FC Bayern News: Uli Hoeneß mit Verbal-Attacke gegen Toni Kroos

Hoeneß-Attacke auf Kroos: Übertrieben oder berechtigt?

Von Robin Schmidt

Image: Uli Hoeneß hat gegen Toni Kroos ordentlich ausgeteilt.

Mit seiner öffentlichen Breitseite gegen Toni Kroos hat Uli Hoeneß für mächtig Gesprächsstoff gesorgt. Ist der Weltmeister von 2014 mit seiner Art, Fußball zu spielen, tatsächlich nicht mehr zeitgemäß? Eine Bewertung.

Die öffentlichen TV-Auftritte des Uli Hoeneß sind in den vergangenen Monaten seltener geworden, doch am Sonntag war es mal wieder soweit. Der ehemalige Präsident des FC Bayern präsentierte sich im Doppelpass bei Sport1 in altbekannter Manier. Angriffslustig mit unverblümten Worten, zuweilen aber auch mit einem starken Hang zur Polemik. Die berüchtigte "Abteilung Attacke", es gibt sie noch.

Hoeneß beherrschte sie in seiner Hochzeit wie kein Zweiter, mittlerweile ist ihm aber des Öfteren das Gefühl für den richtigen Zeitpunkt sowie die Art und Weise abhanden gekommen. Das wurde nun auch bei seinem überraschenden Frontal-Angriff auf Toni Kroos deutlich.

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Hoeneß' Breitseite ist unangebracht

"Toni Kroos hat in diesem Fußball nichts mehr verloren", urteilte der 69-Jährige. Rummms. Eine Aussage mit reichlich Zündstoff-Potenzial, daran änderte auch Hoeneß' dürftiger Versuch der Beschwichtigung nichts. "Ich mag den Toni Kroos extrem, er hat Weltklasse-Leistungen gebracht, war für den FC Bayern super", sagte er, nur um dann nochmals zu unterstreichen: "Aber seine Art zu spielen ist total vorbei."

Mit diesen Aussagen mag Hoeneß vielen Fußball-Fans in Deutschland aus der Seele sprechen, doch Kroos die Daseinsberechtigung im heutigen Fußball abzusprechen, ist reiner Populismus und dazu auch noch falsch. Der unlängst zurückgetretene Nationalspieler steht nicht bei einem mittelklassigen Klub unter Vertrag, sondern ist seit sieben Jahren unangefochtener Stammspieler bei Real Madrid, einem der größten und erfolgreichsten Vereine der Welt. Allein diese Leistung ist nicht weniger als phänomenal und herausragend zu bezeichnen.

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Kroos polarisiert in Deutschland

Dementsprechend stark ist sein Selbstbewusstsein ausgeprägt, als nebenberuflicher Podcaster ist er auch mit einer verbalen Schlagfertigkeit ausgestattet, vor der auch Alphatiere à la Hoeneß nicht gefeit sind: "Uli Hoeneß ist ein Mann mit großem Fußballsachverstand (auch wenn es für RTL nicht gereicht hat), wenig Interesse für Polemik und mit sich komplett im Reinen. Ähnlich wie sein Greenkeeper", konterte er die scharfe Kritik seines ehemaligen Vereinbosses mit einer gehörigen Portion Sarkasmus.

Ein Twitter-User bezeichnete die Reaktion als die "vielleicht die offensivste Aktion von Toni Kroos seit 2014". Gewiss muss sich der Real-Star bei seiner Vita nicht alles gefallen lassen, doch ihm würde im Umgang mit (auch berechtigter) Kritik etwas mehr Souveränität, die er sich bei all den Erfolgen zweifelsohne leisten könnte, gut zu Gesicht stehen.

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Möglicherweise lassen sich seine zuweilen dünnhäutigen Reflexe auch von seinem Bild in Fußball-Deutschland herleiten. Der 31-Jährige polarisiert seit jeher mit seiner Spielweise. Die eine Seite schätzt ihn als einen der besten Mittelfeldspieler, die Deutschland je hatte. Für die anderen ist er dagegen nur unter dem Spitznamen "Querpass-Toni" bekannt. Eine zugegeben unsägliche Bezeichnung für einen Weltmeister, Triple-Sieger und viermaligen Champions-League-Sieger, zumal er bei all diesen Triumphen eine zentrale Rolle gespielt hat - und das gewiss nicht nur mit Querpässen.

