verfügung zu stellen, in dem keine Unzufriedenheiten vorprogrammiert sind", sagte Salihamidzic in der Süddeutschen Zeitung, "und wir haben - Stand jetzt - neun mehr oder weniger zentrale Mittelfeldspieler für wahrscheinlich nur drei Positionen."
Möglicherweise reduziert sich diese Anzahl jedoch noch. Besonders Thiago gilt als "Wackelkandidat". Der Spanier wurde in der jüngsten Vergangenheit immer wieder mit anderen Vereinen in Verbindung gebracht. Sein Ex-Klub FC Barcelona, Champions-League-Sieger Real Madrid und Manchester City kursierten als mögliche Abnehmer durch die Medien.
Ein weiterer Kandidat, der den FC Bayern noch in diesem Transferfenster verlassen könnte, ist Arturo Vidal. Der Vertrag des Chilenen läuft nur noch ein Jahr, weshalb der deutsche Rekordmeister nur noch in diesem Sommer richtig Geld mit einem Verkauf einnehmen könnte. Bei Vidal erscheint die Situation jedoch etwas anders als bei Thiago. Das hängt mit seiner Spielweise und seinem Spielertyp zusammen. Denn Kovac ist bekannt dafür, "Krieger" auf dem Platz haben zu wollen, die sich 90 Minuten lang völlig verausgaben und auch einmal dazwischenhauen können. Genau so einer ist Vidal.
Bei beiden Spielern ist der Ausgang völlig offen, was auch ein Statement von Sportdirektor Hasan Salihamidzic unterstreicht. "Der Transfermarkt geht bis zum 31. August. Wir werden das intern besprechen, dann werdet ihr es erfahren."
Rudy und Martinez - die Allrounder
Ihren Kaderplatz sicher haben wohl Sebastian Rudy und Javi Martinez, die beide - wie es neu-deutsch heißt - als polyvalente Spieler gelten. Der deutsche Nationalspieler kann neben der Sechs durchaus auch als rechter Verteidiger aufgeboten werden und den Back-Up von Joshua Kimmich geben. Zudem überzeugt Rudy, ähnlich wie Vidal, mit Abräumer-Qualitäten und großer Einsatzbereitschaft.
Dies trifft auch auf Javi Martinez zu. Der großgewachsene Spanier hat in der Vergangenheit mehrfach unter Beweis gestellt, auch in der Innenverteidigung starke Leistungen zu bringen. Somit kann der 29-Jährige nicht nur im Mittelfeld spielen, sondern auch eine Reihe weiter hinten. Besonders für das von Kovac bei Frankfurt häufig praktizierte 3-5-2-System ist Martinez prädestiniert, den zentralen Part in der Dreierkette zu übernehmen. Dort könnte er mit seiner Übersicht, Spielintelligenz, Technik und Zweikampfstärke eine wichtige Rolle einnehmen.
Goretzka und Tolisso - die Tempo-Garanten
Einer, der ebenfalls mit spielerischer Klasse überzeugen kann, ist Leon Goretzka. Der Neu-Münchner bringt neben Technik auch hohes Tempo mit und garniert dies mit Tordrang. In seiner letzten Saison auf Schalke erzielte Goretzka trotz zahlreicher Verletzungspausen vier Treffer und legte ebenso viele auf. Zudem kann der 23-jährige Nationalspieler sowohl den defensiveren als auch den offensiveren Part im Mittelfeldzentrum ausüben, weshalb er vielversprechende Aussichten auf zahlreiche Einsätze in der kommenden Saison besitzt.
Ein ähnlicher Spielertyp ist Corentin Tolisso. Der bisherige Rekordeinkauf des FC Bayern hat eine solide erste Saison in Deutschland hinter sich. Wettbewerbsübergreifend absolvierte der Franzose 40 Spiele und stellte dabei seine Torgefahr mit zehn Treffern und sieben Assists unter Beweis. Klar hat Tolisso noch Potential nach oben, kann sich aber mit erst 23 Jahren noch deutlich steigern und weiterentwickeln.
Dies gilt auch für den bereits angesprochenen Sanches. "Ich wünsche mir, dass er den Kampf annimmt, er so motiviert ist, dass er von der ersten Minute an Gas gibt. Dann bin ich überzeugt, dass er die Leistung bringen kann, die wir von ihm erwarten und die auch er von sich erwartet", blickt Kovac voraus. Dann wird es auch mit Einsätzen für den jungen Portugiesen klappen - trotz der großen Konkurrenz.
Bleiben Boateng und Bernat?
In der Defensive wollen die Bayern erst reagieren, wenn es Angebote für die Spieler gibt. So auch im Fall Jérôme Boateng. "Stand heute ist, dass wir mit Jérôme in die Saison gehen", sagte Salihamidzic, "aber Jérôme hat bekanntlich bestimmte Vorstellungen geäußert, und sollte es ein seriöses Angebot für ihn geben, werden wir uns das anhören."
Auf der linken Seite zählt Juan Bernat nicht zu den Stammkräften. Auch um den Spanier halten sich Wechselgerüchte: "Ich lese auch, dass es Interessenten geben soll", sagte der Sportdirektor, "und eines ist ja klar: Juan hat sich in vier Jahren bei uns nicht richtig durchsetzen können. Ich denke, dass er das auch so wahrnimmt, und es wird in diesem Jahr nicht leichter für ihn."