Lothar Matthäus erklärt in seiner Kolumne, was er sich für den Umgang von Thomas Tuchel mit Joshua Kimmich wünscht. Für den Sky Experte ist die Installation von Andreas Rettig beispielhaft für das, was beim DFB falsch läuft. Daher kann er den Rückzug von Rummenigge und Mintzlaff nachvollziehen. Mats Hummels sieht er trotz seiner zwei Tore aktuell nicht in der Nationalelf.
Joshua Kimmich ist nicht irgendein Spieler, sondern einer der drei Kapitäne im Team des FC Bayern und der Sprecher der jungen Generation. Er interpretiert die Sechser-Position vielleicht anders als Thomas Tuchel es gerne hätte. Er ist nicht der Typ Javi Martinez, aber solange ich keinen anderen habe oder bekommen habe, muss ich als Trainer Kimmich stark machen.
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Der große Fehler war, dass sehr viel in der Öffentlichkeit kommentiert wurde. Tuchels Vorstellungen kann ich nachvollziehen, aber was will er dann mit Kimmich machen? Kimmich ist kein Achter wie Goretzka und kein Zehner wie Musiala oder Müller. Man muss ihn seinen Stärken entsprechend effektiv einsetzen, auf der Sechs oder auf der Zwei.
Wenn ich einen wie Kimmich habe, muss ich ihn stärken
Wenn ich Kimmich in der Mannschaft habe und weiß, dass er ein Leadertyp ist und dass er den Unterschied ausmachen kann, dann muss ich ihn auf seiner Position stärken. Als Trainer verlierst du deinen Spieler, wenn du ihm nicht mehr das Vertrauen schenkst.
Kimmich hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er die Qualität hat, eine Mannschaft erfolgreich zu führen. Der Spieler Kimmich und seine Mentalität sollen sich nicht verändern. Er ist einer, der sich auch persönlich hohe Ziele steckt. Das gefällt nicht immer allen, aber ein Leader muss auch mal anecken und Reizpunkte setzen. Natürlich muss er auch seine Leistung bringen. In der zweiten Halbzeit in Mönchengladbach haben wir den alten Kimmich gesehen, wie man ihn von früher kennt und wie er fast Weltklasse war. Da muss er wieder hinkommen und dabei sollten ihn die Verantwortlichen unterstützen.
Ich habe bei Bayern irgendwann auch nicht mehr die Elfmeter geschossen und war nicht mehr Kapitän, aber ich wusste, was ich bin und wer ich bin. Das haben mir die Verantwortlichen gezeigt. Ich weiß nicht, wie die internen persönlichen Gespräche stattfinden, aber Kimmichs Auswechslung gegen Leverkusen war das i-Tüpfelchen auf die ganze Geschichte, die ihn in den vergangenen Monaten verfolgt hat. Solche Geschichten sind zwar schön für die Medien, aber eine, die Bayern München nicht braucht.
Kann Rückzug von Rummenigge und Mintzlaff nachvollziehen
Auch beim DFB ist vieles zuletzt nicht glücklich gelaufen. Ich kann den Rückzug von Karl-Heinz Rummenigge und Oliver Mintzlaff voll nachvollziehen.
Rummenigge hat alles erlebt, was man im Fußball erleben kann. Wie er den FC Bayern und den deutschen Fußball international vertritt, was er als Spieler und Funktionär geleistet hat, ist schon einmalig. Wenn man jemanden wie ihn und Mintzlaff in einer Taskforce sitzen hat, sollten diese Personen erfahren, wer beim DFB in einer führenden Position auftaucht. In der Taskforce sitzen ja keine Bratwürste, sondern Menschen mit hoher Verantwortung in ihren Positionen.
Natürlich ist Andreas Rettig eine Person, mit der man streiten kann oder wahrscheinlich streiten muss. Man kann unterschiedliche Ansichten haben, bei Bayern München waren Rummenigge und Uli Hoeneß auch nicht immer einer Meinung. Rettig ist wahrscheinlich jemand, der wenig Kompromisse eingeht, sondern seinen Weg geht. Dieser Weg muss nicht unbedingt der sein, den alle Vereine der Bundesliga gehen wollen. Wenn es ein anderer geworden wäre, hätten einige vielleicht nicht so empfindlich reagiert. Aber es geht nicht allein um die Person Rettig, sondern um die Art und Weise, wie diese Personalie nicht kommuniziert wurde. Daran sieht man, was beim DFB nicht so läuft, wie es laufen sollte.