Real & DFB-Team: Die Krux bei Kroos

Für Hoeneß waren diese dagegen mit ein Grund dafür, warum Deutschland im EM-Achtelfinale gegen England gescheitert ist. "Wir liegen gegen England in der letzten Viertelstunde mit 0:1 hinten, Kroos ging nicht mehr über die Mittellinie. [...] Er hat quer gespielt, noch mal quer gespielt, dann hatte sich die gegnerische Abwehr wieder sortiert."

Die fehlenden vertikalen Bälle, die Hoeneß bemängelt und man in dieser Form auch kritisieren kann, versucht Kroos mit einer Statistik gepaart mit dem Zusatz "Das kann Uli H. nicht gefallen" zu widerlegen. Demnach hat er bei der EM von allen Akteuren mit Abstand die meisten Pässe (66) ins letzte Angriffsdrittel gespielt. Aber woher entstammen gerade in Deutschland diese unterschiedlichen Ansichten über den Fußballer Kroos?

Zum einer spielt er seit 2014 im Ausland bei Real Madrid, nur wenige sehen Woche für Woche seine Leistungen im Trikot der Königlichen. Die meisten bewerten den gebürtigen Greifswalder anhand seiner Auftritte im DFB-Dress. Was viele dabei außer Acht lassen: Kroos kommt in beiden Mannschaften auf unterschiedlichen Positionen in verschiedenen Systemen zum Einsatz.

Löw nimmt Kroos seine Stärken

In Madrid agiert er als Achter und bildet gemeinsam mit Luka Modric sowie dem Brasilianer Casemiro als Sechser eines der prägendsten und erfolgreichsten Mittelfeld-Trios der vergangenen Jahre. Für seine Rolle als Ballverteiler und Passmaschine genießt er international höchstes Ansehen, von seinen Gegnern wird er teilweise sogar bewundert. Nicht so in Deutschland.

Vor und während der EM wurde Ex-Bundestrainer Joachim Löw von vielen Experten für seine Nibelungentreue zu seinem Taktgeber kritisiert, dabei nahm er ihm mit seiner taktischen Ausrichtung wie vielen anderen Spielern auch dessen Stärken. Kroos musste als Sechser agieren, in Zweikämpfe gehen und öfters auch mal zur Grätsche ansetzen. Ihm fehlte ein Nebenmann wie Casemiro bei Real, mit Kimmich als Partner im Zentrum hätte er seine Stärken als Rhythmusgeber mit hoher Wahrscheinlichkeit besser ausspielen können.

Dennoch steht außer Frage, dass Kroos nicht seine Top-Leistung abgerufen hat. Ihn aber zum Sündenbock für das frühe Aus zu machen, ist übertrieben und nicht gerechtfertigt, zumal auch kaum einer seiner Teamkollegen entsprechendes Niveau erreicht hat.

Sky Experte Lothar Matthäus über die Leistung von Toni Kroos

Ist das der Umgang in der Bayern-Familie?

Abschließend sei gesagt, dass Kritik immer angebracht und berechtigt ist, wenn diese in sachlicher Form vorgetragen wird. Ein Stilmittel, das Hoeneß in jüngster Vergangenheit oftmals fremd ist. Unpassend ist auch der Zeitpunkt, denn Kroos hat selbst vor einigen Tagen seinen Rücktritt aus dem DFB-Team bekanntgegeben. Statt nachzutreten wäre es sinnvoller, dessen Verdienste für Deutschland zu würdigen.

Insbesondere Hoeneß spricht immer davon, dass der FC Bayern wie eine große Familie sei und man auch immer bemüht sei, eine gute Beziehung zu ehemaligen und verdienten Spielern zu pflegen. Derartige Breitseiten wie am Sonntag passen da überhaupt nicht ins Bild.

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