Konrad Laimer schießt den Bayern womöglich die Schale aus den Händen und zeigt den Münchnern im eigenen Haus, wozu er fähig ist. Ein Vorgeschmack auf die kommende Saison.
Spätestens seit Samstagabend um 19:53 Uhr dürfte jeder Bayern-Fan wissen, wer Konrad Laimer ist. Er ist der Spieler, der den Münchnern beim 3:1 der Leipziger das erste Mal seit elf Jahren die Meisterschaft aus den Händen geschossen haben könnte. Ausgerechnet dieser Laimer wird kommende Saison das neue weiß-rote Bayern-Trikot tragen. Er soll dafür sorgen, dass es zu einer derart verkorksten Bayern-Saison, wie sie die jetzige ist, nicht noch mal kommt. Eine Saison ohne Titel gab es beim FC Bayern zuletzt 2012. Laimer soll dabei helfen, dass das nicht erneut passiert.
Matthäus lobt Laimer, Hamann-Kritik an der Verpflichtung
"Die Bayern haben heute gesehen, dass Laimer einer ist, der sie verstärken kann", sagte Sky Experte Lothar Matthäus über den 25-Jährigen. "Er ist für mich der Spieler des Spiels", schwärmte der Rekord-Nationalspieler, "nicht nur wegen des Tores, sondern auch aufgrund der Aggressivität, der Leidenschaft und seines Umschaltspiels." RB-Sportchef Max Eberl lobte: "Er hat sich komplett für die Mannschaft reingehauen und ein wunderschönes Tor geschossen." Es ist bereits das zweite, das Laimer gegen seinen zukünftigen Verein erzielt. Häufiger traf er noch nie gegen einen Klub.
Reichen die von Matthäus genannten Attribute jedoch, um die Probleme der Bayern auf der Sechs zu lösen? Sky Experte Didi Hamann erklärte vor wenigen Wochen, dass dies nicht der Fall sei: "Ein Laimer, der im Sommer kommt, ist auch einer, der überall rumläuft." Genau das ist es, was Kimmich in dieser Saison schon häufiger vorgeworfen wurde und was den Bayern mehrere Male in der Absicherung fehlte. "Seine Verpflichtung verstehe ich nicht", schrieb Hamann in seiner Sky Kolumne.
Vertrag unterschrieben, Laimer deutet Wechsel an
Offiziell ist noch nichts, Sky berichtete jedoch schon vor Wochen exklusiv, dass der Deal abgeschlossen ist. Laimer absolvierte bereits die Medizinchecks und unterschrieb einen Vertrag bis 2027. Gut möglich, dass die Verkündung direkt nach der Saison, vielleicht sogar an Laimers 26. Geburtstag am kommenden Samstag oder aber nach dem DFB-Pokalfinale erfolgt. Laimer selbst deutete bei Sky nach dem 3:1-Sieg der Leipziger in der Allianz Arena einen Wechsel bereits an: "Schauen wir mal. Jeder weiß, dass mein Vertrag im Sommer ausläuft und generell ist es hier (in der Allianz Arena, Anm. d. R.) schön, ja. Ausschließen kann ich es auf jeden Fall nicht."
Auch Marco Roses Aussagen diesbezüglich werden daran wohl nichts mehr ändern: "Er findet es hier nur schön, weil Salzburg um die Ecke ist und er ein Salzburger Jung ist", so der RB-Coach wohlwissend, dass er dies nur mit einem Augenzwinkern sagen könne.
Bayern suchen klassischen Sechser
Bei den Bayern wird er - Stand jetzt - eine weitere Position im ohnehin schon voll besetzten Mittelfeld bekleiden. Abgänge sind in diesem Zusammenhang wahrscheinlich. Von Achtern hat man in München genug. Man muss nur Ryan Gravenberch fragen, der ungeduldig auf mehr Einsatzzeiten wartet oder Marcel Sabitzer, der im Winter aufgrund mangelnder Perspektive nach Manchester zu United verliehen wurde. In München sehnt man sich nach einem Sechser der Kategorie "Javi Martinez", einen wie Casemiro oder Rodri. In diese Kategorie gehört Laimer (noch) nicht.
