Robin Dutt spricht im Interview mit skysport.de über das brisante Duell um die Champions League zwischen Union Berlin und dem SC Freiburg. Der ehemalige Bundesliga-Coach bewertet zudem die Zukunft von Thomas Müller unter Thomas Tuchel. Dabei blickt er auch auf seine eigenen Erfahrungen mit Michael Ballack zurück.
skysport.de: Herr Dutt, am Samstag (15.30 Uhr exklusiv auf Sky Bundesliga 3) gastiert der SC Freiburg im direkten Duell um die Champions League bei Union Berlin. Drücken Sie Ihrem Ex-Klub aus dem Breisgau die Daumen?
Robin Dutt: Wenn man so lange dabei ist, hat man schon ein, zwei Vereine, die einem etwas näher ans Herz gewachsen sind. Freiburg steht da ganz oben. Freiburg und Bochum sind momentan die Vereine, die ich mit positiven Emotionen begleite.
skysport.de: Ist diese Partie das "Finale" um die Teilnahme an der Königsklasse?
Dutt: Ein Finale ist es nicht, weil danach noch zwei Spiele stattfinden. Aber es hat schon eine Art Finalcharakter. Der Gewinner geht mit drei Punkten Vorsprung in die letzten Spiele. Das ist nicht unerheblich. Es hat schon einen anderen Charakter, als wenn das Spiel am 18. Spieltag wäre.
skysport.de: Welches Team setzt sich am Samstag durch?
Dutt: Das ist schwierig zu sagen. Beide Teams sind in der Lage, auch sehr körperlich und schnell zu spielen. Sie bringen einen klaren Plan ihrer Trainer auf den Platz. Auch bei Standardsituationen können Union und Freiburg eine unglaubliche Gefahr ausstrahlen.
Dutt: Gibt keinen Grund, dieses Erfolgsrezept zu verändern
skysport.de: Wäre ein Verpassen der Champions League für Freiburg eine Enttäuschung?
Dutt: Es gibt zwei Blickwinkel. Wenn man zum Beispiel am letzten Spieltag um den Champions-League-Platz spielt und ihn nicht erreicht, ist man enttäuscht. Dann macht man aber einen Strich darunter und sagt, was der SC Freiburg eigentlich wieder für eine unfassbare Saison gespielt hat. Da wird der Stolz sicherlich überwiegen.
skysport.de: Christian Streich ist ein Meister des Understatements. Würden Sie sich manchmal wünschen, dass er etwas offensiver mit den Zielen umgeht?
Dutt: Zu jedem Klub passt ein gewisses Narrativ. Bei Union Berlin und Freiburg möchte man nicht unnötig sich selber in den Kreislauf der Zielerwartungshaltung höher schrauben, um quasi den Misserfolg zu programmieren. Der Weg ist bei Freiburg das Ziel. Damit fahren sie perfekt. Selbst wenn es mal wieder um den Klassenerhalt gehen sollte, werden alle im Verein dahinter stehen. Der Trainer wird nicht infrage gestellt. Es gibt keinen Grund, dieses Erfolgsrezept zu verändern.
skysport.de: Sprechen wir über den FC Bayern: Hat Thomas Müller unter Thomas Tuchel eine Zukunft?
Dutt: Bei einem solch verdienten Spieler wie Thomas Müller gehört ein gewisses Fingerspitzengefühl genau wie ein Vertrauensverhältnis dazu. Das Vertrauensverhältnis kann bei einem Trainer, der erst seit ein paar Wochen da ist, noch nicht so gewachsen sein, wie beispielsweise bei einem Trainer wie Christian Streich, der seit Jahren im Klub ist und einem verdienten Spieler wie Nils Petersen. Da herrscht ein ganz anderes Vertrauensverhältnis. Dieses Vertrauensverhältnis kann bei Müller und Tuchel noch nicht so gefestigt sein. Ich glaube aber, wenn es in die Vorbereitung in die neue Saison geht, dann kann ein ganz neues Vertrauensverhältnis aufgebaut werden.
skysport.de: Wäre es dennoch besser, wenn Müller den FC Bayern verlässt?
Dutt: Man kann sich Müller ohne Bayern und Bayern ohne Müller einfach nicht vorstellen. Der FC Bayern hat unglaublich viele Spiele in einer Saison. Da wird jeder Topspieler gebraucht. Ich kann Thomas Müller da keine Empfehlung geben. Die Frage ist, wie moderiert man die letzten ein, zwei Jahre eines Spielers. Die Idealvorstellung ist, dass ein Topspieler bis zum letzten Spieltag spielt, einen Blumenstrauß bekommt und noch Deutscher Meister wird. Aber meistens ist das Ende, das der Spieler vor Augen hat und jenes, das sich der Klub vorstellt, nicht immer gleich.
skysport.de: Glauben Sie, dass das Thema Thomas Müller in der Bayern-Kabine ein Großes ist?
Dutt: Das kommt immer auf den Stellenwert und die Akzeptanz des Spielers an. Ich gehe davon aus, dass Thomas Müller eine hohe Akzeptanz hat. Beim FC Bayern gibt es aber so viele Topspieler, die einen Bankplatz überhaupt nicht akzeptieren können. Für die Öffentlichkeit ist das Thema Thomas Müller das Größte, aber intern fragen sich die Spieler sicherlich nicht nur, wieso spielt Thomas Müller nicht, sondern auch, wieso man selbst nicht spielt.
Dutt: "Das ist die Königsdisziplin des Trainers"
skysport.de: Tuchel begründete Müllers Bankplatz gegen Manchester City etwa damit, es sei kein "Thomas-Müller-Spiel". Wie beurteilen Sie diese Aussagen von Tuchel über Müller?
