Bundesliga || Hau das Ding raus - die Kolumne von Sky Reporter Sven Töllner || Diesmal zum Fall Vuskovic

Fünf Milliliter Hoffnung

Von Sven Töllner

Image: Sven Töllner schreibt in seiner Kolumne über die aktuellen Themen in der Welt des Fußballs.

Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne "HAU DAS DING RAUS" auf die aktuellen Ereignisse im Fußball. Diesmal dreht sich alles rund um den Fall Mario Vuskovic.

Die Karriere eines 21-jährigen Fußballprofis mit herausragender Erfolgs-Prognose hängt an absurden Parametern. Fünf Milliliter Urin zu viel - oder zu wenig. Ein paar Grad mehr als erlaubt während der Lagerung im Privat-Kühlschrank des Kontrolleurs?

Eine mögliche Kühlkettenunterbrechung beim Transport der heißen Ware, die im Ergebnis dazu führte, dass Mario Vuskovic seinen Beruf seit dem 9. November des vergangenen Jahres nicht mehr ausüben darf. Nach zwei Verhandlungstagen vor dem DFB-Sportgericht ist nur klar, dass in der Doping-Affäre um den HSV-Profi gar nichts klar ist. Keine Seite wird irgendetwas unversucht lassen, um Belege für ihre Sicht der Dinge zu finden: Denn entweder steht der kroatische Abwehrspieler vor den Trümmern seiner Träume - oder das Anti-Doping-System in Deutschland droht in seinen Grundfesten erschüttert zu werden.

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Vuskovic-Probe lässt selbst Experten streiten

Wenn Vuskovic gedopt hat, muss er bestraft werden. Darüber gibt es keine abweichenden Ansichten. Über die Belastbarkeit der Auswertungsergebnisse hingegen schon. Die Einschätzungen der renommierten Experten könnten nicht weiter auseinander liegen. Der Laie staunt, der HSV brodelt und Vuskovic, der beharrlich seine Unschuld beteuert, war auf der Anklagebank überdeutlich anzumerken, mit welchem Ausmaß an Verzweiflung der junge Mann sich seit Anfang November jeden Tag herumschlägt. Weil er lügt und zunehmend mehr Mühe hat, die Fassade aufrechtzuerhalten? Oder weil er wirklich ein absolut reines Gewissen hat und tatenlos ertragen muss, wie ein Krimineller behandelt zu werden? Für letzteres spricht nicht gerade wenig.

Nehmen wir also an, Vuskovic hat sich korrekt verhalten. Ein Spieler, der für die 2. Liga erkennbar überqualifiziert ist und weiß, dass er bei gleichbeliebenden Leistungen in absehbarer Zeit die Wahl hat, welches der vielen lukrativen Angebote er annehmen möchte, die sich bei seiner Berater-Agentur stapeln werden. Oder gestapelt hätten. Wird er rechtskräftig verurteilt, drohen ihm vier Jahre Sperre und womöglich auch zivilrechtliche Konsequenzen. Warum sollte ein Top-Athlet in seinen frühen Zwanzigern ein solches Risiko eingehen? Schlecht beraten? Übertölpelt? Denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich. Vuskovic macht in Interviews einen reflektierten Eindruck und wird von seinen Kollegen als aufgeräumter Typ mit wachem Geist wahrgenommen. Seine ohnehin schon herausragenden Leistungen illegal zu steigern, wäre dumm. Oder dreist. Oder beides.

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HSV hält weiter zu Vuskovic

Bleiben wir also bei dem Gedanken, dass wir einem wahrhaftigen Gerichts-Thriller beiwohnen, in dem ein Unschuldiger fassungslos über sich ergehen lassen muss, dass sein berufliches und persönliches Schicksal in Urinproben schwimmt, die selbst höchstkarätige Experten nicht zweifelsfrei interpretieren können. An dem Punkt wird die Angelegenheit zu einer menschlichen Tragödie. Schon klar: Vorsicht mit solchen Begriffen - angesichts des Leids in so vielen Ecken der Welt. Ein hochtalentierter Sportler hat sich mit harter Arbeit eine Lebens-Perspektive geschaffen, die es ihm mutmaßlich ermöglicht, weitere 15 Jahre lang das zu tun, was ihm seit 15 Jahren am meisten Spaß macht. Und damit viel Geld zu verdienen - für seine Familie und für sich. Den Schmerz, den er fühlen muss, kleinzureden, wäre ignorant. Niemand erträgt es ungerührt, zu Unrecht beschuldigt zu werden.

