2. Bundesliga: Minuten-Drama des HSV weckt Erinnerungen an Schalke 2001

Acht-Minuten-Aufsteiger! HSV erlebt Schalke-"Horror" in Reinform

Frustration, Schmerz, Leid: Was der HSV am letzten Spieltag durchgemacht hat, lässt sich fast nicht in Worte fassen. Acht Minuten lang hatte man den Aufstieg fest in den Händen, am Ende bleibt doch nur die Relegation. Eine Chronologie der Trauer, die an Schalke und das Jahr 2001 erinnert.

Der 28.05.2023 wird in die Geschichte des deutschen Fußballs eingehen. Denn an Drama war der 34. Spieltag der Zweitliga-Saison 2022/23 schlichtweg nicht zu überbieten. Selten zuvor standen Freude und Kummer so eng nebeneinander. Leidtragender ist letztendlich wieder einmal der HSV.

Doch von vorne: Beim Hamburger Sportverein herrschte vor dem Saisonfinale gegen Sandhausen im Aufstiegs-Fernduell mit Heidenheim großer Optimismus. "Fußball ist verrückt", betonte Walter unmittelbar vor dem Anpfiff bei Sky - und er sollte recht behalten. Die Rothosen legten einen Blitzstart hin, Jean-Luc Dompe schoss die Gäste mit einem sehenswerten Volley-Treffer bereits in der dritten Minute in Führung, auf den Rängen des Hartwald-Stadions in Sandhausen herrschte Ekstase.

HSV 90 Minuten auf Kurs Aufstieg

Und Heidenheim? Die Elf von Frank Schmidt begann gegen Regensburg harmlos, der Zwischenstand aus Sandhausen schien sie regelrecht zu lähmen. Kurz nach der Pause dann der Schock. Zwei Gegentreffer in fünf Minuten, 0:2 aus Sicht von Heidenheim. Das Ergebnis machte auch in Sandhausen schnell die Runde, der Jubel der zahlreich mitgereisten HSV-Fans kannte schon jetzt fast keine Grenzen mehr.

Die Antwort vom FCH in Form des Anschlusstreffers erfolgte dann zwar prompt, trotzdem sprach zu diesem Zeitpunkt alles für die Hamburger. Der HSV brachte die Führung in der Folge zittrig über die Zeit. Nach 94 Minuten war die Partie beendet, die Elf von Tim Walter erfüllte seine Pflichtaufgabe und holte mit dem 1:0-Sieg drei Punkte in Sandhausen.

Abpfiff in Sandhausen! Bei den Fans brechen alle Dämme, auch Torwart Daniel Heuer Fernandes freut sich über den vermeintlichen Aufstieg.
Image: Abpfiff in Sandhausen! Bei den Fans brechen alle Dämme, auch Torwart Daniel Heuer Fernandes freut sich über den vermeintlichen Aufstieg.  © Imago

Zu diesem Zeitpunkt stand es in der Ferne noch immer 2:1 für den Jahn, die Partie hing zeitlich etwas hinterher und ging erst jetzt in die Schlussminuten. Hamburg schien nach dem eigenen Schlusspfiff in Sandhausen bereits sicher aufgestiegen. Der Stadionsprecher im Hartwald beglückwünschte die Rothosen, die Fans stürmten den Platz, verfielen zusammen mit den Spielern in Jubel und sogar Teile des Rasens wurden als Andenken bereits herausgerissen.

Heidenheim steigt auf - HSV-Fans feiern

Kurzum: Die Feierlichkeiten waren eröffnet. Einzig und allein Coach Walter wies an, ruhig zu bleiben. Er schien als einer der wenigen Bescheid bekommen zu haben, dass das Spiel in Regensburg noch lange nicht vorbei war. Schiedsrichter Sören Storks gab ganze elf Minuten Nachspielzeit und das Drama nahm allmählich seinen Lauf.

Mehr dazu

Tim Walter, der als einziger weiß, dass das Spiel in Regensburg noch nicht vorbei ist.
Image: Tim Walter, der als einziger weiß, dass das Spiel in Regensburg noch nicht vorbei ist.  © Imago

Gleich in der 93. gab es einen Elfmeter für Heidenheim, Jan-Niklas Beste verwandelte und stellte auf 2:2. In Sandhausen bekam davon so gut wie niemand etwas mit, der Freudentaumel auf dem Rasen hielt an. Sky Reporter Yannick Erkenbrecher verriet nach der Partie, dass es im Stadion nach Abpfiff so gut wie keine Verbindung zum Netz gab. Vom sich anbahnenden Pech hatten die feiernden Anhänger also keinen blassen Schimmer.