"...dann hätte die Sache für mich ein Geschmäckle"
Ich war von der Entscheidung für Rettig überrascht, weil man zuerst Sami Khedira ins Rennen als Nachfolger von Oliver Bierhoff geworfen hatte. Rettig geht von seiner Denkweise her in eine ganz andere Richtung. Auf den Fußball übertragen wäre es so, wie wenn einen schnellen, trickreichen Außenstürmer suche und am Ende einen langsamen Mittelfeldspieler bekomme, der nur lange Pässe schlagen kann.
Das Anforderungsprofil muss sich komplett geändert haben, sonst kann ich nicht mit Khedira sowie Nadine Keßler verhandeln und komme bei Rettig raus. Ich habe gelesen, dass Rettig DFB-Präsident Bernd Neuendorf bei dessen Wahl unterstützt hat. Wenn dem so wäre, dann hätte die Sache für mich ein Geschmäckle.
Völler wäre meine Ideallösung als Bundestrainer
Was die Auswahl des neuen Bundestrainers angeht, wurden alle Namen rauf und runter genannt. Wichtig ist, dass der DFB einen Plan hat. Wenn der Plan da ist, kann ich einen Trainer suchen. Wenn der DFB eine kurzfristige Lösung anstrebt, gibt es für mich keinen besseren als Rudi Völler. Er hat das Schiff beim Sieg gegen Frankreich schon in die richtige Richtung gelenkt. Auch Hannes Wolf und Sandro Wagner haben ihre Sache sehr gut gemacht. Ich hätte auch beim dritten "Nein" von Rudi nicht lockergelassen, sondern versucht, ihn zu überreden, in dieser Konstellation mit Wolf und Wagner weiterzumachen. Rudi wäre bis zur Europameisterschaft die Ideallösung gewesen, aber er hat zu häufig nein gesagt.
Bei Julian Nagelsmann ist die Frage, ob der DFB sein Gehalt stemmen kann und wie Julians Karriereplanung aussieht. Louis van Gaal hat die viel Erfahrung, er hat die Autorität und er spricht Deutsch. Er ist einer, mit dem man streiten kann und bei dem sich die Mannschaft auf das Fußballspielen konzentrieren kann. Das hat er bei der WM in Katar gezeigt. Van Gaal ist ein Mann der klaren Worte, genauso wie Felix Magath. Ich glaube, dass beide Kandidaten für die Position des Bundestrainers sein müssten.
Hummels hat mich gegen Köln mehr überzeugt als in Freiburg
Am Dienstag beginnt die Gruppenphase der Champions League. Borussia Dortmund hat mit dem 4:2 in Freiburg eine gelungene Generalprobe gefeiert, Mats Hummels hat zwei Tore erzielt. Dadurch wurde er von einigen wieder als Kandidat für die Nationalmannschaft ins Spiel gebracht. Ich sage: Ein Kevin Behrens hat schon vier Tore erzielt, wurde aber auch nicht eingeladen. Mats sollte erst einmal verletzungsfrei bleiben und konstant seine Leistung bringen. Mit seiner Abwehrleistung beim 1:0 gegen Köln hat er mich mehr überzeugt als mit seinen Toren in Freiburg.
Das könnte Dortmunds Vorteil gegen PSG sein
Mit dem Sieg in Freiburg hat sich der BVB hoffentlich das Selbstbewusstsein zurückgeholt, dass durch die verpasste Meisterschaft verlorengegangen war. Paris Saint-Germain hat große Namen wie Messi oder Neymar verloren, dennoch haben sie in der Offensive mit Mbappe, Dembele oder Kolo Muani viel Qualität. Aber sie funktionieren nicht als Mannschaft. Sie werden Dortmund nicht unterschätzen, aber die überschätzen vielleicht sich selbst. Das könnte der große Vorteil der Gegner von PSG sein.
Bayern ist gegen Manchester der klare Favorit. United ist in der neuen Saison weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben und muss sich schon wieder kleinere Ziele stecken. Dass Union Berlin bei Real Madrid spielt, hätte sich vor ein paar Jahren kaum jemand vorstellen können. Ich habe mit Partizan Belgrad auch mal gegen Real gespielt. Damals gegen die Galaktischen mit Zidane, Beckham und Robert Carlos. Ich habe Real am Sonntag spielen sehen. Sie haben eine riesen Mannschaft, aber vorne hat der Weggang von Benzema eine Lücke hinterlassen.
Real ist der Favorit, aber Union hat nichts zu verlieren und hat in Urs Fischer einen Schlawiner auf der Bank. Wenn die Berliner mutig sind und Zeichen setzen, können sie sich Chancen erarbeiten. Leipzig ist für mich in Bern der Favorit und sollte in der Gruppe neben Manchester City weiterkommen.
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