Der FC Bayern steht kurz vor der ersten titellosen Saison seit 2012. Im Verein rumort es seit Monaten. Was stimmt nicht an der Säbener Straße? Sky Experte Didi Hamann nimmt sich neben der Mannschaft vor allem Trainer Tuchel zur Brust.
Es ist offiziell: Nach dem 3:0-Sieg von Borussia Dortmund beim FC Augsburg geht der BVB als Tabellenführer in den 34. und letzten Spieltag der Bundesliga-Saison 2022/23. Die Dortmunder haben zwei Punkte mehr auf dem Konto als Seriensieger FC Bayern und können mit einem Heimsieg gegen den FSV Mainz 05 am kommenden Samstag (live und exklusiv auf Sky) die zehnjährige Meister-Dominanz der Münchner beenden.
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Bayern verspielt elf Punkte seit Januar
Schwarz-Gelb profitierte davon, dass die Bayern am Samstagabend gegen RB Leipzig abermals eine Führung leichtfertig aus der Hand gaben und am Ende in der heimischen Allianz Arena mit 1:3 gegen den Pokalsieger den Kürzeren zogen. Nach DFB-Pokal und Champions League steht die Tuchel-Elf kurz davor, auch den dritten Titel zu verspielen. Seit der WM in Katar hat der FCB seit Ende Januar schier unvorstellbare elf Punkte auf den großen Rivalen verspielt.
Vorstandsboss Oliver Kahn droht angeblich das Aus, auch Sportvorstand Hasan Salihamidzic steht in der Kritik. Auf einer Aufsichtsratssitzung am 30. Mai soll über personelle Konsequenzen auf der Führungsetage entschieden werden. "Ich glaube, dass eine Entlassung von Salihamidzic ein Fehler wäre. Sein Verhältnis zu Tuchel ist sehr intakt und denke, dass er ein noch besserer Sportvorstand werden kann, wenn er einen guten Konsens mit Tuchel findet. Ob eine Kahn-Entlassung die richtige Entscheidung ist, kann ich nicht beurteilen. Ich glaube aber, dass er gehen wird", skizziert Bayern-Insider Florian Plettenberg bei Sky90 - die Fußballdebatte die aktuellen Entwicklungen in München.
Und weiter: "Ich glaube, das weiß Kahn auch schon, denn er hat ein sehr gutes Gefühl dafür, was passieren wird. Ich denke, Kahns Entlassung ist so gut wie fix."
Hamann und Bruchhagen würden mit Kahn weitermachen
Heribert Bruchhagen und Didi Hamann halten von einer Trennung vom Vorstands-Boss allerdings nichts. "Wenn dem Aufsichtsrat etwas nicht passt, sollen sie ihm das sagen und ihm eine Chance geben, es besser zu machen, denn diese negativen Stimmen hat man vor sechs oder acht Monaten nicht gehört und dieser Job ist ja kein Zuckerschlecken. Die Bayern machen 700 Millionen Umsatz - das ist ein Konzern", argumentiert Hamann.
Auch eine titellose Saison sei kein Grund für eine Trennung. "Was, wenn das nächstes Jahr wieder passiert? Das würde heißen, dass man dann immer den Vorstandsvorsitzenden, den Sportvorstand und am besten noch den Trainer rauswerfen muss. Das kann ja nicht die Lösung sein. Sie haben Großes erreicht in den letzten Jahren, aber das gehört halt mal dazu im Sport, dass man nicht immer gewinnt. Er ist jetzt zwei Jahre im Job, man muss den Leuten doch mal Zeit geben. Hoeneß und Rummenigge waren 20 Jahre da und haben sicher auch Fehler gemacht."
Hamann nimmt Spieler in die Pflicht
Ohnehin hat die aktuelle Krise für Hamann wenig mit Kahn oder Salihamidzic zu tun. "Natürlich hilft Unruhe im Verein nicht, aber auf der anderen Seite hat es die Mannschaft nicht zu interessieren, wer Sportvorstand oder Vorstandsvorsitzender ist", so der Sky Experte: "Das sind Sachen, die der Aufsichtsrat entscheidet und die Spieler haben keinen Vertrag mit Oliver Kahn oder Hasan Salihamidzic, sondern mit dem FC Bayern. Es ist mir zu einfach zu sagen, dass das, was in der Führungsetage los ist, der Grund ist, warum sie schlecht spielen."