Zu einem Sechser der Top-Kategorie soll sich Laimer spätestens ab Sommer dann entwickeln. Den Bayern soll "Pressingmaschine" Laimer im zentralen Mittelfeld mehr Stabilität verleihen und dem Ball nachjagen - also quasi die Drecksarbeit erledigen und damit etwas zum Bayern-Spiel beitragen, dass dem Rekordmeister derzeit abgeht: Ein widerstandsfähiger Abräumer. Laimer, der die komplette RB-Schule durchlief und über Salzburg und Liefering vor fünf Jahren nach Salzburg wechselte, wird seit jeher für seine Mentalität und Angriffslust gefeiert. Ralph Hasenhüttl bezeichnete ihn einmal als "Tier gegen den Ball".
Topwerte im Topspiel
Unklar ist jedoch, wie Thomas Tuchel den Transfer beurteilt. Schließlich war Laimer ein Wunschspieler seines Vorgängers Julian Nagelsmann. Auch deswegen halten sich die Gerüchte, dass die Suche nach einem weiteren Mittelfeldspieler für den FC Bayern noch nicht abgeschlossen ist. Laimers Vorteil ist, dass es seinen Spielertypen so noch nicht gibt bei den Bayern und dass das Sechser-Regal nicht gerade üppig bestückt ist. Seine Leistung in der Allianz Arena ist zumindest mal ein Bewerbungsschreiben in Richtung Tuchel gewesen.
Im Topspiel bewies der österreichische Nationalspieler einmal mehr besagte Qualitäten. Mit 17 Zweikämpfen (13 davon gewonnen) und zehn eroberten Bällen war er einer der Erfolgsfaktoren der Leipziger in München - ganz zu schweigen von seinem Tor zum zwischenzeitlichen 1:1. Laimers Pendants auf der Gegenseite, Joshua Kimmich und Leon Goretzka, führten nur elf (Kimmich) beziehungsweise zehn (Goretzka) Zweikämpfe, wobei Ersterer immerhin zehn davon gewann, Goretzka lediglich sechs. Zudem eroberten beide jeweils nur sieben Bälle. Doch auch abseits des Balles erledigt Laimer seinen Job. Er gibt Kommandos und verhindert durch kluges Stellungsspiel so manchen entscheidenden gegnerischen Spielzug.
Interessant ist jedoch, dass Laimers positionsrelevante Werte auf die Saison gesehen etwas schwächer sind als die seiner baldigen Konkurrenten Kimmich und Goretzka (siehe Tabelle).
Zu beachten ist hierbei jedoch, dass sich die Spielweisen der Bayern und von RB in einigen Facetten unterscheiden und damit ein unmittelbarer Vergleich mit Vorsicht zu genießen ist. Die Bayern haben durch ihre höheren Ballbesitzanteile mehr Kontrolle im Spiel, während Leipzig durch das ständige Gegenpressing häufiger Zweikämpfe initiiert und Angriffe viel schneller ausführt als die Bayern.
Überraschender "Man of the Match" im DFB-Pokal
Für seine uneigennützige Spielweise wurde er im DFB-Pokal-Halbfinale vom DFB zum "Man of the Match" ausgezeichnet - ohne Tor bei einem 5:1-Sieg gegen den SC Freiburg und trotz eines überragenden Dani Olmo mit insgesamt vier Torbeteiligungen. "Wenn man fünf Tore schießt und selbst keines davon macht, ist man selten Man of the Match", sagte Laimer nach dem Spiel. Es war eine Würdigung des Leipziger Fundaments, dass einen Finaleinzug erst möglich machte. Ähnlich wie den Sieg in München, wo er bekanntermaßen traf, überließ er auch dort vor allem seinen Mitspielern in vielen Aktionen die Bühne.
Diese Schule bringt Laimer ab Sommer mit nach München. Wie bei RB gilt es dann, andere Spieler glänzen zu lassen und erneut ein heimlicher "Man of the Match" zu werden. Dann wird der Österreicher auch zum Meistermacher statt zum Meistercrasher.