Der Artikel mehr Aufruf als Nachruf. Ein Sinnbild für Neapel. Der Hype um den 1,68 Meter kleinen Argentinier ist nach dessen Ableben größer denn je.
Von Henning Stüber
Auch Maradona wechselte wie heute üblich mehrfach das Trikot: Boca, Barca, Napoli, Sevilla. Die Verbindung zur süditalienischen Hafenstadt ist allerdings eine ganz Spezielle.
Neapel ist Maradona und Maradona ist Neapel: Niemand, ob fußballinteressiert oder nicht, kommt in der Millionenmetropole am Mythos Diego vorbei. Keine Gasse in der verwinkelten Altstadt (offizielles Weltkulturerbe) ohne ein Wandgemälde oder Altar für "Dios".
Pilgerstätte für Touristen und Fans
Ein Fußballer aus ärmsten Verhältnissen in Argentinien, der in einer der ärmsten Städte Europas zum Kulturgut wurde. Er führte die vermeintlich ewigen Verlierer aus dem armen Süden Italiens an die Spitze und gab einer Stadt ein ganz neues Selbstbewusstsein. Ein Künstler auf dem Platz, ein Mensch mit vielen Problemen abseits davon, ein Spiegelbild der Seele Neapels. Die Erwartungshaltung trotzdem stets gigantisch: "Ich habe versucht, das Fußballspielen zu genießen und euch alle glücklich zu machen. Ich glaube, das ist mir gelungen. Aber das ist alles zu viel für einen Menschen, zu viel für einen Spieler", sagte Maradona bei seinem Abschiedsspiel 2001.
Der Largo Maradona in den sogenannten spanischen Vierteln Neapels ist längst eine Pilgerstätte für Touristen und Fans. Das Wandgemälde dort gibt es bereits seit den 1990er-Jahren, mit dem Tod des "Stadtpatrons" nahm die Bedeutung aber nochmal zu.
Direkt am Platz befindet sich inzwischen auch das Museum Maradona. Gründer Massimo Vignati ist der Sohn von Maradonas Haushälterin in seiner Zeit in Neapel von 1984 bis 1991. Klein, aber mit vielen Originaltrikots oder auch einer Espresso-Kanne von damals ist es ein Ort für Liebhaber.
In den oft chaotischen Gassen vor dem Museum finden Touristen so ziemlich alles: Maradona-Spritz, Maradona-Bier, Trikots, Magneten, Tassen und jede Menge gefälschte Trikots. Unzählige Stände und fliegende Händler machen Kasse. Mit oder ohne Verkaufslizenz. An "Dios"-Maradona wollen alle verdienen.
Wechsel für sieben Millionen Euro
Als vor einem Monat die Polizei etwas genauer hinschaute und Kontrollen durchführte, war der Aufschrei groß. Aus Protest wurde das Wandgemälde kurzzeitig verhüllt. Für den Augenblick hat sich die Lage wieder beruhigt, eine Lösung steht allerdings weiter aus. Das Ringen um das Erbe des Argentiniers geht weiter. Auch in seinem Heimatland stehen Prozesse aus. Die Staatsanwaltschaft wirft den Ärzten und Pflegern Maradonas Behandlungsfehler vor, die zu seinem Tod führten. Auch hier ist der Ausgang noch offen.
Umgerechnet knapp sieben Millionen Euro: Für diese heute fast lächerlich wirkende Ablösesumme wechselte Diego Armando Maradona im Sommer 1984 von Barcelona nach Neapel. Damit lag er nur knapp unter dem damaligen Weltrekord im Fußball von 7,3 Millionen Euro. Aufgestellt von - na klar - Maradona selbst und zwar nur zwei Jahre zuvor bei seinem Wechsel aus seiner Heimat Argentinien nach Katalonien. Der beste Fußballer der Welt kam zu einem damals mittelmäßigen Verein nach Italien. Die Finanzierung des Transfers bis heute im Dunkeln - das Ergebnis aus Sicht der Neapolitaner in jedem Fall prächtig.
Neapel erlebt die Diego-Jahre wie im Rausch
Mit der Nummer zehn gewann Napoli die ersten beiden Meisterschaften der Vereinsgeschichte 1987 und 1990. Dazu einen UEFA-Cup. Plötzlich war man wer auf der Landkarte des Weltfußballs. Genauso schnell ging es danach allerdings wieder bergab. Mit Maradonas überstürztem Abschied nach der Dopingsperre 1991 war alles vorbei. Wie im Rausch hatte Neapel die Diego-Jahre erlebt, mit einem riesigen Kater folgte der Absturz bis in die 3. Liga inklusive Konkurs.
Nach und nach gelang die Rückkehr auf die große Bühne. 2023 dann der langersehnte dritte Meistertitel, 2025 folgte Nummer vier. Beide Titel durfte Maradona nicht mehr miterleben. Die Idole der Fans der vergangenen beiden Meisterschaften tragen heute Namen wie Victor Osimhen, Scott McTominay oder Romelu Lukaku. Zum Teil sind sie schon wieder weg aus Neapel - Helden auf Zeit.
Einer aber ist auch gegangen und trotzdem immer geblieben. Diego vive!
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