Nach dem WM-Debakel muss sich Deutschland in der Nations League ausgerechnet gegen Weltmeister Frankreich neu beweisen. Sky Sport analysiert vorab, was die Equipe Tricolore dem DFB-Team voraus hat.
Am Donnerstagabend (ab 19:30 Uhr im Liveblog auf skysport.de, Anstoß 20:45 Uhr) schlägt für Bundestrainer Joachim Löw die Stunde der Wahrheit. Gegen Frankreich muss die DFB-Elf nach dem desaströsen Vorrunden-Aus in Russland liefern. Beim frisch gebackenen Weltmeister von 2018 lief zuletzt alles zusammen. In drei Punkten kann (und muss) Deutschland von seinem Gegner lernen.
Zusammenhalt und Feuer
Trotz unterschiedlichster Voraussetzungen in Sachen Herkunft, Verhältnisse und Star-Status herrscht in der französischer Nationalmannschaft ein Wahnsinns-Zusammenhalt. Trainer Didier Deschamps hat es geschafft, 23 Mann hinter einen Traum zu stellen. Ob Paul Pogba oder Kylian Mbappe: Jeder nimmt sich fürs Große Ganze zurück - von einem Star im Team will niemand sprechen.
Der Titel hat die junge Mannschaft noch mehr zusammengeschweißt. Bei der Wiedervereinigung am Montag lagen sich die Weltmeister in den Armen, sogar Tränen flossen, wie Frankreich-Star Paul Pogba Sky Reporter Max Bielefeld im exklusiven Interview verriet.
Als Ersatz für den verletzten Hugo Lloris ist nur Keeper Benjamin Lecomte neu zur Equipe gestoßen. Das Videomaterial über seinen ersten Abend mit dem Team spricht Bände.
Im deutschen Team sucht man diesen Spirit derzeit vergeblich. Gerüchte um Grüppchenbildung, unmotivierte Auftritte - auch Löw musste in seiner Analyse zugeben: "Wir haben es nicht geschafft, neue Schlüsselreize zu setzen und ein Feuer zu entzünden, dass alle mit unglaublicher Begeisterung und Leidenschaft dabei sind. Das wäre meine Aufgabe gewesen über Ansprache und Trainingseinheiten. Wir sind sehr strukturell und strategisch an die Sache herangegangen."
Frankreichs größte Stärke ist Deutschlands größte Baustelle. Um an alte Erfolge anzuknüpfen, muss die DFB-Elf zusammenrücken und wieder füreinander kämpfen. Mats Hummels kündigte an, man werde sich gegen Frankreich "richtig den Arsch aufreißen", um ein Zeichen zu setzen. Es wäre ein wichtiges.
Spielweise
Frankreich spielt nicht den schönsten Fußball, aber den erfolgreichsten. Statt Superstars wie Antoine Griezmann, Kylian Mbappe und Ousmane Dembele im 4-3-3 wild drauf los wirbeln zu lassen, setzte Frankreich zuletzt auf ein defensiveres 4-4-2 mit Blaise Matuidi auf der linken Seite und Konter. Dafür musste Dembele auf dem linken Flügel weichen.
Deschamps brauchte nur ein schlechtes WM-Spiel gegen Australien, um zu begreifen, dass Spielfreude und Dominanz nicht alles ist. Seitdem läuft es. Frankreich hat insgesamt aus den Fehlern der Vergangenheit (Stichwort WM-Heim-Finale 2016) gelernt und sich angepasst.
Eine derartige Flexibilität suchte man beim DFB-Team vergeblich. Löw hielt an seiner Mission, Ballbesitz um jeden Preis zu perfektionieren, fest. Jetzt liegt es am Bundestrainer, seinen selbst ernannten "größten Fehler" auszubügeln.
XXL-PK: Löws komplette WM-Analyse zum Nachlesen
Ausbildung und Fußball-Kultur
Es ist nicht so, dass Frankreich in Sachen Nachwuchsarbeit neue Maßstäbe setzt und dem Rest der Welt etwas vormacht. Dennoch fällt auf, dass die Franzosen derzeit ein Talent nach dem anderen aus dem Hut zaubern.
Ein Grund: Der Zugang zum Fußball ist gänzlich anders. "Mbappe und Co. kommen aus den Vorstädten von Paris, Lyon und Marseille, werden mit Futsal, 5-gegen-5 und Straßenfußball groß", sagt Sky Reporter Max Bielefeld. Das erklärt zum einen den großen Talent-Pool für starke Dribbler. Das 1:1 hat einen anderen Stellenwert. In Deutschland sind Spieler wie Leroy Sane dagegen die absolute Ausnahme.
Zum anderen werden junge Spieler in Frankreich zentral vom Verband ausgebildet, statt in den Vereinen. Erst wenn sie entwickelt sind, werden sie mit 14 aufwärts in die Vereine geschickt. In Deutschland arbeitet Oliver Bierhoff mit seiner Akademie an einem ähnlichen Projekt.