Die Vereinsverantwortlichen betonen derweil öffentlich unaufhörlich, dass sie an der Seite ihres Spielers stehen - weil sie ihm glauben, dass er sich keiner Schuld bewusst ist. Und natürlich hängen für den Klub erhebliche wirtschaftliche Folgeerscheinungen am Ausgang des Verfahrens. Der aktuelle Marktwert des Spielers steht (noch!) bei fünf Millionen Euro, sein Vertrag läuft bis 2025. Im kommenden Sommer einen zweistelligen Millionen-Betrag für einen Transfer einzunehmen, wäre sicher keine unrealistische Einschätzung der Kaderplaner im Volkspark gewesen. Auf dem angestrebten Weg zurück in die Bundesliga wäre der U21-Nationalspieler überdies ein immens wichtiger Faktor. Dass Vuskovic in dieser Saison noch auf dem Spielfeld eingreifen kann, erscheint aber selbst im Falle eines Freispruchs außerordentlich unwahrscheinlich. Der nächste Verhandlungstag ist für den 10. März angesetzt. Kaum anzunehmen, dass er nach vier Monaten ohne Spielpraxis in den dann noch verbleibenden zehn Liga-Spielen eine sportliche Hilfe sein könnte.

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Wer hat Schuld? Es droht die Systemfrage

Und wie geht es weiter, falls Vuskovic verurteilt wird? Der HSV würde wohl alle zur Verfügung stehenden Instanzen bemühen - bis zum internationalen Sportgerichtshof in Lausanne (CAS). Dass die Verantwortlichen ihren eigenen Spieler im Falle einer letztgültigen Verurteilung in Regress nehmen würden, ist nahezu ausgeschlossen. Nachforderungen der Klubs, die gegen einen verurteilten Dopingsünder antreten mussten, sind nicht zu erwarten. Bislang ist einigen Betroffenen unklar, ab wann die zweiwöchige Einspruchsfrist gelten würde. Ab dem Tag des Erstbefundes? Ab der Öffnung der B-Probe? Ab dem Tag des Urteils? Dem HSV ein wissentliches Fehlverhalten nachzuweisen, ist ebenfalls nicht möglich. Der DFB hält das Datum, an dem die Hamburger den Verband über den positiven Befund informiert haben, dem Vernehmen nach unter Verschluss. Systematisches Doping wird überdies erst dann zum Delikt, wenn drei Fälle gleichzeitig auftreten. Es werden aber immer nur zwei Spieler getestet.

Sollte am Ende tatsächlich unter dem Strich stehen, dass die NADA unsauber gearbeitet hat, ist es wohl wahrscheinlich, dass die Systemfrage gestellt wird. Die Affäre hat schon jetzt ein solches Ausmaß angenommen, dass eine mögliche Einzelfall-Theorie wohl kaum Bestand vor dem zu erwartenden öffentlichen Unverständnis haben würde.

Es braucht zeitnah Klarheit und Transparenz

Die juristische Auseinandersetzung wird alles in allem immer verwirrender. Den meisten Beteiligten (inklusive des Vorsitzenden Richters) und Beobachtern bleibt nichts anderes übrig, als den Einschätzungen der Fachkräfte zu vertrauen. Deren jüngste Bewertungen machen den Sachverhalt von außen betrachtet allerdings noch unübersichtlicher - ein Gestrüpp wie im schlimmsten Bürokratie-Dschungel.

Reinhard Mey verzweifelte 1977 bekanntlich am "Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars - zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftsexemplars". Im Sinne des Sports und im Sinne der Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen, die öffentliches Interesse heraufbeschwören, ist zu hoffen, dass NADA, DFB, der HSV und Vuskovic schnell für Klarheit sorgen. Und zwar möglichst transparent!

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