Lothar Matthäus erklärt in seiner Kolumne, was Trainer Nuri Sahin bei Borussia Dortmund ändern muss, um die Mannschaft des BVB auf einen konstanten Kurs zu bringen. Der Sky Experte äußert zudem Kritik an Emre Can .
Bei Borussia Dortmund ziehen sich die wechselhaften Leistungen schon seit Jahren hin, egal, welcher Trainer auf der Bank sitzt. Das war schon unter Edin Terzic so, und auch unter Nuri Sahin ist es ein ständiges Hin und Her.
Das Publikum im Signal Iduna Park ist der große Trumpf, den der BVB noch hat und der Grund dafür, dass die Dortmunder in der Bundesliga-Tabelle nicht noch mehr Rückstand haben.
Warum die Leistungen auswärts so schwach sind, kann ich mir nicht erklären. Im Sommer wurden erfahrene Leute wie Serhou Guirassy, Pascal Groß und Waldemar Anton verpflichtet und der talentierte Maximilian Beier aus Hoffenheim geholt.
Dortmund hat alles, was eine Mannschaft haben muss
Führungsspieler, Qualitätsspieler, Torjäger, schnelle Spieler. Die Dortmunder haben eigentlich alles, was für mich eine Mannschaft haben muss. Einzig bei den Außenverteidigerpositionen bin ich skeptisch, ob die Qualität reicht, um ganz oben dabei zu sein. Aber auf allen anderen Positionen hat der BVB erstklassige Spieler.
Dennoch ist es Sahin noch nicht gelungen, sich seine ersten elf, zwölf, 13 Spieler herauszupicken, die sein Vertrauen bekommen. So wie es Julian Nagelsmann in der Nationalmannschaft oder Vincent Kompany beim FC Bayern gemacht haben.
Sahin muss klare Entscheidungen treffen
Sahin ist zwar ein paar Jahre jünger als Trainerkollegen wie Kompany oder Xabi Alonso, aber er hat bei Dortmund, Liverpool und Real Madrid gespielt. Er kennt den Fußball. Er muss Entscheidungen treffen. Klare Entscheidungen, manchmal auch unpopuläre Entscheidungen.
Du kannst nicht alle gleich behandeln. Jedem Spieler einen Gefallen zu tun, bringt Borussia Dortmund nicht weiter. Die Frage ist: Wen macht der Trainer zum Führungsspieler? Wem stärkt er den Rücken?
Sahin muss sagen: Das ist meine erste Elf, das ist meine Abwehr, das ist mein Zehner, das sind meine Flügelspieler und das ist meine Doppel-Sechs.
Sahin muss Anton stark machen
Anton muss ich beim BVB genauso stark machen, wie er es in Stuttgart war. Dort war er nicht nur Kapitän, sondern auch Anführer. Ihn dorthin zu bekommen, ist Aufgabe der Verantwortlichen, unter anderem auch des Trainers. Guirassy fühlt sich im BVB-Sturm wohl, weil er gesetzt und unantastbar ist. Diese Unantastbarkeit braucht ein Anton auch. Wenn ich Schlotterbeck, Anton und Süle habe, muss auch mal einer von ihnen außen verteidigen oder auch mal ganz draußen bleiben.
Julian Brandt lässt auf der Zehn häufig Weltklasse aufblitzen, taucht dann aber auch wieder unter. Ich würde mir von ihm wünschen, dass er selbstbewusster auftritt, auch was seine Außendarstellung betrifft. Brandt hat nicht mehr Marco Reus im Rücken, eigentlich könnte er viel befreiter aufspielen.
Es jedem rechtzumachen, funktioniert nicht
Mit Jamie Gittens, Donyell Malen, Maximilian Beier und dem momentan verletzten Karim Adeyemi hat Sahin vier schnelle Flügelspieler. Der Trainer muss ihnen ihre Rollen erklären und Entscheidungen treffen. Auch wenn das heißt, dass vielleicht ein 30-Millionen-Einkauf auf der Bank sitzt.
Auch für die Doppel-Sechs hat er vier Spieler: Groß, Sabitzer, Felix Nmecha und Emre Can. Sahin muss zu zweien von ihnen sagen: "Du bist mein Mann!" Es jedem rechtzumachen, funktioniert nicht.
Der Trainer muss Entscheidungen treffen. Nicht für die Spieler, sondern für die Mannschaft und den Verein.
Das muss ich Emre Can vorwerfen
Wenn er Can die Kapitänsbinde wegnehmen würde, würde das im Moment wieder für Unruhe sorgen, aber es bringt nichts, wenn ein Kapitän ständig kritisiert wird, teilweise auch zurecht. Wenn er solche Fehler macht wie beim 1:2 in Augsburg, oder so eine Laufleistung zeigt wie in Madrid.
Ich habe eigentlich immer gedacht, Can sei ein Spieler, den du auf der Sechs brauchst: erfahren, ohne Angst und mit einer gewissen Schnelligkeit. Aber ihm mangelt es häufig an Konzentration und in Madrid hat ihm im Laufduell gegen Vinicius Junior im Endeffekt auch die Einstellung gefehlt. Das ist nicht böse gegen Can gemeint, aber wenn ich fünf Minuten vorher reingekommen bin und der andere Spieler steht schon 80 Minuten auf dem Platz, dann muss ich die letzten zehn Meter auch noch marschieren. Das ist eine Einstellungssache und das muss ich Emre vorwerfen.
Er hat nicht das Standing bei den Fans, wie es ein Kapitän eigentlich haben sollte. Nämlich unantastbar zu sein, wie es zum Beispiel ein Marco Reus war. Dieser hat zuletzt auch nicht immer überragend gespielt, aber er hatte den bei Fans und Verantwortlichen den Status: "Du bist unser Kapitän!"
Mehr zum Autor Lothar Matthäus
Alle weiteren wichtigen Nachrichten aus der Sportwelt gibt es im News Update nachzulesen.