Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne "HAU DAS DING RAUS" auf die aktuellen Ereignisse im Fußball. In der neusten Ausgabe schaut Töllner auf die Relegation zwischen dem VfB Stuttgart und dem Hamburger SV und spricht über Spott und Häme rund um den Volkspark.
Aus epischen Niederlagen ist in der Fußball-Geschichte nicht nur einmal der Nährboden für große Triumphe entstanden. Der Doppel-Gong beispielsweise, den die Bayern 1999 in der Nachspielzeit gegen Manchester United ertragen mussten - womöglich die Geburtsstunde der Mannschaft, die zwei Jahre später dann doch den Champions-League-Titel nach München holen sollte.
Aber wie ist das eigentlich mit Pflichtsiegen, die sich bei Licht betrachtet als getarnte Pleite herausstellen, weil andernorts 101 Minuten gespielt werden statt der im Regelwerk verabredeten 90? Zumal erschwerend hinzukommt, dass die Netzprobleme im Großraum Sandhausen nach dem 1:0-Erfolg ja für verfrühte Euphorie bei einigen Hamburger Protagonisten und vielen mitgereisten Anhängern geführt hatten.
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Ob aus einem atmosphärischen Jauche-Regen dieses Ausmaßes tatsächlich eine duftende Aufstiegsblüte gedeihen kann? Der HSV hat sich dieses Mal jedenfalls schon vor Beginn der Hoffnungsrunde in emotionale Grenzbereiche manövriert. Und ein Blick in die Relegations-Historie der Rothosen lässt die Prognose zu, dass weitere spektakuläre Sahnehäubchen keineswegs auszuschließen sind.
Spott und Häme über dem Volkspark
Tim Walter und sein Team - im 7. Himmel und nur wenige Übermittlungsfehler später mit dem direkten Durchmarsch in die Stimmungshölle. Das Ausmaß an Spott und Häme, das seither aus allen Himmelsrichtungen über dem Volkspark niederprasselt, ist beachtlich. Und irgendwie auch ein wenig irritierend angesichts der brutal enttäuschten Fans - am Boden zerstört, nachdem die Heidenheimer auf dem Kleindienst-Weg doch noch den Fahrstuhl nach oben erwischt hatten.
Muss man da noch draufspucken? Unbedingt, finden nicht gerade wenige Fußball-Interessierte und genießen das Hamburger Leid. Woher diese unbändige Freude am Scheitern des Ex-Dinos kommt, ist schwer zu benennen. Gewiss - beim Europapokal-Sieger von 1983 machen sie keinen Hehl daraus, dass der Erstliga-Anspruch auch im fünften Zweitligajahr unvermindert präsent ist. Grund genug, bei jedem HSV-Rückschlag die Korken knallen zu lassen? Offenbar schon.
Denkbar aber auch, dass man bei der Ursachenforschung in der Historie fündig wird - zum Beispiel in der Relegation. Beim Premieren-Auftritt der Hamburger am Ende der Saison 13/14- damals ja noch als Erstligist - kamen jedenfalls einige glückliche Umstände zusammen. Mit 27 Punkten und fünf Endspurt-Pleiten hatten sich die Hamburger ächzend und stöhnend auf Rang 16 gewuchtet.
HSV einst Relegations-Spezialist
Dem 0:0 im Hinspiel gegen Greuther Fürth folgte ein 1:1 im Rückspiel, das nicht zuletzt deshalb zustande gekommen war, weil sich Illir Azemi den Ball in der 88. Minute gegen den eigenen Fuß schoss - übrigens nach Vorarbeit des eingewechselten Niclas Füllkrug. Ein Jahr später hatte der dahinsiechende Klub sich auf 34 Zähler verbessert, musste aber erneut auf der Rasierklinge durch die Relegation tanzen.
Ein angebliches Handspiel vom damaligen KSC-Profi Jonas Meffert, Marcelo Diaz - tomorrow, my friend. Die Rettung in letzter Sekunde, die selbst manche HSV-Sympathisanten als ungerecht empfanden. Haben die Hamburger damals das Spielglück also derart überstrapaziert, dass es seither als wünschenswerter Erfolgsfaktor ausfällt - bis in alle Ewigkeit?
Das aktuelle Psycho-Barometer schlägt gefühlt jedenfalls eher zugunsten des VfB Stuttgart aus. Stabilisiert unter Sebastian Hoeneß - nur eine Niederlage in acht Liga-Spielen. Trotz des abschließenden Remis gegen Hoffenheim (ein Sieg hätte zur direkten Rettung gereicht) weht der Sommerwind viel Optimismus vom Neckar Richtung Elbe. Gewiss nicht zu Unrecht.
Gelingt dem HSV eine Trotzreaktion?
Beim VfB haben sie die Untergangsstimmung rechtzeitig vor Saisonende aus dem eigenen System herausgepustet und fühlen sich allem Anschein nach anständig gewappnet. Im Volkspark ist die Stimmungstemperatur nach einer Reihe betrüblicher Ereignisse im stark schwankenden Bereich. Satte 66 Punkte: ein Erfolg. Wieder nur Platz 3: eine Enttäuschung - vor allem nach den nervenzerfetzenden Abläufen in den letzten Sekunden des letzten Spieltags.
Das Ziel der Tim-Walter-Truppe ist natürlich, den aktuellen Stimmungskiller als Triebfeder für eine Trotzreaktion gegen den favorisierten Erstligisten zu nutzen. Also aus der gefühlten Niederlage den Geist zu entwickeln, der den Kader zu Großtaten befähigt. Alles andere dürfte dafür sorgen, dass die allgemeine Spottmaschinerie noch ein paar kräftige Gänge höher geschaltet wird.
Beide Teams haben übrigens gemeinsam, dass sie in der Relegation jeweils ein Mal den Kürzeren gezogen haben. Wiederholung in beiden Lagern außerordentlich unerwünscht. "Das erste Mal tat's noch weh, beim zweiten Mal nicht mehr so sehr" - Stefan Waggershausens Trostspender aus den frühen 90ern gilt vielleicht bei Liebes- aber ganz sicher nicht bei Fußballkummer.
In diesem Sinne: Hau(t) das Ding raus, Leute! Wir sehen uns auf'm Acker.
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