Wie es der Fußball so will, wurde es ganz bitter für den HSV. In der neunten Minute (!) der Nachspielzeit netzte Tim Kleindienst zum 3:2 für Heidenheim ein, kurz darauf pfiff Storks die Partie ab. Der FCH-Erfolg war perfekt, die Schmidt-Elf ist aufgestiegen. Allein: Davon bekamen die Fans in Sandhausen noch immer nichts mit. Im Stadion wurden sie sogar falsch informiert. 3:2 für Regensburg hieß es zunächst, wie Sky Kommentator Wolff Fuss erklärte. Und so hielt der Jubel noch immer an, erst nach und nach wurde bekannt, dass in Regensburg noch irgendetwas geschehen sein muss.

Nun ist die Nachricht aus Regensburg auch hier angekommen, Miro Muheim und die Fans wissen Bescheid: der HSV ist doch nicht direkt aufgestiegen.
Image: Nun ist die Nachricht aus Regensburg auch hier angekommen, Miro Muheim und die Fans wissen Bescheid: der HSV ist doch nicht direkt aufgestiegen.  © Imago

Schonlau: "Davon ausgegangen, dass es durch ist"

Es wurde immer stiller, bis die Nachricht dann schließlich endgültig durchsickerte und auch der Stadionsprecher zusammen mit Hamburgs Sportvorstand Jonas Boldt übers Mikrofon verkündeten, was in Regensburg vorgegangen ist. Die Fans verfielen in Schockstarre. Nun wussten endgültig alle Bescheid: Für den HSV geht es doch nur in die Relegation, der sicher geglaubte direkte Aufstieg ist um Haaresbreite verfehlt. Was für ein bitteres Finale für alle Anhänger und Spieler. Auch die Akteure des HSV sind nach dem Abpfiff lange davon ausgegangen, dass der Aufstieg perfekt sei und feierten bereits Arm in Arm mit ihren Fans.

So auch Kapitän Bastian Schonlau, der die unfassbaren Szenen nach der Partie bei Sky wie folgt einordnete: "Wir sind davon ausgegangen, dass das Ding durch ist, als die Fans auf den Platz kamen. Es war für uns schwer, überhaupt irgendetwas mitzubekommen. Es hieß irgendwann an der Bank 2:2 und noch vier Minuten - auf der Tribüne hat dann irgendjemand Offizielles gezeigt, dass es 3:2 steht. In der Kabine lief dann auch noch ein Radio, da wussten wir Bescheid."

Jonas Meffert erging es ähnlich: "Im ersten Moment habe ich gedacht, wir wären aufgestiegen, weil so viele Fans aufs Spielfeld gelaufen sind. Ich bin dann direkt rein und habe gehört, dass Heidenheim das 2:2 gemacht hat. Da wusste ich, dass es noch nicht vorbei ist."

HSV-Drama erinnert an Schalke 2001

Und so werden mit Blick auf die dramatischen Szenen in Sandhausen und den Acht-Minuten-Aufsteiger HSV Erinnerungen an die Saison 2000/2001 wach. Am 19. Mai 2001 nämlich ereignete sich Ähnliches für Schalke 04, das vier Minuten und 38 Sekunden lang deutscher Meister war. Auch Königsblau feierte bereits mit den Fans auf dem Platz, der große Erfolg schien zum Greifen nahe. Dann aber traf der FC Bayern München in der Nachspielzeit doch noch gegen den HSV. S04 versank ähnlich wie die Hamburger im Tal der Tränen. Immerhin blieb den Knappen die Anerkennung des "Meisters der Herzen".

Mit derartigem Titel "Aufsteiger der Herzen" werden sich die Rothosen jedenfalls keineswegs begnügen. Schon jetzt liegt der Fokus bei Walter und Co. auf den beiden Relegationsspielen gegen den VfB Stuttgart: "Wir schütteln uns kurz und dann legen wir wieder los. Es ist uns heute vergönnt geblieben, aber morgen werden wir wieder angreifen. Wir hatten die Chance letztes Jahr, wir haben sie jetzt und wir werden sie nutzen, weil die Mannschaft einen guten Charakter hat", so der HSV-Coach bei Sky.

Und so bleibt abschließend nichts anderes übrig, als Walters Worte vor der Partie gegen Sandhausen an dieser Stelle noch einmal aufzugreifen und für sich sprechen zu lassen: "Fußball ist verrückt." Das hat dieser 28.05.2023 einmal mehr bewiesen.

Mehr zu den Autoren und Autorinnen auf skysport.de

Alle weiteren wichtigen Nachrichten aus der Sportwelt gibt es im News Update nachzulesen.