BVB-Trainer Lucien Favre sorgt nach der Niederlage gegen den FC Bayern mit Aussagen zu seiner Zukunft für Aufsehen. Zwar relativiert der Schweizer am Tag danach bei Sky, aber die Gerüchteküche brodelte bereits. Löst Niko Kovac den Coach ab? Sky Sport macht den Check, ob dies überhaupt passen würde.
Die Kritik ist nicht neu. Schon länger wird Lucien Favre vorgeworfen, dass er Mannschaften zwar entwickeln, aber nicht zu Titeln führen kann. Bei Hertha BSC, Borussia Mönchengladbach oder OGC Nizza war dies auch nicht zwingend zu erwarten, in Dortmund spekulierten die Bosse aber sicherlich auf die ein oder andere Trophäe in der Vitrine, als Favre im Juni 2018 als Nachfolger von Peter Stöger präsentiert wurde.
Meisterschaft wohl futsch
Doch nach der 0:1-Niederlage im Klassiker gegen den FC Bayern dürfte der 62-Jährige auch in seiner zweiten Spielzeit am Ende keinen Titel gewinnen. Nach dem unnötigen Ausscheiden im DFB-Pokal bei Werder Bremen und in der Champions League gegen Paris St. Germain ist auch der Meisterschaftszug so gut wie abgefahren. Sieben Punkte Rückstand auf den Branchenprimus aus München bei nur noch sechs ausstehenden Spielen dürfte eine zu hohe Hypothek für Favre und den BVB sein.
Dass ein großes Punktepolster noch verspielt werden kann, demonstrierte zwar ausgerechnet Favre selbst in der Vorsaison, als der BVB die Schale trotz zwischenzeitlich neun Punkten Vorsprung noch aus der Hand gab, aber die Bayern scheinen aktuell zu stabil zu sein, um sich noch drei Ausrutscher zu leisten.
Wie geht es mit Favre weiter?
Doch was bedeutet eine zweite titellose Saison für Favre selbst? Am Sky Mikro direkt nach dem Spiel äußerte er sich kryptisch auf die Frage nach Kritik an seiner Person: "Das sagt man hier seit Monaten. Ich lese die Zeitungen nicht, aber ich weiß, wie es läuft. Ich werde darüber sprechen in ein paar Wochen", so der Coach.
Bei Lothar Matthäus schrillten dabei sofort die Alarmglocken. "Ich hab mir das angeschaut und gleich gedacht: Favre weg", so der Sky Experte, der den Dortmundern gleich einen Nachfolger ans Herz legte: "Favre weg, Niko Kovac kommt. Das war mein erster Gedanke nach diesen Aussagen."
Kommt Kovac? Sky Sport macht den Check
Löst ihn also ausgerechnet der Trainer ab, der ihm vergangene Spielzeit noch die Meisterschaft vor der Nase wegschnappte? Favre, dessen Vertrag bis zum 30. Juni 2021 läuft, will jedenfalls nicht aufgeben. Am Tag nach seinen mysteriösen Aussagen erklärt der Übungsleiter exklusiv bei Sky deutlich: "Ich werde weitermachen!"
Aber darf er das auch? Zwar stellt BVB-Boss Hans-Joachim Watzke klar, dass er "aktuell überhaupt keinen Anlass für eine Trainerdiskussion" sieht, aber nach Sky Informationen haben Kovac und der BVB seit Jahresanfang immer mal wieder Kontakt miteinander. Es stellt sich jedoch die Frage: Kovac in Dortmund - würde das passen? Sky Sport macht den Check:
PRO: Kovac weiß, wie man Titel gewinnt
Der größte Kritikpunkt an Favre trifft auf Kovac nicht zu. Der 48-Jährige gewann mit Eintracht Frankfurt fast schon sensationell den DFB-Pokal und feierte in seiner einzigen kompletten Saison beim FC Bayern das Double aus Pokal und Meisterschaft. Kovac hat sich also eine gewisse Glaubwürdigkeit aufgebaut und bewiesen, dass er ein Trainer ist, der die entscheidenden Prozentpunkte aus den Spielern herauskitzeln kann, die nötig sind, um am Ende ganz oben zu stehen.
CONTRA: Flicks Erfolg lässt Kovac alt aussehen
Die drei Titel und vor allem der Pokalsieg in Frankfurt in Frankfurt sind Kocac nicht mehr zu nehmen. Die Leistungen der Bayern seit dem Trainerwechsel von Kovac auf Flick lassen jedoch den Schluss zu, dass die Münchner das Double in der vergangenen Spielzeit nicht zwingend dank, sondern vielleicht sogar trotz Kovac geholt haben. Die Erfolge seines Nachfolgers sprechen jedenfalls nicht für den gebürtigen Berliner, denn eine Dominanz über einen derart langen Zeitraum gab es in München unter Kovac nie.
PRO: Spielweise und System passen zum BVB
Seit der Umstellung auf Dreierkette in der Defensive läuft es in Dortmund deutlich besser als zuvor. "Ich glaube, dass jetzt jeder auf seiner besten Postion zum Einsatz kommt", erklärte beispielsweise Raphael Guerreiro im exklusiven Interview mit Sky Sport. Mit einer ähnlichen Grundordnung hatte Kovac auch in Frankfurt Erfolg - er hat also bewiesen, dass er seine Mannschaften in diesem System erfolgreich führen kann. In München setzte Kovac zwar ausschließlich auf Viererkette, dies lag aber hauptsächlich am vorhandenen Spielermaterial beim FCB.