Der ehemalige Bayern-Profi nimmt stattdessen die Spieler ins Visier. An der Qualität des Kaders zweifelt Hamann nicht, sagt aber gleichwohl: "Der Kader ist hervorragend besetzt, aber was sie nicht haben, sind genug Arbeiter: Du brauchst Spieler, die bereit sind, sich für die Mannschaft aufzuopfern, ohne zu glänzen. Außer de Ligt und momentan Pavard sehe ich keinen. Die ganzen Offensiv-Spieler sind kreativ und anders gepolt, aber dann hast du mit Kimmich und Goretzka zwei Spieler, die wollen selber glänzen und du brauchst einfach drei oder vier Spieler im Kader, die andere besser machen", so der Ex-Nationalspieler und führt weiter aus:
"Wenn ich mir einen Goretzka anschaue, der ist wahrscheinlich die Enttäuschung der Saison. Ich hätte gedacht, dass er eine Säule beim FC Bayern und der Nationalmannschaft wird, aber der ist komplett untergegangen. Das kann man über viele andere auch sagen."
Mannschaft "mental tot"?
Plettenberg ergänzt: "Ich glaube, die Bayern haben ein massives Kopfproblem und ein massives Anführer-Problem. Gegen Leipzig saßen auf der Tribüne ein Ribery, Robben oder ein Gomez - diese Spielertypen haben sie aktuell nicht. Du hast beim FC Bayern in diesem Kader keinen, bei dem du das Gefühl hast, dass er dir ein Spiel rumreißt. Auch kein Kimmich. Er ist nicht der Typ dafür, das ist auch nicht seine Rolle, aber sie haben keinen Anführer", findet der Sky Reporter deutliche Worte und spricht davon, dass die Mannschaft "mental tot" sei, was auch Abwehrchef Mathijs de Ligt nach dem Leipzig-Spiel bestätigte.
Und welche Rolle spielt der neue Coach bei der aktuellen Gemengelage? Hamann sieht den Übungsleiter durchaus kritisch und gibt ihm beispielsweise eine große Mitschuld an der Pleite gegen RB, denn der entscheidende Ausgleichstreffer der Sachsen sei nämlich vermeidbar gewesen: "Die wichtigste Position bei einer Ecke ist der Sechzehner. Da brauchst du Spieler, die defensiv denken und wissen, wie sie einen Zweikampf zu führen haben und zur Not ein taktisches Foul machen. Und dann hast du in einem Spiel gegen eine Mannschaft, die gefühlt 80 Prozent ihrer Tore nach Kontern schießt, dort Coman und Musiala", wundert sich der ehemalige Champions-League-Sieger und führt weiter aus:
Hamann gibt Tuchel Mitschuld an Leipzigs Ausgleichstreffer
"Beide haben in dieser Saison noch nicht so viele Defensiv-Zweikämpfe gewonnen. Dein Sechser schießt die Ecke, wo viele ins Nichts gehen und Goretzka ist im Strafraum. Ich kann mich nicht erinnern, wann der das letzte Mal ein Kopfballtor gemacht hat. Einer von den beiden hat einfach am Sechszehner zu stehen. Das muss ich dem Trainer vorhalten, das ist hanebüchen in so einer Situation zwei offensive Spieler am Sechszehner zu haben und mit Cancelo einen dahinter, der das Verteidigen auch nicht erfunden hat. Das war schülerhaft und amateurhaft und da muss ich dem Trainer die Schuld dafür geben."
Ohnehin gibt Tuchel für Hamann keine gute Figur ab, seit er an der an der Säbener Straße übernommen hat: "Einige Aussagen haben mich sehr irritiert. Erst war er 'schockverliebt', dann hatte er 'City zweimal am Haken' - die Meinung hat er glaube ich exklusiv gehabt. Drei Tage später ist er ratlos. Wie sollen wir denn wissen, was bei den Bayern los ist und warum sie so einen Schmarren spielen, wenn es der Trainer nicht weiß", argumentiert der Sky Experte und ergänzt:
Tuchel und die "Kette der Ratlosigkeit"
"Jetzt war er gegen Leipzig wieder ratlos. Das ist eine Kette der Ratlosigkeit. Es ist möglich, dass sie alle drei Titel verspielen. Dann kommt das natürlich auf dem Platz hinzu. Die zwei Offensiven am Sechszehner - das geht nicht. Das sind Anfängerfehler. Ich wäre da vorsichtig. Mag sein, dass er der Richtige ist, aber ich habe meine Bedenken."
Die Verantwortlichen haben diese nicht. Laut Plettenberg wird Tuchel zu 100 Prozent auch in der kommenden Spielzeit das Münchner Starensemble trainieren. Dieses wird sich aber durchaus verändern. Bekanntlich suchen die Münchner einen neuen Topstürmer und auch einen Sechser.
Einige Spieler wie beispielsweise Sadio Mane, Yann Sommer oder auch Leihgabe Joao Cancelo sollen oder werden den Klub verlassen, denn es soll auf jeden Fall verhindert werden, dass der Branchenprimus auch in einem Jahr nur als Jäger ins Saisonfinale geht. In dieser Saison ist dieser Zustand seit dem heutigen Sonntag offiziell...
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