In seiner Kolumne blickt Sky Experte Dietmar Hamann auf das Abschneiden der deutschen Klubs in der Champions League. Für Borussia Dortmund befürchtet er das Aus, beim FC Bayern könnte er sich eine Rochade im Mittelfeld vorstellen. Unions Krise sieht er nicht als dramatisch an.
TOP 1: Dortmund wird im Januar nicht mehr international dabei sein
Dortmunds Trainer Edin Terzic hat es richtig eingeordnet, dass das 0:0 gegen Mailand ein gerechtes Ergebnis war. Es ist aber zu wenig. Wenn du in dieser Hammergruppe weiterkommen willst, musst du in jedem Spiel ans Limit gehen.
Defensiv haben es die Dortmunder gegen Milan ordentlich gemacht, aber es gehört beides dazu. Sie haben es nie geschafft, Druck aufzubauen und das Mailänder Tor in Gefahr zu bringen. In der Offensive hat der BVB momentan in Malen nur einen Spieler, der sich auf internationalem Niveau durchsetzen kann und auch gegen Milan die meiste Gefahr ausgestrahlt hat.
Haller ist außer Form, Adeyemi ist im Moment nur Passagier, nur Beifahrer. Reus kann immer wieder mal für Lichtblicke sorgen, aber international ist es schwieriger als in der Bundesliga. Brandt hat zwar immer wieder gute Phasen, aber dann taucht er über lange Strecken für mehrere Spiele ab. Und von Füllkrug kann man nicht erwarten, dass er mit seinen erst zwei Champions-League-Spielen gegen diese Hochkaräter am Fließband trifft.
Ich befürchte, dass in drei Wochen nach dem nächsten Spiel in Newcastle die Champions League für die Dortmunder mehr oder weniger beendet sein wird. Wenn du in Newcastle verlierst, musst du wahrscheinlich die letzten drei Spiele gewinnen, also in Mailand und zuhause gegen Newcastle und Paris. Dazu fehlt mir momentan die Fantasie. Zehn Punkte wird man wahrscheinlich fürs Weiterkommen brauchen, vielleicht reichen auch neun oder acht. Wenn man mir als BVB-Fan den dritten Platz in der Gruppe anbieten würde, würde ich ihn sofort nehmen. Ich glaube nicht, dass die Dortmunder im neuen Jahr noch international dabei sein werden.
TOP 2: Bayern fehlen Spielfluss und Spielwitz
Dass es für den FC Bayern in Kopenhagen keine leichte Aufgabe sein würde, war klar. Kopenhagen hatte letztes Jahr zuhause gegen Manchester City nicht verloren. Ein bisschen Sorge macht mir, dass bei den Bayern kaum Spielfluss vorhanden und vieles Stückwerk ist. Einzelaktionen entscheiden die Spiele, mal durch Sane, am Dienstag durch Musiala.
Die Einwechselspieler hatten in Kopenhagen einen großen Anteil. Es ist gut, wenn du einen Thomas Müller und Mathys Tel von der Bank bringen kannst, aber homogen sieht anders aus. Seit Tuchels Dienstantritt ist nicht wirklich zu sehen, dass eine Einheit auf dem Platz steht. In der Bundesliga reicht das noch, aber gegen Leverkusen und in Leipzig hat man gesehen, dass es schwer wird.
Die K.o.-Phase in der Champions League beginnt zwar erst im Februar, aber irgendwann müssen die Bayern anfangen, etwas Spielfluss und Spielwitz zu kreieren. Wenn du einmal Spielfluss hast, entstehen auch Räume für Harry Kane. Momentan entstehen diese Räume nicht, weil alles zu statisch ist. Kane hat deshalb kaum Ballkontakte und wirkt im Moment wie ein Fremdkörper. Die Tatsache, dass er so viele Tore geschossen hat, ist seiner Klasse zu verdanken, aber wenn du als Stürmer nicht im Spiel bist, wird es schwer.
Was das Mittelfeldzentrum betrifft, hoffe ich immer noch, dass Goretzka bald wieder die Leistung zeigt, die er in sich hat. Kimmich muss seine Rolle defensiv interpretieren. Er hat bis Weihnachten Zeit, dass er diese Rolle zu seiner macht. Ich fände es eine Überlegung wert, Musiala neben ihm im Zentrum spielen zu lassen, um Kimmich zu signalisieren, dass er seine Position zu halten hat nach dem Motto: 30 Meter vor dem Tor ist Schluss! Musiala soll keine defensive Rolle übernehmen, aber vielleicht wäre das ein Weg, Kimmich defensiv mehr Verantwortung und damit dem Spiel der Bayern die nötige Stabilität zu geben.
Manchester City hat es mit Rodri und Gündogan oder Bernardo Silva auch so gemacht. Wenn du die Besten schlagen willst, brauchst du Spielkontrolle, und die haben die Bayern im Moment zu wenig.
TOP 3: Union steckt noch in einer Selbstfindungsphase
Wenn ManCity konzentriert zu Werke geht, ist es schwer für jeden Gegner. Das ist klar, und das musste auch RB Leipzig beim 1:3 am Mittwoch zu wiederholten Mal erfahren. In der Bundesliga läuft es für RB bisher sehr gut, aber City hat ihnen die Grenzen aufgezeigt. City ist die Benchmark im europäischen Fußball und es ist keine Schande, gegen sie zu verlieren. Die Punkte müssen die Leipziger gegen andere holen.
Union Berlin hätte aus den ersten beiden Spielen in Madrid und gegen Braga mindestens zwei Punkte holen können, mit etwas Glück sogar vier. Wenn du aber erst einmal in einem Anti-Lauf steckst wie Union, passieren solche Sachen wie die 2:3-Niederlage nach 2:0-Vorsprung. Union steckt noch in einer Selbstfindungsphase.
Die letzte Entschlossenheit der vergangenen Saison haben die Köpenicker im Moment nicht, deswegen verlieren sie die engen Spiele, die sie in der vergangenen Saison kaum oder nie verloren haben. Es ging drei Jahre lang nur bergauf, aber es ist klar, dass auch mal andere Phasen kommen würden.
Man musste für die Champions League neue Spieler holen, aber dadurch verschiebt sich die Dynamik in der Mannschaft und irgendwo auch die Hierarchie. Einige, die in der vergangenen Saison fast immer gespielt haben und Union in die Champions League gebracht haben, spielen plötzlich nicht mehr. Das kann zu Reibungen in der Kabine führen, dass die Leute sagen: „Die holen Bonucchi und Volland, die verdienen mehr als wir, sind die das wert?" Das kann eine Mannschaft schnell ins Wackeln und Wanken bringen.
Es ist eine brenzlige Situation. Wenn Union am Samstag in Dortmund (ab 15 Uhr live und exklusiv auf Sky) zum siebten Mal verlieren sollte, würde das die Sache nicht einfacher machen. Sie waren in der Champions League nah dran, es fehlten nur ein paar Prozente. Mit einem Erfolgserlebnis kann sich die Situation aber schnell wieder ändern. Ich würde mir um Union keine zu großen Sorgen machen.