Noch mehr als die Taktik passt aber Kovac' Spielweise zum BVB: Bei seinen bisherigen Stationen zeichneten sich seine Mannschaften vor allem durch ein starkes Konterspiel und schnelles Umschaltspiel aus - genau diese Attribute prägten zuletzt auch das Spiel der Dortmunder.
CONTRA: Taktische Limitiertheit
Kovacs Spielweise und System passen zwar zum BVB, aber auch in Dortmund ist es mittlerweile nicht nur wichtig, dass gewonnen wird, sondern wie gewonnen wird. Und genau damit kam Kovac in München nur bedingt klar. Immer wieder wurden Stimmen laut, dass seine Mannschaft zwar die nötigen Punkte einfahre, aber dies hauptsächlich deshalb, weil die individuelle Qualität größer sei als die des Gegners.
Der Fußball im eigenen Ballbesitz war nicht immer ansehnlich und Kovac hatte während seiner gesamten Amtszeit in München kein Mittel dagegen. Für taktische Finessen, wie man sie von Favre kennt, ist Kovac nicht bekannt.
PRO: Kovac kann Spieler entwickeln
Keine Frage, unter Favre haben einige Akteure im BVB-Kader einen Satz nach vorne gemacht. Aber auch Kovac hat bewiesen, dass er Spieler besser machen kann. In München explodierte Serge Gnabry beispielweise unter dem Kroaten und auch ein Alphonso Davies machte seine ersten erfolgreichen Schritte.
Ähnlich in Frankfurt: Kovac formte Omar Mascarell zum absoluten Leistungsträger und ebnete auch Spielern wie Ante Rebic, Luka Jovic, Sebastien Haller oder Marius Wolf den Weg. Sein Umgang mit schwierigen Charakteren wie Rebic oder auch Kevin-Prince Boateng zeigt zudem, dass er auch extravagante Spieler in ein Team integrieren kann. Eine Eigenschaft, die ihm auch in Dortmund helfen dürfte.
CONTRA: Probleme mit den Stars
Zwar kann Kovac schwierige Charaktere für sich gewinnen, aber in München ging es mit gestandenen Stars komplett schief. Kovac setzte auf eine flache Hierarchie und behandelte jeden Spieler im Grunde gleich. Eine Herangehensweise, die bei vielen Stars überhaupt nicht gut ankam. James Rodriguez beispielsweise soll einmal sogar gelästert haben: "Wir sind hier nicht in Frankfurt."
Auch der Umgang mit Thomas Müller war äußerst unglücklich, so dass das Urgestein sogar mit einem Wechsel kokettierte. Am Ende war fast das ganze Team gegen Kovac - dies gab Uli Hoeneß sogar öffentlich zu. Schlechte Vorzeichen für ein mögliches Engagement beim BVB, wo mit Axel Witsel, Emre Can, Jadon Sancho oder Mats Hummels einige Stars auf ihn warten würden.
PRO: Kovac passt als Typ perfekt zum BVB
Favre ist introvertiert, fast schon kauzig. Das passt für viele Beobachter nicht zum BVB, der sich über seine Emotionen definiert. Vergleiche mit Jürgen Klopp wurden immer wieder angestrengt und Favre wurde seine ruhige Art wiederholt zum Vorwurf gemacht.
Kovac ist zwar auch kein Lautsprecher, aber deutlich emotionaler als Favre. Auch in Interviews oder auf Pressekonferenzen kann sich Kovac mit seiner eloquenten Art besser verkaufen als sein Kollege und passt mit seiner Kämpfermentalität zudem perfekt in den Ruhrpott. In dieser Beziehung ist er so eine Art Anti-Favre und wäre für viele Kritiker des Schweizers eine willkommene Abwechslung.
CONTRA: Sonderfall Hummels
Mats Hummels ist in Dortmund unumstrittener Stammspieler und Abwehrchef. Dies war er vergangene Saison in München unter Kovac nicht immer. Mit dem Ergebnis, dass der Defensivspieler im Sommer zurück nach Dortmund wechselte, was zu einem kleinen Disput der beiden in den Medien führte:
"Mats war der Meinung, dass er dem aus dem Weg gehen will. Das muss man akzeptieren. Mit dem Ergebnis, dass er jetzt beim BVB spielt", kommentierte der Coach damals den Transfer, was dieser nicht auf sich sitzen ließ und beim Kicker entgegnete: "Das stimmt einfach nicht. Mehr sage ich dazu nicht." Eine erneute Zusammenarbeit in Dortmund wäre also durchaus brisant, zumal die beiden ohnehin nicht das beste Verhältnis pflegen sollen.
Ob es letztlich aber wirklich zu einem Wiedersehen kommt, ist offen. Klar ist, dass die BVB-Bosse ein gutes Verhältnis zu Kovac pflegen und die Schwarz-Gelben eine der ganz wenigen Optionen für den Coach darstellen, wenn er in der Bundesliga bleiben möchte.