Dutt: Beim FC Bayern geht es als Trainer nicht nur über taktische Inhalte oder den nächsten Gegner. Wichtig sind die Mannschaftsführung und die mediale Außendarstellung. Diese beiden Dinge stehen im Vordergrund. Das ist eine Kunst, die viel Gefühl und viel Erfahrung benötigt. Thomas Tuchel hat Erfahrung. Man muss dennoch immer abliefern in diesem Bereich. Jupp Heynckes und Hansi Flick haben das perfekt beherrscht. Dazu braucht es viel Erfahrung. Beim FC Bayern hat das einen größeren Stellenwert als das taktische Können des Trainers. Mit einer durchschnittlichen Taktik und einer sehr guten Mannschaftsführung hat man eine gute Chance als Trainer beim FC Bayern. Umgekehrt kann es schwieriger werden.
skysport.de: Sie hatten in Ihrer Zeit bei Bayer Leverkusen eine ähnliche Situation mit Michael Ballack, ließen den Star der Mannschaft auch nicht immer von Beginn an ran. Überlegt man sich da ganz genau, ob man solch einen Spieler auf die Bank setzt, weil man weiß, was das für ein Medienecho auslösen kann?
Dutt: Ich kam damals von Freiburg nach Leverkusen, hatte noch nicht die große Erfahrung im Rücken. Da habe ich sicherlich im Umgang den einen oder anderen Fehler auch gemacht, mangels Erfahrung. Öffentlich und intern habe ich gesagt, dass die Spieler spielen, die ich für die Besten halte. Mit der Zeit merkt man aber auch, dass für eine gute Leistung nicht nur die besten Einzelspieler, sondern auch ein gewisses Klima in der Mannschaft, im Verein gebraucht wird. Bei solchen verdienten Spielern wie Michael Ballack oder nun Thomas Müller, auch wenn sie nicht regelmäßig spielen, musst du es versuchen so zu moderieren, dass sich alle als ein Teil des Ganzen sehen. Das ist die Königsdisziplin des Trainers - bei Bayern noch mehr als bei Leverkusen. Im Nachhinein hätte ich natürlich auch ein paar Dinge anders gemacht.
skysport.de: Auch die Torhütersituation polarisiert beim FC Bayern. Glauben Sie, dass Manuel Neuer wieder zu alter Stärke zurückfinden wird?
Dutt: Möglich ist es schon, aber wer will das beurteilen können. Neuer hatte keine Standard-Verletzung wie etwa ein Kreuzbandriss. Man weiß nicht, wie Neuers Körper reagiert. Auch der FC Bayern befindet sich dadurch in einer nicht ganz unproblematischen Situation. Die Bayern wissen auch nicht, wie Neuer zurückkommen wird. Sie können nur hoffen, dass Neuer wieder zu alter Stärke findet. Doch was passiert, wenn dem nicht so ist? Wer ist dann die Nummer zwei oder die drei? Wenn Neuer fit ist, muss man davon ausgehen, dass er auch spielt. Das ist keine einfache Situation.
skysport.de: In der Bundesliga ist der Titelkampf so spannend wie seit Jahren nicht mehr. Wer wird Deutscher Meister? Bayern oder Dortmund?
Dutt: Der FC Bayern hat eigentlich die Nase vorne. Sowohl Dortmund, aber besonders die Bayern hatten sehr viele Schwankungen in den vergangenen Wochen. Vor allem für den FC Bayern war das eher unüblich. Normalerweise würde man sagen, Bayern hat einen Punkt Vorsprung, die ziehen das jetzt durch. In dieser Saison gibt es aber schon berechtigte Hoffnungen, dass Dortmund noch einmal auf einen Ausrutscher von Bayern hoffen darf. Die Dortmunder müssen jetzt beweisen, dass ihr Ruf nicht gerechtfertigt ist, wenn es darauf ankommt, nicht da zu sein. Als neutraler Beobachter ist es eine super Sache, dass der Titelkampf so spannend ist.
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Dutt sondiert den Trainermarkt
skysport.de: Wer steigt am Ende in die 2. Liga ab?
Dutt: Mein großer Wunsch wäre natürlich, dass der VfL Bochum die Klasse hält. Ich glaube, Hertha bleibt nur noch durch ein kleines Wunder in der Liga. Stuttgart, Schalke und Bochum werden sich wohl um den 15. Platz duellieren. Ich glaube, die Konferenz am letzten Spieltag wird richtig spannend werden. Da ist es fast schon schade, dass die Spiele zeitgleich stattfinden.
skysport.de: Wie sieht es bei Ihnen persönlich aus? Das Kapitel Wolfsberg in Österreich endete im vergangenen März. Greifen Sie im Sommer wieder an?
Dutt: In der Zwischenzeit arbeite ich einmal im Monat für Matchplan - die Taktik-Show bei Sky. Das sind Dinge, die mir Spaß machen. Vier Wochen vor dem Saisonende sondiert man den Markt. Man schaut, ob etwas Geeignetes dabei ist.
skysport.de: Ist die Bundesliga Ihr großes Ziel?
Dutt: Nein. Ich war ja auch schon bei dem einen oder anderen Verein. Ich habe jetzt keine Liga als Ziel. Österreich war mal eine ganz neue Erfahrung. Das hat total viel Spaß gemacht. Für mich sind die Menschen auch wichtig, mit denen ich zusammenarbeite. Das kann dann in der Bundesliga, der 2. Liga oder auch im Ausland sein.
Das Interview führte Fabian Schreiner.
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