Der Kapitän außen vor: Emre Can ist bei Borussia Dortmund derzeit nur Reservist. Seine aktuelle Situation löst Vergleiche mit seinem Amtsvorgänger aus.
Schwer wiegt die Binde. Das kleine Stück Stoff verfügt über weitaus mehr Gewicht als die geringe Grammzahl, die auf der Waage erscheint. In der Regel hergestellt aus 70 Prozent Polyester und 30 Prozent Elasthan kann es gar zu einem landesweiten Politikum werden, wie bei der umstrittenen Winter-WM in Katar geschehen.
Wer die besondere Kapitänsehre übertragen bekommt, steht zwangsläufig im Fokus der Öffentlichkeit. Anders als noch in früheren Zeiten ist die Binde aber nicht zwangsläufig eine Garantie für einen Stammplatz. Bei Borussia Dortmund musste Marco Reus diese Erfahrung in der jüngeren Vergangenheit ertragen. Seinem Nachfolger ergeht es aktuell nicht besser.
Öczan und Nmecha geben dem BVB Stabilität
Stand er zuvor in dieser Saison immer in der Startelf, musste Emre Can in den vergangenen beiden Spielen auf der Bank Platz nehmen. Der BVB feierte zwei Siege (1:0 gegen Wolfsburg und 3:1 in Hoffenheim), Can kam als Einwechselspieler nur sieben bzw. 21 Minuten zum Einsatz. Zu wenig für seine Ansprüche. Zu wenig für einen ambitionierten Nationalspieler. Zu wenig für einen Kapitän.
"Wenn man als Kapitän nicht jede Woche beginnt, gibt es Diskussionen", weiß Sky Experte Didi Hamann. Diese hat es in Dortmund bereits um Reus gegeben, als er seinen Status als unumstrittener Stammspieler verlor. Und auch die Debatte um Emre Can nimmt immer mehr an Fahrt auf, insbesondere nach dem Hoffenheim-Spiel.
Begründete Terzic den Bankplatz seines Kapitäns gegen Wolfsburg noch mit einer natürlichen Rotation nach einer englischen Woche mit der Nationalmannschaft, so war die Aufstellungen gegen die TSG schon ein kleiner Fingerzeig. Andererseits gab es für den Dortmunder Trainer auch wenig Anlass zum Wechseln, dafür war das Auftreten von Salih Öczan auf der Sechser-Position im Verbund mit Neuzugang Felix Nmecha zu überzeugend. Das Duo war im Zentrum präsent und verlieh dem Dortmunder Spiel eine Stabilität, die in den vorherigen Partien mit Emre Can nicht zu einhundert Prozent vorhanden war.
Die rasante Entwicklung des Emre Can
Dabei war es der 29-Jährige, der in der vergangenen Rückrunde als zweikampf- sowie lautstarker Stabilisator auftrumpfte und einer der Hauptfaktoren war, warum der BVB am Ende fast noch die Meisterschaft bejubeln durfte. Nach erheblichen Startschwierigkeiten zeigte er die Leader-Qualitäten, die sich die Verantwortlichen bei seiner Verpflichtung im Winter 2020 erhofft hatten. Deswegen machte ihn Terzic im Sommer zum starken Mann, deswegen verzichtete der Verein auf eine Verpflichtung eines weiteren Sechsers wie Edson Alvarez von Ajax Amsterdam.
Stattdessen erhielt Can einen neuen Vertrag bis 2026 und stieg als Reus-Nachfolger in der Hierarchie-Leiter auf. Vom Reservisten zum Leistungsträger zum Anführer. Eine rasante Entwicklung innerhalb eines halben Jahres, weshalb Anpassungsprobleme in Verbindung mit der neuen Rolle eine logische Folge sein können.
Ein Kapitän will vorangehen, die Dinge besonders gut und besonders richtig machen. Möglicherweise macht sich Emre Can dahingehend zu viel Druck und verkrampft deshalb aktuell in seinem Spiel. "Er ist aber erfahren genug und hat genügend Qualität. Er muss sich anbieten, die Leistung bringen und den Trainer überzeugen, dass er in einer funktionierenden Mannschaft wieder eine wichtige Rolle spielen kann", rät Sky Experte Lothar Matthäus.
Hamann sieht Gefahr in Reservisten-Rolle von Emre Can
Terzic hat in seiner jungen Trainerkarriere noch nie Rücksicht auf große Namen, öffentliche Diskussionen oder Ämter genommen. Bei ihm zählt einzig und allein das Leistungsprinzip, denn über allem steht der sportliche Erfolg. Bleibt dieser aus, gibt es in Dortmund noch weitaus größere Diskussionen als die um den Kapitänsinhaber.
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Dennoch birgt Cans persönlich unangenehme Situation Gefahren, insbesondere, wenn er auch am Mittwoch in der Champions League gegen die AC Milan (21 Uhr) nicht in der Startelf stehen sollte. Der Mittelfeldspieler ist zwar innerhalb der Mannschaft anerkannt und hat eine starke Meinung, die auch von Terzic enorm geschätzt wird, doch ein nicht spielender Kapitän verliert zwangsläufig an Einfluss und Autorität.
"Es gibt gewisse Situationen, wo du denkst: 'Eigentlich müsste ich was sagen, aber spiele nicht, deswegen sage ich vielleicht doch nichts'", sagte Hamann zuletzt bei Sky. Mit derlei Gedanken muss sich Reus dagegen nicht mehr befassen. Die Weitergabe der Binde scheint für den 34-Jährigen wie eine Befreiung zu sein, zuletzt traf er in drei Spielen in Folge. Solch eine Serie war ihm seit mehr als zwei Jahren nicht mehr gelungen.
STIMMT AB!
Matthäus glaubt an Emre Can
Als eine Art Leidensgenosse kann er seinem Nachfolger immerhin unterstützend zur Seite stehen, mit Mats Hummels und Sportdirektor Sebastian Kehl hat Can zwei weitere Ratgeber im direkten Umfeld, die das Kapitänsamt beim BVB bereits innehatten. Wertvolle Hilfen in diesen schwierigen Wochen.
"Ich gehe davon aus, dass er mit Hilfe des Bundestrainers, der Mannschaft und des Vereins diese Situation meistern wird und dass er beim BVB und im DFB-Team wieder eine wichtige Rolle spielen kann", glaubt Matthäus. Seine beste Leistung in dieser Saison hat Can im Nationalmannschafts-Trikot beim 2:1-Sieg gegen Frankreich gezeigt. Als zweikampfstarker Abräumer vor der Abwehr, allerdings ohne Binde am Arm ...
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