Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne "HAU DAS DING RAUS" auf die aktuellen Ereignisse im Fußball. Diesmal: Das erstaunliche Interview von Bayern-Trainer Thomas Tuchel nach der 0:3-Niederlage im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Manchester City.
Wohin nur mit all der Liebe? Thomas Tuchel schien schon ein wenig unschlüssig, wie und an wen er diese ganzen überwältigenden Gefühle verteilen sollte. Während sein bankdrückender Raumdeuter vor dem Anpfiff noch exklusiv in den Genuss der emotionalen Motivationsstrategie kam ("Ich liebe Thomas Müller"), hielt der asketische Nagelsmann-Nachfolger nach der 0:3-Klatsche (!) die Breitband-Version für angemessen.
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"Schockverliebt" sei er in seine Mannschaft, stellte der neue Bayern-Trainer fest. Liebes-Superspreading als Krisenintervention nach der zweiten Niederlage im vierten Pflichtspiel. Warum nicht? Das zünftige Biertisch-Tacheles, das nach derart krachenden Niederlagen üblicherweise in die Öffentlichkeit gehämmert wird, wirkt ja ohnehin meist ein wenig angestrengt.
Tuchels revolutionärer Ansatz
Natürlich muss man anderen Verantwortlichen die Zeit geben, die sie brauchen, um sich an die gefühlige neue Bayern-Welt zu gewöhnen. Oliver Kahn zum Beispiel sah gar nicht so sehr nach Liebe aus, als es dann auch noch die dritte Watsch'n setzte. Noch nicht! Gesichtsausdruck eher im Bereich "schockentsetzt". Aber man soll ja nicht immer den ersten Eindruck als Bewertungsgrundlage zulassen. Wie viele Herzen nahe der Hoeneß-Residenz gestern Abend über den Tegernsee geflattert sind, ist bislang nicht überliefert.
Er "sehe das Ergebnis überhaupt nicht", sagte Tuchel und meinte womöglich: Er fühle es nicht. Ein revolutionärer Ansatz in der Nullen-und-Einsen-Welt des Fußballs und eine vorläufige Absage an die branchenübliche Kraftmeierei. Versuch's doch mal mit Sanftmut. Ganzheitlich im Schmuse-Modus. Warum müssen Niederlagen immer gleich Schmerzen bereiten?
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Zudem sollten wir den völkerverständigenden Aspekt dieser gütigen Grundhaltung nicht außer Acht lassen. Wer kann denn beweisen, dass das Leuchten in den Augen von John Stones oder Nathan Ake damit zu tun hatte, dass sie nahezu allen Offensivbemühungen der Bayern einigermaßen entspannt den Stecker gezogen hatten? Der Grund könnte genauso gut die Liebe gewesen sein, die im Etihad ja nun mal offenkundig in der Luft lag.
"Glashaus"-Vibes in München?
Vor dem Rückspiel am kommenden Mittwoch haben Tuchel und die Bayern daheim gegen die formstarken Hoffenheimer Gelegenheit, die Romantik-Akkus nochmal anständig aufzuladen. Ein gutes Ergebnis könnte dabei eventuell hilfreich sein - das, das am Samstag nach 90 Minuten unter dem Strich steht. Oder zur Not auch das, das Tuchel sieht. Da gibt es ja seit Dienstabend veritablen Interpretationsspielraum. So richtig interessant wird dann, in welche Richtung das Liebesbarometer nach dem Abpfiff gegen Manchester City ausschlägt.
Sollte es Tuchel gelingen, Guardiola und dessen Team mit einem Überraschungscoup aus dem Wettbewerb zu befördern, werden die Frühlingsgefühle rund um Fröttmaning wohl keine Limits mehr beachten müssen. Verabschieden sich die Bayern allerdings auch im zweiten Pokal-Wettbewerb bereits im Viertelfinale, fühlen sich manche Beobachter möglicherweise so ähnlich wie die Herrschaften der Band "Glashaus" im Jahre 2001: "Wenn DAS Liebe ist - warum bringt es mich um den Schlaf?"
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