Stade Rennes gilt in Frankreich als eine der besten Talentschmieden des Landes. Nach Ousmane Dembele schickt sich mit Eduardo Camavinga der nächste Teenager an, eine Weltkarriere zu starten. Für den Fußball gab der 17-Jährige seine erste große Leidenschaft auf.
18. August 2019: Stade Rennes feiert einen umjubelten 2:1-Sieg über das Starensemble von Paris St. Germain. Romain Del Castillo erzielt das Siegtor, doch zum "Spieler des Spiels" wird ein 16-Jähriger namens Eduardo Camavinga ernannt. Die neue Attraktion der Ligue 1 ist geboren.
Es ist der nächste Höhepunkt einer jungen Karriere, die rasant verläuft. Geboren am 10. November 2002 in Angola als drittes von insgesamt sechs Kindern, kam er mit seiner Familie im Alter von zwei Jahren nach Frankreich. Vier Jahre später meldeten ihn seine Eltern erstmals bei einem Fußballverein an, doch Camavingas erste große Leidenschaft war eine andere.
"In seiner Kindheit hat er zunächst Judo ausgeübt. Er hat erst spät mit dem Fußball begonnen", erzählt Sky Transfer-Experte Max Bielefeld. Spät, aber keineswegs zu spät. Den weißen Kampfsport-Anzug tauschte Camavinga alsbald gegen das schwarz-rote Trikot von Stade Rennes ein. Die richtige Entscheidung.
Camavinga bricht Alters-Rekorde
2013 schaffte er in den Sprung in die über die Landesgrenzen hinaus renommierte Jugendakademie der Bretonen. Spätere Nationalspieler und Weltmeister wie Ousmane Dembele oder Yoann Gourcuff haben dort die ersten Schritte ihrer Laufbahn vollzogen.
Beim französischen Traditionsklub wurde sein außergewöhnliches Talent schnell erkannt und gefördert, doch viele Spiele mit seinen gleichaltrigen Teamkollegen machte er nicht. Die Verantwortlichen waren sich schnell einig: Der 1,82 Meter große zentrale Mittelfeldspieler ist zu Höherem berufen.
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Im Dezember 2018 unterschrieb Camavinga seinen ersten Profivertrag. Er ist der jüngste Spieler in der Vereinsgeschichte, dem dies je gelungen ist. Sein Debüt in der Ligue 1 folgte im April 2019, wenige Wochen später stand er erstmals in der Startelf und war damit der erste Spieler, der nach dem 1. Januar 2002 geboren ist und in der Startformation eines Klubs aus Europas Top-5-Ligen stand.
Dembele-Agent berät Camavinga
Die zahlreichen Talent-Scouts hatten sich seinen Namen bereits in ihre Notizbücher eingetragen. Richtig dick unterstrichen wurde dieser am besagten 18. August 2019. Mit seinem Assist zum Siegtor gegen PSG wurde er zum jüngsten Spieler, der in der Ligue 1 ein Tor vorbereitete. Doch die präzise Flanke auf Del Castillo war nur das Beiwerk einer Gesamt-Performance, die Experten staunen ließ.
Mit einer bemerkenswerten Ruhe und Abgeklärtheit zog er im zentralen Mittelfeld die Fäden. Seine Passgenauigkeit betrug 98 Prozent (40 von 41 Zuspiele kamen an), darüberhinaus war er der meist gefoulte Spieler. Jetzt wollte jeder wissen, wer dieses Ausnahmetalent ist. Camavinga, der mit Moussa Sissoko denselben Berater wie Dembele hat, erlebte den ersten Hype um seine Person, doch viel bemerkenswerter ist: er verlor dadurch nicht seinen Fokus.
Im Dezember 2019 bejubelte er mit dem Siegtreffer gegen Lyon sein erstes Profi-Tor und avancierte damit zum jüngsten Torschützen der Vereinshistorie. Mit 17 Jahren ist er unumstrittener Stammspieler bei einem Europa-League-Teilnehmer, insgesamt hat er bereits 43 Pflichtspiele für die Profis bestritten. Doch was zeichnet ihn so sehr aus?
Stabilisator und Antreiber zugleich
Camavinga ist im zentralen Mittelfeld flexibel einsetzbar. Als Balleroberer kann er die Defensive stabilisieren, mit seinen technischen Fähigkeiten die Offensive antreiben. "Er ist ein Box-to-Box-Spieler, der sehr athletisch und laufstark ist", beschreibt Bielefeld die Stärken des Shootingstars.
Zweifelsohne hat Camavinga, der mittlerweile die französische Staatsangehörigkeit erhalten und für Frankreichs U21-Nationalmannschaft debütiert hat, eine große Zukunft vor sich, die nicht in der Bretagne liegen wird. Der französische Sportjournalist Frederic Hermel bezeichnete den schlaksigen Linksfuß als den "Mbappe des Mittelfelds". Europas Top-Klubs stehen Schlange, auch Borussia Dortmund ist längst aufmerksam geworden.
Doch obwohl der BVB europaweit hohes Ansehen bei der Ausbildung von Top-Talenten genießt, haben die Schwarz-Gelben nur geringe Chancen auf eine Verpflichtung. Als großer Favorit gilt Real Madrid. Camavingas aktueller Trainer und Förderer Julien Stephan ist davon überzeugt, dass sein Schützling die nötigen Fähigkeiten für die Königlichen besitzt.
BVB, Rennes oder Real?
"Ja, er hat sie. Mittelfristig sehe ich ihn in einer Struktur von höchstem Niveau mit höchsten Ansprüchen. Bei seiner Entwicklung hat er das Potential und alle erforderlichen Qualitäten, um eines Tages bei einem Top-Klub zu sein", sagte er in einem Interview mit der spanischen Sportzeitung AS.
Camavingas Vertrag bei Rennes läuft noch bis 2022. Seine Optionen sind nach Sky Infos ein weiteres Jahr in Rennes oder der direkte Sprung zu Real. Stephan plädiert für die erste Alternative: "Nach einer guten Saison muss man diesen Qualitätssprung immer erst bestätigen. Für ihn wäre es einfacher, das hier zu tun. Ich denke, ihm bleiben noch eine Saison oder zwei Jahre, bevor er einen großen Schritt macht."
Andererseits: Ein Wechsel zu Real Madrid im Alter von 17 Jahren - es wäre sinnbildlich für Camavingas rasante Entwicklung.